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Hohe Erwartungen und scharfe Kritik

Die Reaktionen der heimischen Politik auf den designierten neuen SPÖ-Chef und Kanzler Christian Kern und sein neues Team sind gemischt ausgefallen. Seitens der ÖVP und der Wirtschaftskammer sind die Erwartungen hoch. Scharfe Kritik kommt unter anderem von den Freiheitlichen.

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FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kritisierte in einem Facebook-Posting nach Kerns erster Pressekonferenz die Fortsetzung der „SPÖ-Ausgrenzungsdoktrin gegen die FPÖ“. Kern habe die „SPÖ-Weichen auf Rot-Grün gestellt“. Zuvor hatte bereits FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl die Terminplanung bei der Regierungsumbildung kritisiert.

Oppositionsreaktionen auf Kern-Angelobung

Wenig Hoffnung auf den angekündigten Neustart der Regierung und den neuen Politikstil haben die Oppositionsparteien. SPÖ und ÖVP hätten schon zu oft Reformen versprochen und dann nicht umgesetzt.

Kickl empörte, dass die Tagesordnung des Nationalrats wegen der Umbildung des SPÖ-Regierungsteams geändert wurde. Er zog daraus den Schluss, dass „die Chaospolitik der SPÖ mit Christian Kern unverändert weitergeht“. Die FPÖ will einen Neuwahlantrag einbringen.

Mitterlehner setzt auf „gute Zusammenarbeit“

Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner will indes auf „gute Zusammenarbeit“ mit dem umgebildeten Regierungsteam setzen. Nach dem ersten offiziellen Auftritt von Kern als designiertem SPÖ-Chef erklärte Mitterlehner auf Facebook: „Müssen neue Akzente setzen und für das Land gemeinsam etwas weiterbringen.“ Die Praxis werde zeigen, wie Anspruch und Wirklichkeit zusammenpassen. Mitterlehner zeigte sich davon überzeugt, dass beide Koalitionspartner von einer gemeinsamen Vorgangsweise „profitieren können“.

„Mit dem Wechsel von Faymann zu Kern haben wir die Möglichkeit, neue Akzente in der Zusammenarbeit der Bundesregierung zu setzen. Wir müssen diese Chance nutzen“, betonte auch ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald. Es gebe zahlreiche Herausforderungen, die die Bundesregierung gemeinsam anpacken müsse. McDonald hoffte, dass die neue SPÖ-Regierungsmannschaft unter der Führung von Kern „bereit ist, mit uns neue Wege zu beschreiten und einen neuen Stil in der Regierungsarbeit zu leben“.

Tusk freut sich auf EU-Gipfel mit Kern

EU-Ratspräsident Donald Tusk hofft unterdessen auf eine „enge Zusammenarbeit“ mit Kern. In einem am Dienstagabend veröffentlichten Schreiben bezeichnete es Tusk in Anspielung auf die Zerwürfnisse in der Flüchtlingskrise als „essenziell“, dass Österreich weiterhin konstruktive Beiträge für europäische Lösungen leiste und die Einheit gewahrt bleibe. Tusk wünschte Kern und seiner Regierung „jeglichen Erfolg bei Ihren Bemühungen“. Er freue sich auf ein Zusammentreffen beim EU-Gipfel im Juni.

Leitl: Österreich „aufsandeln“

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl hat hohe Erwartungen an die neue Regierung. „Ich erwarte eine Schubumkehr vom Abstieg zum Wiederaufstieg“, sagte Leitl im Gespräch mit der APA. „Wir sind in den letzten Jahren Schritt für Schritt zurückgefallen, wir sind abgesandelt, jetzt müssen wir wieder aufsandeln“, so Leitl.

Er hoffe auf eine „Rückkehr auf den Wachstumspfad“ und eine „Willkommenskultur für Leistungsträger dieses Landes“ - wozu er nicht nur Selbstständige, sondern auch sehr viele Unselbstständige zähle. Alle Steuerzahler seien durch vier Sparpakete in Folge „frustriert“, eine neue Regierung müsse sie neu motivieren indem sie Konjunkturimpulse, Wachstumsimpulse und damit Beschäftigungsimpulse setze.

Dem neuen Kanzler Kern attestiert Leitl „Managementfähigkeiten - er kann Ziele setzen, für die Ziele Zustimmung erhalten, dann umsetzen und ein Controlling installieren“. Der bisherige Mangel an Managementfähigkeiten sollte jetzt umgekehrt werden, hoffte Leitl. Auch von der Industriellenvereinigung (IV) kommt neben einer Gratulation an Kern ein Appell: Es sei keine Zeit zu verlieren, das könne sich das Land nicht leisten, mahnte IV-Präsident Georg Kapsch in einer Aussendung.

Glawischnig sieht „gute Hoffnung“

Grüne und Team Stronach (TS) wollen dagegen Kern eine Chance geben. Grünen-Chefin Eva Glawischnig wünschte dem künftigen Regierungschef am Dienstag in einer Pressekonferenz viel Glück, forderte aber gleichzeitig von ihm Reformen. Die Grünen wollten „konstruktiv“ auf das neue SPÖ-Team zugehen, betonte Glawischnig. Sie sei „guter Hoffnung“, dass sich auch etwas ändern wird.

Bei der Bildungsreform, beim Klimaschutz und im Arbeitsmarktbereich sieht Glawischnig den größten Handlungsbedarf. Die „Zäsur“ steht ihrer Ansicht nach im Herbst an, wenn das Budget beschlossen wird. Da erwartet Glawischnig von der neuen Regierung neue Akzente im Vergleich zum am Donnerstag im Nationalrat zu beschließenden Finanzrahmen.

„Letzte Chance“

Die grüne Bundessprecherin sieht allerdings jetzt „die letzte Chance“ für die Koalition. Sollte sie jetzt scheitern, sei die Gefahr einer blauen Regierung groß. Ein gutes Zeichen sieht sie aber auch darin, dass ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka nach seiner Attacke gegen Kern parteiintern einen Rüffel erhielt. Dem Neuwahlantrag der FPÖ im Nationalrat werden die Grünen nicht zustimmen. Das würde auch weitere Monate Stillstand bedeuten, so Glawischnig. Von der FPÖ habe sie nichts anderes erwartet, überrascht zeigte sie sich allerdings, dass auch NEOS der neuen Regierung so kritisch begegne.

TS: Besser als Faymann

Auch vom TS erhält Kern einen Vertrauensvorschuss. Klubobmann Robert Lugar zeigte sich bei einer Pressekonferenz am Dienstag zwar alles andere als begeistert von Kern, er hoffe aber, dass dieser in der Regierung mehr weiterbringe als bei den ÖBB, sagte er. Kern sei als ÖBB-Chef „kein großer Reformer, mehr ein Stillstandsverwalter“ gewesen, meinte Lugar. So habe er „die Überbesetzung von Personalstrukturen, die aus dem Mittelalter stammen, nie in Angriff genommen“. Er sei allerdings „froh, dass (Werner, Anm.) Faymann das Handtuch geworfen hat“, sagte Lugar, denn dieser habe nicht mehr viel weitergebracht, und der Stil in der Regierung sei „unterirdisch“ gewesen.

Skepsis bei NEOS

„Wir hoffen, dass das mit einem neuen Bundeskanzler besser wird.“ Auch einen „Forderungskatalog“ an den neuen Regierungschef deponierte Lugar: „Wir wünschen uns, dass er die Bildungsministerin abberuft und endlich jemanden einsetzt, der etwas davon versteht.“ Außerdem forderte er, dass die Regierung den Kurs in der Flüchtlingsfrage hält und „die Notstandsmöglichkeiten auch nützt“.

Skeptisch hatte sich bereits in der Vorwoche NEOS-Chef Matthias Strolz gezeigt. Es brauche einen „neuen Zugang zu politischen Lösungen abseits der Parteiapparate“. Aber auch Kern werde die „alten Fesseln tragen“. Das Problem seien weniger die Personen als vielmehr die „strukturelle Versteinerung“ und die „machtbesessene Ignoranz“ von SPÖ und ÖVP. Nur Neuwahlen seien daher eine Chance für „echte Veränderung“.

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