„World“ statt „Euro“
Israel ist dabei, Australien mittlerweile ebenfalls, auch Marokko durfte schon teilnehmen: Ob ein Land beim Eurovision Song Contest antreten darf, hängt nicht von der geografischen Lage ab, sondern von der Mitgliedschaft in der European Broadcasting Union (EBU) - oder von deren Auslegung des Regelwerks.
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Der Bewerb erfreut sich weltweit steigender Beliebtheit, selbst in die USA wurde der Song Contest heuer erstmals übertragen. Immer wieder wurde deshalb schon über eine Ausdehnung vom Euro- zum „Worldvision“ Song Contest spekuliert - jetzt wurden konkrete Gespräche mit China und den USA bestätigt.

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Dami Im sang sich für Australien auf den zweiten Platz
Interesse an Beteiligung groß
Martin Österdahl, als Produzent des Gastgeberlandes 2016 Schweden bestens informiert über den Stand der Dinge, sagte am Montag im schwedischen Frühstücksfernsehen „Gomorron Sverige“, dass China und die USA bereits Kontakt mit der EBU aufgenommen hätten. Klar sei im Moment aber nur, dass das Interesse an einer Beteiligung sehr groß sei. Wie eine Ausdehnung des Spektakels mit 200 Mio. Fernsehzuschauern jährlich aussehen könnte, darüber würde im Moment verhandelt.
Wann ein „Worldvision Song Contest“ starten könnte, sei im derzeitigen Verhandlungsstadium nicht abzusehen. Ein erster Schritt wäre es jedenfalls, entsprechende Bewerbe in Amerika und Asien auf die Beine zu stellen. Möglich wären dann eine parallele Austragung von Euro-, „America-“ und „Asiavision“ mit einem gemeinsamen großen Finale.
Justin Timberlake als Vorbote?
Spekulationen über eine mögliche baldige Teilnahme der USA am Song Contest hatte es heuer vor allem deshalb gegeben, weil die Show erstmals auch in die USA übertragen wurde und mit Justin Timberlake ein amerikanischer Superstar die Bühne für eine Pauseneinlage betreten durfte, was normalerweise meist Acts aus dem jeweiligen Austragungsland vorbehalten bleibt.
Weil auch Australien seine Song-Contest-Geschichte in dieser Reihenfolge (Fernsehübertragung - Intervall Act - Teilnahme) schreiben konnte, hieß es in Fan- und Expertenkreisen zuletzt immer wieder, dass man nächstes Jahr bei der Jurywertung nicht mehr nur ein Ferngespräch nach Australien, sondern auch eines in die USA führen könnte.

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Justin Timberlake durfte in der Voting-Pause zwei Lieder singen
EBU-Verantwortlicher Jan Ola Sand ist sich der Spekulationen bewusst, wusste sie aber in den letzten Tagen immer zu entkräften. Im Interview mit dem „Guardian“ sagte er, dass es ein großes und stabiles Publikumsinteresse in einem Land brauche, um eine Sonderregelung wie für Australien finden zu können. So weit sei es in den USA noch nicht. Dass Timberlakes Auftritt den Bewerb für das US-Publikum interessanter machen sollte, wie oft vermutet wurde, stimmt jedenfalls nicht: Sein sechsminütiger Auftritt wurde in den USA aus rechtlichen Gründen nicht ausgestrahlt und fiel einer Werbepause zum Opfer.
Theatralik hoch drei
Liest man die Nachberichte in US-Medien zur heurigen Übertragung, wird der Bewerb in vielerlei Hinsicht als aufregendes Spektakel mit für Neulinge exotisch-kuriosen Details beschrieben. „Es ist ziemlich theatralisch. Stellen Sie sich Oscars, Grammys, Tony Awards, ‚American Idol‘, ‚The X Factor‘ und ‚America’s Got Talent‘ zusammengemischt vor und verdreifachen Sie das noch“, hieß es etwa auf CNN. Der Kabelkanal Logo hatte das Finale live um 15.00 Uhr übertragen. Zwar gibt es noch keine Details zu den Einschaltquoten, dass jenes große Publikum erreicht wurde, das laut Sand für eine Umgehung der Regeln und eine Teilnahme der USA notwendig wäre, ist aber eher fraglich.

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Dank Siegerin Jamala wird der Song Contest nächstes Jahr in der Ukraine ausgetragen
Das Regelwerk der European Broadcasting Union (EU) ist ja normalerweise, was die Teilnahmebedingungen angeht, äußerst streng. Dass 2015 auch Australien beim Song Contest debütieren durfte, war eine Sonderregelung anlässlich des 60. Jubiläums des Bewerbs. Der Kandidat von „down under“, Guy Sebastian, erreichte den fünften Platz, und die Einschaltquoten waren trotz der enormen Zeitverschiebung derart gut, dass man sich entschloss, das Gastland auch 2016 erneut antreten zu lassen, obwohl Australien nur assoziiertes Mitglied der EBU ist. Denselben Status haben 21 weitere Länder weltweit, darunter Kanada, Japan, Mexiko, Brasilien, Indien, Hongkong und die Vereinigten Staaten.
Downsizing-Kampagne mit Jo-Jo-Effekt
Vor drei Jahren hieß es aus Schweden, dass die Megalomanie der Song-Contest-Inszenierungen längst den Plafond erreicht habe. Der Song-Contest-Produzent Christer Björkman, schon in Malmö als Produzent am Ruder, kündigte eine Downsizing-Kampagne für den Bewerb an, der gleich in mehreren Hinsichten auszuarten begann. In den heurigen Shows in Stockholm war davon wieder weniger zu bemerken, weder im aufwendigen Pausenprogramm noch bei Bühnendesign und bei den Spezialeffekten der Teilnehmerländer.
Gerade Letztere sorgen immer wieder für eine Debatte. Während sich jedes Jahr einzelne Länder aus Kostengründen die Teilnahme ersparen (müssen) - heuer etwa Portugal -, trumpfen andere mit Inszenierungen auf, denen die Geld-spielt-keine-Rolle-Attitüde deutlich anzukennen ist (siehe Russland). Nächstes Jahr wird in der Ukraine gesungen - wo genau, ist noch unklar. Doch die jubelnden Sieger haben schon angekündigt: Auch nächstes Jahr wird das Spektakel wieder ganz groß.
Sophia Felbermair, ORF.at
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