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Tausende besetzen Tagebau

Mit der Besetzung eines Tagebaus und der Blockade eines Kraftwerks haben weit über tausend Umweltschützer in der brandenburgischen Lausitz für einen sofortigen Ausstieg aus der Braunkohle demonstriert. Zu der Aktion hatten sich im Vorfeld auch Aktivisten aus Österreich angesagt. Der Energiekonzern Vattenfall stellte Strafanzeige.

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Bereits am Freitag hatten Mitglieder des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“ den Tagebau Welzow-Süd besetzt. Am Samstag schnitten sie das Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe mit Gleisblockaden von der Kohlezufuhr ab. Nach Angaben des Aktionsbündnisses beteiligten sich über 2.000 Menschen aus mehreren europäischen Ländern an den Protesten. Rund 200 Aktivisten, die einen Verladekran blockierten, verbrachten auch die Nacht im Tagebau. Die Polizei konnte die Zahlen nicht bestätigen, für Freitag sprach sie lediglich von 1.600 Teilnehmern.

Polizei nahm 120 Aktivisten fest

Am Samstag drangen zudem etwa 300 Aktivisten auf das Gelände des Kraftwerks vor. Laut Polizei verschafften sich die Demonstranten Zugang zum Kraftwerk, indem sie Zäune niederrissen. Damit hätten sie schweren Landfriedensbruch begangen, erklärte die Polizei. Es seien rund 120 Menschen vorläufig festgenommen worden, deren Identität festgestellt werde, sagte eine Sprecherin. Zwei Umweltaktivisten wurden den Angaben zufolge verletzt und kamen zur Behandlung ins Krankenhaus.

Aktivisten blockieren Zuggleise

APA/AP/Tino Schulze

Demonstranten ketteten sich an die Schienen, die zum Kraftwerk führen

Eine Sprecherin von „Ende Gelände“ sprach hingegen von einer „Einzelgruppe“, die auf das Kraftwerksgelände vorgedrungen sei und dementierte, dass Gewalt angewendet wurde. Die Gruppe habe sich auch selbstständig wieder zurückgezogen. Vattenfall-Sprecher Thoralf Schirmer warf den Aktivisten hingegen ebenfalls vor, sich gewaltsam Zutritt verschafft zu haben. Auch Feuerwerkskörper seien gezündet worden. „Die Lage ist dramatisch“, sagte Schirmer. „Unsere Kollegen fühlen sich bedroht. Hier ist eine Grenze eindeutig überschritten worden.“ Das Kraftwerk Schwarze Pumpe musste am Samstag seine Leistung drosseln, um mit den Kohlereserven auszukommen.

Fahrradkarawane aus Österreich

Im Vorfeld hatten auch Aktivisten aus Österreich ihre Teilnahme angekündigt. „Der Klimawandel ist ein globales Problem, und die Auswirkungen betreffen schon jetzt Millionen Menschen“, erklärte etwa Lukas Weber vom österreichischen Bündnis „System Change, Not Climate Change“ am vergangenen Dienstag in einer Aussendung. „Das Klimaabkommen von Paris ist nicht ausreichend, um den Klimakollaps zu verhindern. Der Klimawandel ist keine nationale Angelegenheit, sondern betrifft Menschen weltweit.“

Laut Weber wollten österreichische Teilnehmer mit Bussen und einer Fahrradkarawane in die Lausitz reisen, „um dort gemeinsam mit tausenden Menschen aus ganz Europa ein Zeichen zu setzen“. „System Change, not Climate Change“ ist nach eigenen Angaben ein Bündnis von Menschen und Organisationen, die sich für eine sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft einsetzen.

„Deutschland ist Weltmeister bei der Verbrennung dreckiger Braunkohle“, erklärte die Sprecherin des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“, Hannah Eichberger. „Deshalb nehmen wir den Kohleausstieg selbst in die Hand und schalten einen der größten Klimakiller Europas ab.“

Staatsanwaltschaft sieht keinen Hausfriedensbruch

Vattenfall hatte am späten Freitagabend Strafanzeige wegen Landes- und Hausfriedensbruchs sowie Nötigung erstattet. Die Polizei hatte die Protestteilnehmer aber zunächst weitgehend gewähren lassen, weil die Staatsanwaltschaft die in der Strafanzeige angeführten Tatbestände nicht teilte. Als Grund nannte die Behörde, dass das riesige Gelände nur zum Teil umzäunt sei. Die Aktivisten hätten sich im Tagebau nach erster Prüfung auch nicht der Nötigung schuldig gemacht, da der Betrieb seit Donnerstag ruhe.

Aktivisten blockieren den Vattenfall Kohle-Verladebahnhof am Tagebau

picturedesk.com/AP/Björn Kietzmann

In einer langen Karawane zogen die Aktivisten am Freitag in den Tagebau

Vattenfall-Sprecher Schirmer beklagte, die Demonstranten brächten mit ihrer Aktion sich und andere in Gefahr. Das unbefugte Betreten eines Tagebaus berge große Risiken. Auch Sprecherin Ines Filohn von der Polizeidirektion Süd in Cottbus sagte, das Vorgehen der Protestteilnehmer sei „nicht ungefährlich“. Mehrere Menschen seien auf Großgeräte wie Braunkohlebagger geklettert.

Demonstrantin zu Gefängnis verurteilt

Nach Polizeiangaben wurde eine Frau in Gewahrsam genommen, weil sie Widerstand gegen Beamte leistete und einen Platzverweis ignorierte. Die Frau habe Angaben zu ihrer Identität verweigert und sei am Samstag vor das Amtsgericht gestellt worden, das sie zu einem Monat Gefängnis ohne Bewährung verurteilt habe. Gegen einen 26-jährigen Polen sei ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung und Widerstands gegen einen Polizeibeamten eingeleitet worden. Die Aktionen von „Ende Gelände“ sollen über das Pfingstwochenende fortgesetzt werden.

Im Tagebau Welzow-Süd werden jährlich rund 20 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert, Hauptabnehmer ist das Kraftwerk Schwarze Pumpe. Vattenfall hatte kürzlich angekündigt, seine gesamte deutsche Braunkohlesparte mit Tagebauen und Kraftwerken an das tschechische Energieunternehmen EPH und den Finanzinvestor PPF Investments zu verkaufen. Der Konzern will sich stärker auf umweltfreundliche Energie ausrichten.

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