Das Kandidatenfeld im Schnellcheck
Im Jahr zwei nach Conchita könnte Österreich im Song Contest wieder vorne mitmischen. Zoes Beitrag „Loin d’ici“ hat sich in Stockholm als Ohrwurm entpuppt. Buchmacher und Experten trauen ihr einen Platz unter den ersten zehn zu - Überraschungen nicht ausgeschlossen. Auch die späte Startnummer 24 gilt als gute Ausgangsposition.
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Läuft es nach den ungeschriebenen Gesetzen der vergangenen Jahre, dann geht das gläserne Mikrofon aber heuer nach Russland. Sergej Lasarew rangiert seit Wochen auf Platz eins aller Prognosen. Ähnlich wie letztes Jahr bei Mans Zelmerlöw wurde sein Beitrag „You are the Only One“ sowohl musikalisch als auch inszenatorisch auf dem Reißbrett ganz auf Sieg hin konstruiert.

EBU/Andres Putting
Sergej und seine 3-D-Effekte
In den Song wurde alles hineingepappt, was derzeit gut und teuer ist und nicht bei drei in Sibirien war. Dazu interagiert er wie kein anderer mit 3-D-Projektionen auf der Bühne. Nur bleibt die Frage: Geht genau derselbe Schmäh zwei Jahre in Folge auf?
Auch Australien will es wissen
Ebenfalls hochprofessionell geht es Australien an. Zum zweiten Mal dabei, und wieder schickt man einen in „Down Under“ schon etablierten Star. Der Titel von Dami Ims Song „Sound of Silence“ kommt einem selbst mit rudimentärem Popwissen bekannt vor. Dahinter verbirgt sich aber eine Powerballade mit hohem Chartpotenzial. Schönheitsfehler: Der Auftritt ist ganz schön statisch. Und keine Angst - sollte sie gewinnen, findet der Song Contest 2017 nicht in Australien statt, sondern in einem Land, das sich freiwillig meldet.

AP/Martin Meissner
Dami In hat sich das Finale ersessen
Harte Kost aus der Ukraine
Im vorhergesagten Dreikampf um den Sieg nimmt die Ukraine eine eher überraschende Rolle ein. Dass „1944“ von Jamala überhaupt zugelassen wurde, ist schon verwunderlich. Die Krimtatarin besingt das Schicksal ihrer Vorfahren, die 1944 von Stalin vertrieben wurden, angesichts der politischen Situation auf der Krim heute eine wenig verschleierte politische Botschaft. Und die sind ja laut Regelwerk eigentlich verboten.
Das sorgte schon im Vorfeld für Aufmerksamkeit und Schlagzeilen, allerdings bleibt abzuwarten, ob bei aller Sangeslust von Jamala mit Textzeilen wie „they kill you all“ und „but everyone dies“ ein erster Platz wirklich zu holen ist.
Hinweis
Das Finale (Samstag, 21.00 Uhr) ist live in ORF eins und im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen. ORF.at begleitet den Bewerb mit einem Liveticker – inklusive Bildern, animierter GIFs und Social-Media-Kommentaren. Vom Teletwitter-Team ausgewählte Tweets mit „#ESC16TXT“ werden während der TV-Übertragungen auf der Teletextseite 780 eingeblendet.
Flotter Franzose, schwermütiger Schwede
Der französische Kandidat Amir gilt ebenfalls als Siegesanwärter. Die „Grande Nation“ versucht es dieses Mal mit „J’ai cherche“, einem flotteren und im Vergleich zu den vergangenen Jahren lebensbejahenden Beitrag. Und fesch ist Amir auch noch.
Obwohl man sich für das völlige Kontrastprogramm zum Vorjahr entschieden hat, ist auch heuer wieder mit Schweden zu rechnen. Der jüngste Teilnehmer heuer, Frans, tritt mit der düsteren Elektropopnummer „If I Were Sorry“ und minimalistischer Bühnenshow an. Teenagerdepressionen gelten gemeinhin nicht so als das Knüllerthema bei fröhlichen Großevents, Songs aus der schwedischen Popfabrik könnten aber auch von Staubsaugern handeln und hätten Siegeschancen.
Späte Finalnennung als versteckter Hinweis?
Am anderen Ende der Skala kindlicher Befindlichkeiten hopste sich die Belgierin Laura Tesoro ins Finale. „What’s the Pressure“ besticht zudem durch sehr viele ausgeborgte Soundideen und dementsprechend Wiedererkennungspotenzial. Ein Indiz für ihre Chancen sehen Auskenner auch darin, dass sie am Donnerstag im Semifinale als letzte der Aufsteiger genannt wurde. Sowie voriges Jahr Mans, vor zwei Jahren Conchita.

EBU/Anna Velikova
Fröhliches Getanze aus Belgien
Im ersten Semifinale am Dienstag wurde diese Ehre Malta zu Teil. Ira Loscos „Walk on Water“ ist nach dem Muster verhaltener Anfang - dramatische Steigerung gestrickt. Zum Gesprächsthema in Stockholm wurde sie außerdem durch ihre gut getimte Schwangerschaft.
Junge Männer unter sich
Und sonst? Unter den 26 Teilnehmern gibt es den Block der alleinsingenden jungen Männer. Justs aus Lettland versucht es mit kühlem Sound, Donny Montell aus Litauen fällt vor allem durch seine weiße Lederjacke und seine „Frisur“ auf. Frisur ist auch das Stichwort für den Polen Michal Szpak, und eigentlich auch für Hovi Star aus Israel. Der ungarische Freddie hat sich drei Backgroundpfeifen mitgebracht, und Douwe Bob macht in seinem Country-Song zehn Sekunden künstlerische Pause. Großbritannien schickt gleich zwei Buben, die auf die Namen Jon und Jake hören.
Mutige Frauen
Ein Gutteil der im Finale vertretenen Beiträge von Frauen ist dem dramatischen Fach zuzuordnen. Armeniens Iweta Mukutschlan und Serbiens Sanja Vucic ZAA beweisen große Stimme und viel Mut zu langen hohen Tönen. Mut auf einer anderen Ebene - nämlich bei der Kostümwahl - beweisen die Kroatin Nina Kraljic, die asabaidschanische Kandidatin Samra und Poli Genowa aus Bulgarien. Die Tschechin Gabriela Guncikova tut sich in keiner Weise besonders hervor, ihre Finalteilnahme kommt dementsprechend überraschend.

EBU/Andres Putting
Unter dem kroatischen Kleid steckt ein zweites
Die drei Fragezeichen und der Rockgestus
Mit Fragezeichen gehen Spanien, Italien und Deutschland ins Rennen, mussten sie sich doch in keinem Semifinale präsentieren. Am ehesten wird der Italienerin Francesca Michielin eine gute Platzierung zugetraut, der Spanierin Barei schon weniger. Und Deutschland läuft ohnehin Gefahr, mit Jamie-Lee den letzten Platz aus dem Vorjahr erfolgreich zu verteidigen.
Zwei Rockbands haben es auch ins Finale geschafft. Minus One aus Zypern nehmen bei „Alter Ego“ deutliche Anleihen an den Killers, Nika Kocharov and Young Georgian Lolitaz sprechen das Indie-Rock-Publikum an, so es beim Song Contest ein solches gibt.
Sophia Felbermair und Christian Körber, ORF.at
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