Themenüberblick

Wie das Smiley auf das Smartphone kommt

Hinter den bunten Emojis auf Computer, Tablet und Smartphone steht eine vergleichsweise graue Institution. Das Unicode-Konsortium, in dem Vertreter der großen IT-Firmen und Userverbände sitzen, entscheidet, welche Symbole Eingang in die mobile Kommunikation finden. Der Arbeitsaufwand für die Technokraten steigt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Auf der Liste, über die bei der aktuellen Sitzung gerade befunden wird, sind etwa die Avocado, der Bräutigam, das Christkind, der Löffel, ein kebabähnliches Sandwich, Enten, Eulen und Adler sowie ein Symbol für das Schießen eines Selfies. Unicode ist ein Ende der 1980er Jahre eingeführter Standard, der für jedes Schriftzeichen und Textelement aller international bekannten und verwendeten Schriftsysteme einen digitalen Code festlegt.

Seit der Einführung der Unicode-Version 6.0 im Jahr 2010 ist das gleichnamige Konsortium auch für die Vergabe des Codes für Emojis zuständig. Das Gremium legt gewissermaßen den technischen Bauplan der bunten Symbole fest. Erfunden wurden die Emojis Ende der 1990er Jahre vom Japaner Shigetaka Kurita, der sich von Straßenschildern, Manga-Comics und chinesischen Schriftzeichen inspirieren ließ.

„Mysteriöse“ Organisation ganz transparent

In einem Beitrag des „New York Magazine“ wurde das Unicode-Konsortium unlängst als „mysteriös“ bezeichnet. Eine Darstellung, die Mitgründer Mark Davis (63) gegenüber der „New York Times“ zurückwies. Alle Informationen zu den Mitgliedern und der Geschichte des Konsortiums fänden sich auf der Website der Organisation. Dort ebenfalls abrufbar sind die Kriterien, nach welchen über die Aufnahme eines Emojis entschieden wird.

Emojis am Handy

APA/AFP/Miguel Medina

Emojis: Im Konsortium sitzen die Vertreter der großen Technologiekonzerne

Das Konsortium hat verschiedene Klassen von Mitgliedern, die unterschiedlich hohe Mitgliedsbeiträge zu entrichten haben. Die umfangreichsten Stimmrechte werden den „Vollmitgliedern“ gewährt. Zu diesen gehören derzeit etwa die großen IT-Konzerne Apple, Facebook, Google, Microsoft und IBM. Daneben gibt es unter anderen „institutionelle“ - etwa die indische Regierung - und „individuelle“ Mitglieder (Fachleute, aber auch Studenten).

Wo eine Braut, muss auch ein Bräutigam sein

Die Kriterien, welche Bilder zum Emoji qualifiziert sind, wurden vom Konsortium mit technokratischer Genauigkeit festgelegt. So sollte ein Emoji möglichst eindeutig sein (etwa ein grinsendes Gesicht als Symbol für Freude). Daneben wird auch die Metaphorik mitbedacht. Ausnahmen bestätigen die Regel: Aus dem Melanzani-Emoji etwa wurde ein bei Nutzern beliebtes Phallussymbol.

Weiters versuchen die Mitglieder des Konsortiums abzuschätzen, ob ein Symbol auch in ferner Zukunft den Geschmack der User trifft. Besondere Berücksichtigung erfahren häufig nachgefragte Bilder wie das Einhorn und der Hotdog.

Ein wichtiges Kriterium ist zudem die Vollständigkeit. Seit der Veröffentlichung der Unicode-Version 8.0 etwa sind alle Sternzeichen in Emoji-Form verfügbar. Zu spezifische Emojis werden vom Gremium abgelehnt, selbiges gilt für Konzernlogos.

Umstrittene Emojis

Mit der steigenden Bedeutung der Emojis für die mobile Kommunikation findet sich das Unicode-Konsortium unvermittelt an „vorderster Front der Populärkultur“, wie die „New York Times“ kürzlich schrieb. Und so gerät das Konsortium immer wieder ins Zentrum gesellschaftlicher Debatten.

Nach einigen Diskussionen wurden 2014 Emoji-Gesichter in verschiedenen Hauttönen eingeführt. Rechnung getragen wird weiters der Vielfalt bei Liebesbeziehungen. Neben einem Emoji, indem eine Frau und ein Mann Händchen halten, gibt es die Hieroglyphen auch mit zwei Frauen beziehungsweise zwei Männern.

Für besondere Kritik unter den Emojis, über die das Konsortium zuletzt abstimmte, sorgte ein Gewehr-Emoji. Die britische NGO InferTrust sieht in dem Symbol einen Affront gegenüber Opfern von Schusswaffenangriffen. Gremiumsmitbegründer Davis wies die Vorwürfe zurück. Das Gewehr-Emoji solle lediglich das olympische Sportschießen darstellen, so Davis gegenüber der „New York Times“.

Rasantes Wachstum

Emojis beeinflussen die menschliche Kommunikation mittlerweile so stark, dass sie verstärkt in den Fokus der Wissenschaft geraten. „Emoji ist die am schnellsten wachsende Form der Sprache in der Geschichte“, sagte der britische Linguist Vyv Evans der BBC.

Das Tempo, mit denen die Symbole von den Usern angenommen werden, sei sehr hoch, aber auch ihre Weiterentwicklung verlaufe rasant. „Sie haben ihre antiken Vorgänger, die Hieroglyphen, deren Entwicklung Jahrhunderte gebraucht hat, längst in den Schatten gestellt“, so Evans.

„Die Verwendung von Emojis greift selten direkt in die Sprachstruktur ein, sondern ergänzt schriftliche Kommunikation durch situative Einordnung des Gesagten“, erklärte der deutsche Linguist Anatol Stefanowitsch gegenüber dem „Standard“ (Onlineausgabe). Emojis ersetzten selten ganze Wörter. Eher würden sie als Ergänzung verwendet, auch um fehlende Mimik und Gestik bei SMS und E-Mails auszugleichen, so der Sprachwissenschaftler.

„Emojibama“ universell verständlich

Dass Emoji schon jetzt eine universelle Sprache ist, wollte die britische Zeitung „The Guardian“ im Jänner 2015 beweisen. Unter dem Social-Media-Account „Emojibama“ illustrierte das Social-Media-Team des Blattes Barack Obamas Rede zur Lage der Nation mit Emojis.

Philip Pfleger, ORF.at

Links: