„Erschreckende“ Vorfälle
Heftige Kritik muss sich die Türkei von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in ihrem Umgang mit Flüchtlingen gefallen lassen. In einem am Dienstag vorgestellten Bericht warf die Organisation türkischen Grenzbeamten vor, auf syrische Flüchtlinge zu schießen und sie zu misshandeln.
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Allein im März und April sollen dem Bericht zufolge drei Flüchtlinge - ein 15-jähriger Jugendlicher und zwei Schmuggler - getötet und 14 Menschen verletzt worden sein. Die meisten Vorfälle hätten sich an der Grenze südlich der türkischen Stadt Antakya zugetragen. Obwohl türkische Regierungsvertreter immer wieder beteuerten, Flüchtlinge aus Syrien mit offenen Armen zu empfangen, töteten und schlügen Grenzbeamte sie, kritisierte HRW-Sprecher Gerry Simpson. Er nannte die Vorfälle „erschreckend“.
Berichtet wird auch, wie türkische Grenzbeamte Tausende Flüchtlinge stoppten, als sie aus den Lagern an der Grenze in Syrien aufgrund von Artilleriebeschuss Mitte April zu fliehen versuchten. Für den Bericht interviewte HRW Opfer und Augenzeugen von Zwischenfällen.
Nach Syrien zurückgedrängt
Einige syrische Flüchtlinge erzählten HRW, dass sie vor wenigen Wochen von türkischen Grenzbeamten abgefangen wurden, als sie die Grenze in die Türkei überqueren wollten. Sie seien für einen Tag festgehalten und dann mit Dutzenden anderen wieder Richtung Syrien gedrängt worden. Ein Flüchtling aus einem der Lager in Syrien gab an, dass an der Grenze über Lautsprecher in Arabisch verkündet wurde, dass sich niemand der Grenze nähern dürfe. Andernfalls würde diese Person erschossen.
Ein Augenzeuge berichtete von seinem Fluchtversuch gemeinsam mit seiner Familie Richtung Türkei. Auf die Gruppe von 20 Personen wurde an der Grenze geschossen. Seine Schwester und sein Cousin wurden von den Kugeln getroffen und starben. Mehrere seien durch die lange anhaltenden Schüsse verletzt worden. Den Überlebenden gelang die Flucht. Als der Mann an die Grenze zurückkehrte, um seine Schwester und seinen Cousin zu holen, begann die türkische Polizei seinen Aussagen zufolge erneut zu schießen.
Grenzmauer wird gebaut
Die Grenze zwischen Syrien und der Türkei ist nach Angaben der Menschenrechtsorganisation seit August 2015 geschlossen. HRW forderte die türkische Regierung auf, die „exzessive Gewalt“ zu stoppen, die Vorfälle zu untersuchen und die Grenzen für Flüchtlinge wieder zu öffnen. Die Türkei behauptete aber immer wieder, eine Politik der offenen Grenzen zu führen, obwohl sie an der Grenze an einer über 900 Kilometer langen Mauer baut.
Simpson kritisierte auch die EU. Deren Flüchtlingspolitik führe dazu, dass die Türkei Flüchtlinge abweise. HRW und Amnesty International hatten der Türkei in der Vergangenheit zudem immer wieder vorgeworfen, Flüchtlinge zurück nach Syrien zu schicken. Die Regierung in Ankara bestreitet das.
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