ÖVP-Chef „überrascht“
Bundespräsident Heinz Fischer ist dem Wunsch von Werner Faymann (SPÖ) nachgekommen und hat ihn noch am Montag des Amtes enthoben. Zugleich betraute er damit den bisherigen Vizekanzler und ÖVP-Bundesobmann Reinhold Mitterlehner mit der einstweiligen Führung der Geschäfte des Bundeskanzlers.
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In seiner Unterredung mit Faymann bedankte sich Fischer demnach „sehr herzlich“ für dessen über siebenjährige Tätigkeit als Bundeskanzler der Republik Österreich, für seinen enormen Arbeitseinsatz und für die gute Zusammenarbeit. Mitterlehner, der nun bis zur Ernennung eines neuen Kanzlers die Geschäfte fortführt, wünschte Fischer nach dem Gelöbnis „alles Gute“.

APA/Bundesheer/Peter Lechner
Bundespräsident Heinz Fischer (rechts) betraut Reinhold Mitterlehner mit der Führung der Geschäfte des Bundeskanzlers in der Wiener Hofburg
Fischer geht davon aus, dass die Entscheidung über einen neuen Kanzler Mitte nächster Woche gefällt werden kann. SPÖ-Chef Faymann hatte am Montag überraschend alle Ämter niedergelegt. Fischer und Mitterlehner hatte er vor seinem Medienstatement persönlich informiert.
Kein Grund für Ende der Koalition
Trotz Faymanns Rücktritt sieht Mitterlehner keinen Grund, die Koalition zu kündigen: „Es geht jetzt nicht darum, dass wir Neuwahlen ansetzen“, es gehe um Stabilität. Bereits zuvor hatte Mitterlehner gesagt, er nehme die Entscheidung Faymanns „mit Respekt zur Kenntnis“. Von der Vorgangsweise des Kanzlers und vor allem vom Zeitpunkt sei er überrascht worden.
Mitterlehner sieht keinen Anlass für Neuwahlen
ÖVP-Chef Mitterlehner hat für Dienstag eine Sitzung des Parteivorstands einberufen. Für Neuwahlen sieht er keinen Anlass.
Wichtig sei nun im Sinne der Koalition, dass „wir stabil bleiben, was die Arbeit anbelangt“. Keine Änderungen soll es aus Mitterlehners Sicht in der Asylpolitik geben. Man habe hier eine gemeinsame Linie in der Bundesregierung erreicht, und es gebe nun eine klare gesetzliche Regelung. „Ich gehe davon aus, dass wir diesen Kurs ohne Veränderung fortsetzen.“
ÖVP will bei Kanzler mitreden
Mit der Person, die die SPÖ nun an die Spitze stellen wird, werde man sich auseinandersetzen. Ob man mit dem immer wieder als potenziellen Nachfolger gehandelten ÖBB-Chef Christian Kern gut zusammenarbeiten könnte, tat Mitterlehner vorerst als spekulative Frage ab. Vor seinem Termin bei Fischer hatte der nunmehrige Interimskanzler gesagt, die Rolle des Bundeskanzlers sei nicht irgendeine Rolle. Man wolle sich seitens der ÖVP daher „genau anschauen, wer das in Zukunft machen soll“. Möglicherweise sei es ja eine Person, die den Koalitionspakt gar nicht mitverhandelt habe.
Frühestens im September
Eigentlich ist die nächste Nationalratswahl erst für 2018 geplant. Sollte es aufgrund von Faymanns Rücktritt zu einer vorgezogenen Wahl kommen, ginge das frühestens Anfang September. Für die Vorbereitung einer Nationalratswahl müssen drei Monate zwischen der Fixierung des Wahltermins und dem Termin liegen. Für einen Neuwahlbeschluss braucht man zunächst eine Nationalratssitzung und Beschlüsse von Ministerrat und Hauptausschuss.
Schelling für fortgesetzte Regierungsarbeit
Gegen Neuwahlen und für eine Fortsetzung der Regierungsarbeit sprach sich auch Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) aus. „Ich glaube, wir haben in Österreich genug Arbeit zu tun“, sagte Schelling. „Daher sollten wir diese Arbeit in Angriff nehmen.“ Das sei auch die Ansage der Regierung nach dem ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl gewesen, den der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer gewonnen hatte.
Wie Mitterlehner zeigte sich auch Schelling überrascht von Faymanns Rücktritt: „Für uns war es sehr überraschend, weil wir davon ausgegangen sind, dass die SPÖ-Personaldiskussion beendet ist.“ Das weitere Vorgehen wollte der Finanzminister nicht vorhersagen, dafür sei es noch zu früh.
Platter will „notwendige inhaltliche Debatten“
Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) will Faymanns Rücktritt zum Anlass nehmen, „die notwendigen inhaltlichen Debatten mit der SPÖ zu führen“. Es müssten jetzt die „entscheidenden Themen“ wie Beschäftigung, Bildung oder Pensionen angepackt und dringend notwendige Reformen rasch umgesetzt werden. Das solle unabhängig davon geschehen, wer an der Spitze der SPÖ steht, sagte Platter. Die personelle Veränderung „kann und muss jetzt dazu beitragen, um Österreich wieder nach vorne zu bringen“.
Beratungen über Konsequenzen
Mitterlehner hat für den Dienstag einen ÖVP-Bundesparteivorstand einberufen. Dabei soll „über die Konsequenzen aus der neuen Lage“ beraten werden, teilte ein Sprecher mit. Am 20. Mai halte die ÖVP außerdem eine „Zukunftskonferenz“ ab, um den „Evolutionsprozess“ aus dem Vorjahr fortzusetzen und die Partei weiterzuentwickeln, hatte Mitterlehner bereits beim letzten Ministerrat angekündigt.
Die ÖVP befinde sich nach der Präsidentschaftswahl, bei der ihr Kandidat Andreas Khol nur Vorletzter wurde, in keiner „Aussitzphase oder Zuschauerrolle“, so Mitterlehner am vergangenen Dienstag. Im Gegenteil, man beschäftige sich intensiv „intern“ mit der Rolle der Bundesregierung und der Strategie für die Zukunft und Ausrichtung der Partei.
Bei der Konferenz werde man sich über die „Frage der Regierungskonstellation“ und Verbesserungsnotwendigkeiten unterhalten, sich mit dem „Markenkern unseres Angebots“ auseinandersetzen und mit dem „Wir-Gefühl“, so der Parteichef. Auch mit der Organisationsstruktur wolle man sich Mitterlehner zufolge kritisch auseinandersetzen.
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