Das Kulturzentrum Cite Miroir
Generationen von Lüttichern haben hier schwimmen gelernt: Das Bain de la Sauveniere in der Innenstadt war jahrzehntelang Wellnessoase, Fitnesscenter und beliebter Treffpunkt mitten in der Stadt. Seit 2014 ist das Gebäude wieder geöffnet, aber ohne Wasser in den ehemaligen Becken. Das Sauveniere-Bad ist zur (Cite Miroir) Spiegelstadt geworden - ein Kulturzentrum.
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Ein Name ist untrennbar mit dem Bain de la Sauveniere verbunden: Georges Truffaut. Der 1901 geborene Lütticher war in den 1930er Jahren Abgeordneter der Stadt und hatte die Idee für den Neubau, das ihm als Sport- und Freizeiteinrichtung für Familien aller Schichten vorschwebte, das gleichzeitig aber auch zur allgemeinen Hygiene beitragen sollte, schließlich gab es damals noch viele Wohnungen ohne Bäder.

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Beim Umbau zur Cite Miroir wurde ein Großteil der alten Bausubstanz erhalten
Olympisches Becken und Billardsäle
Der Lütticher Architekt Geroges Dedoyard entwarf die Anlage, in der es neben einem olympischen und einem Nichtschwimmerbecken auch Tanz- und Billardsäle gab. Ein im Erdgeschoß eingebauter Busbahnhof sorgte für eine gute Erreichbarkeit, ein Luftschutzbunker für rund 400 Menschen war in Zeiten des sich ankündigenden Krieges in Europa auch eine logische Nutzung des Kellergeschoßes.
Der modernistische Stil mit deutlichen Anlehnungen an das Bauhaus war für die Zeit eine Sensation. Truffaut gelang es trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten, den Bau des Gebäudes durchzusetzen. Wie sein Traumprojekt schließlich aussehen sollte, durfte er aber nicht mehr erleben: Er zog nach Ausbruch des Kriegs gegen die Nationalsozialisten an die Front, wo er 1942 fiel.
Schwimmen nur für Deutsche erlaubt
Das Bain de la Sauveniere wurde im gleichen Jahr eröffnet - allerdings nicht ganz so, wie es im Sinne seines Erfinders war. Statt für alle Lütticher offen zu stehen, wie es sich der Kommunist Truffaut gewünscht hatte, blieb das Schwimmen den Deutschen vorbehalten.

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Im alten Nichtschwimmerbecken sind noch die Originalfliesen des Bain de la Sauveniere erhalten
Nach dem Krieg schließlich sollte der Traum Truffauts endlich wahr werden, und das im Zentrum, gleich hinter der Oper gelegene Bad zu einer Institution der Stadt, die sich größter Beliebtheit erfreute.
Das Ende der Badefreuden
Im Jahr 2000 wurde bei einer baubehördlichen Überprüfung festgestellt, dass ein Betrieb der Anlage aus Sicherheitsgründen nicht mehr möglich sei. Jahrelang stand der Bau leer, eine Renovierung als Bad sei unrentabel, hieß es stets. 2004 gründeten einige Lütticher den Verein Mnema, der es sich zum Ziel setzte, das Bad in ein Kulturzentrum umzuwandeln. 21 Mio. Euro aus europäischen Fonds, von Stadt, Provinz und Region wurde aufgetrieben, um das ehrgeizige Projekt zu realisieren.

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Direkt hinter der Oper im Zentrum Lüttichs befindet sich die Cite Miroir
Das Gebäude sollte den humanistischen Ideen Truffauts gewidmet werden, und bis heute zeigt das Kulturzentrum Ausstellungen, die zum Dialog der Kulturen beitragen, Bürger- und Menschenrechte thematisieren oder Widerstand gegen rechtes Gedankengut ausdrücken.
Konzerte im Nichtschwimmerbecken
Die Sanierung des Gebäudes sollte schließlich fast zehn Jahre dauern - doch die Umsicht hat sich ausgezahlt. Dort, wo sich einst das große Becken befand, ist jetzt die Hauptausstellungsfläche. Rundherum sind die Originalfliesen erhalten, genauso wie die Aluleitern, die früher in den Pool führten. Das ehemalige Nichtschwimmerbecken bietet jetzt Platz für ein Auditorium und wird oft für Konzerte und Diskussionsveranstaltungen benutzt.
Sophia Felbermair, ORF.at, aus Lüttich
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