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Ruf nach politischen Konsequenzen

Auf dem internationalen Stahlmarkt zeichnet sich weiterhin keine Erholung ab. Die weltweite Überproduktion und die Schwemme billigen Stahls aus China setzen Produzenten in anderen Ländern ungebrochen heftig zu. Der Ruf nach tatsächlichen politischen Konsequenzen wird immer lauter.

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China exportiert im großen Stil Stahl und Stahlprodukte in den Rest der Welt. Die Wurzeln dafür liegen in dem rasanten und ressourcenintensiven Wirtschaftswachstum des Landes. Während des großen Booms hat die Regierung kräftig in die Förderung von Stahl investiert, um den eigenen Bedarf zu decken. Im Zuge der Konjunkturabkühlung ist aber auch die Nachfrage eingebrochen. Als Folge werfen die Produzenten ihre Erzeugnisse zu Preisen auf den Weltmarkt, die teils unter Produktionspreisen liegen.

Keine Besserung

Das bringt Stahlproduzenten im Rest der Welt in die Bredouille - und die Quartalszahlen des Weltstahlverbandes zeigen, dass auch keine Besserung in Sicht ist. Chinas Stahlexporte im ersten Quartal des Jahres lagen noch einmal acht Prozent über jenen im selben Zeitraum des Vorjahres. Auch die Importe aus dem Reich der Mitte in die EU sind mit einem Plus von 23 Prozent gewachsen. Die Produktion der europäischen Stahlkocher sank um sieben Prozent.

Besonders prekär ist die Lage in Großbritannien. Dort brach die Produktion im ersten Quartal um knapp 39 Prozent ein. Erst Ende März hatte die indische Tata-Gruppe ihren Rückzug aus Großbritannien angekündigt. 15.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, die BBC spricht sogar von 40.000 Betroffenen. Die britische Industrie liegt grundsätzlich bereits seit geraumer Zeit darnieder, und Tata sieht angesichts der chinesischen Konkurrenz, hohen Fertigungs- und Energiekosten sowie Umweltsteuern ein Verlustgeschäft. Die britische Regierung hat mittlerweile erklärt, die Werke notfalls mit Staatsgeld sichern zu wollen.

Unklare Signale aus China

Scharfe Mahnungen Richtung China kommen auch aus den USA. Die Branche müsse Strukturreformen zügig umsetzen und dabei den Regeln des Marktes folgen, forderte das Washingtoner Handelsministerium in einer gemeinsamen Erklärung mit der EU und Staaten wie Kanada und der Schweiz. Die Länder erteilten Subventionen und sonstigen Staatshilfen für defizitäre Betriebe eine Absage. Doch ein OECD-Treffen mit Vertretern aus 30 Ländern im April zur Lösung der Krise scheiterte.

China reagiert auf die internationale Kritik mit gemischten Signalen. Laut eigenen Angaben wurden 90 Millionen Tonnen an Kapazität stillgelegt, bis 2020 sollen weitere 100 bis 150 Millionen Tonnen folgen. Doch die aktuellen Produktionszahlen sprechen eine andere Sprache: Mit einer Menge von 70,65 Mio. Tonnen wurde im März ein Rekordwert erreicht.

Ebenso hat das offizielle China Mitte April Vorwürfe zurückgewiesen, wonach die Stahlindustrie des Landes Konkurrenten mit Dumpingpreisen angreife. „Der größte Teil unserer Stahlproduktion wird auf dem heimischen Markt verbraucht“, sagte der Sprecher des chinesischen Handelsministeriums, Shen Danyang. Die Regierung subventioniere die eigene Stahlindustrie nicht, um die Export des Landes zu befeuern. Ursache für die Probleme der globalen Stahlindustrie sei vor allem die schwache Weltwirtschaft, sagte der Sprecher weiter.

„Selbstdisziplin“ für chinesische Hütten

Ironischerweise scheint die Stahlproduktion auch für die meisten chinesischen Produzenten ein Verlustgeschäft zu sein. Wie die „Welt“ unter Berufung auf Analysten berichtet, schreiben 90 Prozent der chinesischen Stahlwerke Verluste. Die Produktion wird dem Bericht zufolge aus Angst vor massiven Arbeitsplatzverlusten trotzdem aufrechterhalten.

Der chinesische Stahlverband (CISA) hat die Stahlproduzenten im Land zu mehr „Selbstdisziplin“ aufgefordert - man solle nicht beim kleinsten Anzeichen für steigende Preise die Produktion wieder hochfahren. Doch der Appell scheint vergebens: Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft Custeel zufolge sind 68 vorübergehend stillgelegte Hochöfen mit einer Gesamtkapazität von 50 Millionen Tonnen wieder in Betrieb. Gerade weil die abflauende Konjunktur im Inland für Preise im Keller sorgt, erscheint der Export mit durchschnittlichen Gewinnspannen von 77 bis 93 Dollar pro Tonnen umso verlockender.

Strafzölle in Australien

Verschiedene Staaten sagen Chinas Billigstahl indes mit konkreten Schritten den Kampf an. Australien etwa hat angekündigt, es werde zum Schutz der heimischen Industrie Strafzölle auf bestimmte Stahlprodukte aus China verhängen. Je nach Exportfirma und Produkt könnten sich die Zollgebühren auf bis zu 57 Prozent belaufen. Die Empfehlung für die Strafzölle kam von der australischen Anti-Dumping-Kommission, gefordert hatte den Schritt der in Schwierigkeiten geratene australische Stahlriese Arrium.

Kritik an EU

Der Ruf nach Regulierung und Abschottung bleibt auch in Europa aufrecht - doch die Hoffnung auf eine baldige Lösung der Krise wurde erst kürzlich vom Präsidenten der deutschen Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, gedämpft. „Eine zeitnahe internationale Lösung für die globale Stahlkrise ist gegenwärtig nicht in Sicht“, so Kerkhoff bei der Industrieschau Hannover Messe.

Die bestehenden Schutzbemühungen der EU für einen fairen Wettbewerb gehörten reformiert. „Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsregionen wie etwa den USA dauert es in der EU doppelt so lange, bis Maßnahmen wie Zölle greifen“, beklagte sich Kerkhoff. Die Politik müsse endlich gegensteuern, Handelsschranken gegen das Dumping hochziehen und die Folgen der Energiewende für die stromintensive Produktion des Stahls abfedern.

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