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Streit über Zugang zu Tempeln

Zahlreiche Gesetze sollen die Stellung der Frauen in Indien stärken. So gibt es für Gemeinderäte eine Frauenquote von einem Drittel. Doch die Politik wird weiter von Männern dominiert.

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Im indischen Unterhaus sind unter den 543 Abgeordneten nur 62 Frauen. Das seien weniger als in Afghanistan, empört sich etwa die Abgeordnete K. Sreemathi Teacher. Eine Frauenquote von 33 Prozent wird seit Langem gefordert, wurde aber bisher nicht umgesetzt.

Auf lokaler Ebene sorgte dagegen die Einführung einer Quote teils für wichtige Veränderungen. Vor allem in ländlichen Gebieten führte die Quotenregelung dazu, dass Themen wie der Zugang zu Wasser und zu sanitären Anlagen stärker ins Zentrum rücken, betont die Frauenrechtlerin Flavia Agnes.

Urteil mit hohem Symbolwert

Einen Durchbruch brachte Anfang April 2016 das Urteil des indischen Obersten Gerichtshofs. Die Höchstrichter erklärten es für verfassungswidrig, Frauen den Zugang zum Hindutempel zu verbieten. Im Sabarimala-Tempel im Bundesstaat Kerala ist seit Jahrhunderten Frauen der Zutritt verboten. Auch in einigen anderen Tempeln in Indien sind Frauen nicht zugelassen, weil sie aufgrund der Menstruation als unrein gelten.

Höchstrichter Dipak Misra setzte das traditionelle Frauenverbot mit einer grundsätzlichen Argumentation gegen Geschlechterdiskriminierung außer Kraft: „Kann man einer Frau verbieten, den Mount Everest zu besteigen? Wenn es ein Verbot gibt, muss es allgemein gehalten sein.“ Im Bundesstaat Maharashtra führte das Urteil zu einer tagelangen Auseinandersetzung zwischen männlichen und weiblichen Dorfbewohnern und Aktivistinnen der Gruppe Women Warriors of Mother Earth um den Zugang zum Shani-Shignapur-Tempel.

Als die Aktivistinnen das innerste Heiligtum stürmten, gab die Tempelverwaltung nach und öffnete die Tore. In Mumbai wollen jetzt auch zwei muslimische Frauen per Gerichtsbeschluss unbegrenzten Zugang zur Hauptmoschee erhalten.

Weltweite Empörung über Gruppenvergewaltigung

Internationale Bestürzung löste vor dreieinhalb Jahren die Gruppenvergewaltigung und schwere Misshandlung einer Studentin in einem Bus der indischen Hauptstadt Delhi aus. Die junge Frau erlag wenige Tage später ihren Verletzungen. Mehrere der Täter wurden zum Tode verurteilt. Das BBC-Interview eines der Täter - er gab vor laufender Kamera dem Opfer selbst die Schuld: Die Frau sei spätnachts noch unterwegs gewesen - führte zu einer intensiven Gewissenserforschung mit Protestdemonstrationen und Frauenkundgebungen im ganzen Land.

Der indischen Regierung ist das Dauerthema Gewalt gegen Frauen unangenehm. Die BBC-Doku wurde blockiert. Gleichzeitig sprach sich der konservative Premierminister Narenda Modi wiederholt gegen jede Form der Misshandlung von Frauen aus. Sogar das banal scheinende Problem des Fehlens von Frauentoiletten auf dem Land sprach er direkt an. Viele Angehörige der Kastenlosen haben keine Toiletten in ihren Hütten oder Häusern. Viele der Frauen werden vergewaltigt, wenn sie nachts ins Freie gehen, um sich zu erleichtern.

Anzeigepflicht bei Übergriffen

Ein neues Gesetz bestimmt, dass jeder Übergriff obligatorisch zur Anzeige gebracht werden muss. Auf diese Weise sollen Frauen ermutigt werden, zur Polizei zu gehen, und umgekehrt soll die Polizei gedrängt werden, Anzeigen auch tatsächlich entgegenzunehmen.

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