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Erfolg für US-Präsident Obama

Der 2. Mai 2011 gilt als Etappensieg im „Krieg gegen den Terror“: Mit der gezielten Ausschaltung des „Terrorfürsten“ Osama bin Laden in seinem Versteck in Pakistan durch US-Navy SEALs hat US-Präsident Barack Obama einen Schlussstrich gezogen unter jene Art des Kampfes gegen den islamistischen Terrorismus, den sein Vorgänger George W. Bush ausgerufen hatte.

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Für Obama selbst war der Sieg über den mit 25 Millionen Dollar (22 Mio. Euro) Kopfgeld meistgesuchten Terroristen der Welt einer der größten Erfolge seiner beiden Amtszeiten. Der Krieg - nach den von Bin Laden angezettelten Attentaten vom 11. September 2001 begonnen - hat in seinen zehn Jahren Siege und Pyrrhussiege für die USA zutage gefördert.

Aufstieg des IS

Die Tötung des Terroristenführers im Alter von 53 Jahren zählte zu den Siegen. Das von Bin Laden geführte islamistische Terrornetzwerk Al-Kaida wurde in Motivation und Struktur entscheidend geschwächt, der Durst der Amerikaner nach Rache für die fast 3.000 Toten von 9/11 war zumindest ein wenig gestillt.

Das von den USA mitausgelöste Chaos im Irak, das Ungleichgewicht in Nahost und auch die undurchsichtige Situation in Afghanistan und Pakistan haben dem Terror jedoch geholfen. Im Irak konnte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) entstehen - brutaler, entschlossener, menschenfeindlicher noch als Bin Ladens Al-Kaida.

„Akt nationaler Selbstverteidigung“

Der Schießbefehl von 2011, ausgeführt vermutlich von einem Navy SEAL namens Robert O’Neill, ist bis heute umstritten. Die US-Kräfte gingen in ein fremdes Land und töteten einen Mann - ohne jegliche gerichtliche Fundierung. Politiker von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel bis George W. Bush begrüßten den Schritt damals. Menschenrechtlern war weniger wohl.

„Die Operation gegen Bin Laden war gerechtfertigt als ein Akt nationaler Selbstverteidigung“, sagte der damalige US-Justizminister Eric Holder. Im Falle Bin Ladens war die US-Armee extrem schnell, als es darum ging, die Leiche per Seebestattung verschwinden lassen. Bin Ladens Anhänger sollten keinen Ort finden, um ihrem Idol zu huldigen.

Verschwörungstheorien blühen

Kein Wunder, dass sich schnell Verschwörungstheorien bildeten. Die prominenteste hat der US-Investigativjournalist und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh erst jüngst in Buchform gegossen. Die These Hershs: Bin Laden, in jüngeren Jahren als Mitglied der afghanischen Mudschahedin im Kampf gegen die Sowjets mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI auf Du und Du, hat mit dem Wissen der USA rund fünf Jahre in seinem Versteck in der Stadt Abbottabad gelebt - einer Hochburg des pakistanischen Militärs.

Das Weiße Haus streute Informationen: Die SEALSs hätten sich den Weg zu Bin Laden freischießen müssen, dieser habe eine seiner Frauen als Schutzschild benutzt, Kuriere hätten die US-Agenten zum Versteck geführt - laut Hersh, der sich auf inzwischen pensionierte US-Militärs und Geheimdienstler beruft, alles frei erfunden.

„Arroganter Überfall“

Auch in Pakistan gibt es bis heute keine Klarheit darüber, was in der Nacht des 1. Mai 2011 in Abbottabad geschah. Hershs Theorie von der Beteiligung der pakistanischen Regierung klingt nicht unglaubwürdig in den Ohren vieler Pakistaner. Wie konnten die Amerikaner in das Herz des Armeeapparats, die Stadt Abbottabad, gelangen, ohne dass Armee oder Geheimdienst davon erfuhren?

Die Wut eines ganzen Landes über den „arroganten Überfall auf ein souveränes Land“, wie es damals oft hieß, hat sich allerdings verflüchtigt. Das zuvor lange notorisch schlechte Verhältnis zu den USA hat sich sogar verbessert - etwas, was vor fünf Jahren noch unmöglich erschien.

Das Erbe Bin Ladens

Heute ist Al-Kaida in Pakistan mehr Mythos als Realität, sagen Sicherheitsanalysten. Was die Drohnenschläge und die vorübergehende Enthauptung der Bewegung durch den Tod Bin Ladens angefangen hatten, führten pakistanische Militäroffensiven fort. Wenngleich Bin Ladens Erben in Pakistan und wieder aufkeimend in Afghanistan aktiv sind - hinsichtlich der Außenwirkung haben längst IS-Kämpfer die Vorherrschaft über die Bildschirme der Welt übernommen. Öffentlich inszenierte Enthauptungen und Selbstmordattentate in westlichen Großstädten - nach Bin Laden ist der IS die Stimme des Terrors.

Christine Röhrs und Michael Donhauser, dpa

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