Paranoia und Politik
Mehr als nur ein Schachspiel: Inmitten des Kalten Kriegs wurde das Match zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski zum Prestigeduell zwischen den USA und der Sowjetunion. Der Film „Bauernopfer - Spiel der Könige“ nähert sich über die Geschehnisse von damals Fischers schillernder Persönlichkeit an.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Das Klischee von Genie und Wahnsinn wurde von kaum jemandem dermaßen deutlich in die Öffentlichkeit getragen wie von Schachlegende Bobby Fischer. Aus armen Verhältnissen in Brooklyn stammend, erlag Fischer der Faszination Schach bereits als Kind und galt rasch als Jahrhunderttalent. Nahm ihm seine Mutter die Schachfiguren am Abend weg, war das kein Problem – er spielte die Partie im Kopf weiter.
Fischer wurde zum US-amerikanischen Superstar des Schachsports. Und dank dem jungen Genie galt Schach als cool. In den USA der 1960er hatte das Spiel Hochkonjunktur. Der New Yorker mit den jüdischen Wurzeln war die zentrale Figur - in einer Zeit, als die Sowjetunion die Disziplin dominierte und als unschlagbar galt.
Schach als Psychospiel
Regisseur Edward Zwick macht bereits am Anfang des Films deutlich, dass mit Fischers Karriere auch dessen Paranoia wachsen wird. Das Spiel sei ein Labyrinth, sagt Fischer aus dem Off – es könne einen an den Rand des Wahnsinns bringen. Fischers Ehrgeiz und sein unbedingter Wille zum Sieg lassen die exzentrische Veranlagung, die allzu schnell ins Cholerische kippt, in zunehmendem Maße nach außen treten.

Constantin Film
Die Atmosphäre der 1970er fängt Regisseur Zwick brillant ein
Doch zunächst wird man Zeuge des rasanten Aufstiegs Fischers und reist in schnellen Schnitten durch die 1960er und 1970er Jahre, die Zwick, der dabei eine gute Hand für die Inszenierung der Popkultur der damaligen Zeit zeigt, als Kontrastprogramm zu all den Blicken in die psychischen Abgründe Fischers in Szene setzt. Kalifornischer Lifestyle dient da als Antithese zum Schachsport und seinen in steifen Anzügen steckenden, höchst konzentrierten Protagonisten.
Dabei macht vor allem Tobey Maguire eine großartige Figur, der Fischer in Mimik und Motorik äußerst glaubwürdig verkörpert und keine Missverständnisse in Hinsicht auf die gravierender werdenden psychischen Probleme aufkommen lässt. Zwick gelingt es mühelos, das vermeintlich ereignislose Schachspiel visuell mit enormer Spannung darzustellen. Der Regisseur arbeitet sehr präzise mit Blicken und Gesten, ohne dabei Längen zu produzieren.
Die Verschwörung lauert überall
Das gelingt ihm umso eindrücklicher, je näher der große Showdown in Form der Weltmeisterschaft des Jahres 1972 im isländischen Reykjavik rückt. Fischer traf dabei auf seinen Erzrivalen Boris Spasski (Liev Schreiber). Die damaligen Supermächte stilisierten das Ereignis zum Zweikampf der Nationen hoch. Denn wenn der Kalte Krieg schon keinen realen Schauplatz gefunden hatte, dann sollte er wenigstens auf dem Schachbrett stattfinden.
Fischer, der die Auseinandersetzung ebenso herbeisehnte wie die Sowjets, fand sich als zentraler Protagonist der verlängerten Weltpolitik wieder. Er, der Underdog aus Brooklyn, trat gegen die mächtigen Russen an. Ein Kampf wie David gegen Goliath, aber auch der perfekte Nährboden für Fischers wachsende Paranoia.
Telefonapparate werden von Fischer auf Wanzenverdacht hin auseinandergenommen. Fischer glaubt durch seinen Fernsehapparat hindurch observiert zu werden und mutiert durch und durch zur von Verschwörungen geplagten Diva, die dem mehr Energie widmet als dem Hauptereignis in Island, das zum großen Psychospiel wird. Das Spiel zwischen Fischer und Spasski, das zwischen Juli und September 1972 21 Partien brachte, ist als „Match des Jahrhunderts” in die Schachgeschichte eingegangen.
Film auch für Schachmuffel
Nicht nur Maguire überzeugt in seiner Rolle. Michael Stuhlberg gibt Fischers kettenrauchenden Anwalt in einer großartigen Darbietung. Fischers Schachtrainer, der Priester Bill Lombardy (Peter Sarsgaard), sorgt ebenso dafür, dass das Biopic, das insbesondere in der Einöde Islands auch Längen hat, den Faden nicht verliert.
„Bauernopfer – Spiel der Könige“ funktioniert dabei ebenso als Biopic wie als packender Thriller, der trotz Paranoia und Politik oft zu einer gewissen Leichtigkeit und großem Humor findet. Zwicks Inszenierung des Schachsports sollte selbst jenen, die dem Spiel in der aktiven Ausübung wenig abgewinnen können, spannende Stunden bereiten.
Johannes Luxner, ORF.at
Link: