Um 24 Stunden verschoben
Der für Mittwoch geplante erste Start einer Rakete vom neuen russischen Weltraumbahnhof Wostotschny ist um einen Tag verschoben worden. Wie russische Nachrichtenagenturen in der Früh meldeten, wurde der Start kurzfristig wegen „technischer Gründe“ abgesagt.
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Etwa zwei Minuten vor dem geplanten Abheben der Sojus-2.1a seien die Vorbereitungen automatisch abgebrochen worden, sagte der Direktor der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Igor Komarow, der Agentur Interfax zufolge. Als möglicher Grund wurden zunächst Probleme mit dem Tank genannt.
Vorgang wird „analysiert“
Zu dem geplanten Start war Präsident Wladimir Putin eigens aus dem rund 8.000 Kilometer entfernten Moskau angereist. Der Staatschef bleibe vorerst auf dem Kosmodromgelände, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Putin den zweiten Versuch abwarte. Roskosmos nannte als neuen Termin Donnerstag, 4.01 Uhr MESZ (11.01 Uhr Ortszeit). „Wenn alles normal läuft, ist das zu schaffen“, sagte Komarow. Der Abbruch habe weder mit den Besonderheiten der Anlage noch mit dem Personal zu tun. Die Fehlerstelle sei lokalisiert. „Wir werden den Vorgang nun analysieren“, sagte der Roskosmos-Chef.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/dpa
Eine staatliche Kommission hatte kurz vor dem geplanten Start am Mittwoch um 4.01 MESZ noch grünes Licht gegeben. Die Rakete soll drei Satelliten ins All bringen. Ernste technische Probleme treten bei einer Sojus selten auf. Sie gilt als zuverlässiges Transportmittel für Menschen und Fracht ins All. Die Rakete und die Satelliten hätten durch den Abbruch keinen Schaden genommen, sagte Roskosmos-Sprecher Igor Burenkow.
Prestigeprojekt Wostotschny
Wostotschny ist der erste nicht militärische Weltraumbahnhof in der Geschichte Russlands. Sechs Jahre lang haben Tausende Arbeiter den neuen Weltraumbahnhof im Osten Russlands an der Grenze zu China gebaut. Er gilt als Prestigeprojekt. Mit Wostotschny will Moskau den Beginn einer neuen Ära in der russischen Raumfahrt einläuten. Dieses „Schaufenster für ein modernes Russland“, wie Regierungschef Dimitri Medwedew das Kosmodrom bezeichnete, sollte bereits Ende vergangenen Jahres eröffnet werden.

AP/Igor Ageyenko
Putin bei einer Besichtigung in Wostotschny
Aufgrund von Pfusch bei den Bauarbeiten und Streiks wegen nicht gezahlter Löhne musste der Beginn aber verschoben werden. Vor einem Jahr noch machten die Arbeiter mit einer Botschaft in riesigen Buchstaben mit einer Nachricht an Putin auf sich aufmerksam: „Geehrter Putin W. W. Vier Monate ohne Gehalt. Rette die Arbeiter. Wir wollen arbeiten.“ Putin erklärte das Bauprojekt zur Chefsache und kritisierte die Verantwortlichen. Die Raumstation solle auch Basis für eine friedliche Zusammenarbeit mit den USA, Europa und Japan sein: „Vielleicht gelingt es uns, dass wir uns über den Kosmos auch auf der Erde besser verstehen.“
Staatsgelder in Millionenhöhe versickert
Auch wenn dem Projekt Priorität eingeräumt wurde, musste Moskau im Zuge der Wirtschaftskrise das Raumfahrtbudget bis 2015 um ein Drittel auf rund 18 Mrd. Euro stutzen. Nicht zuletzt deshalb wurde der für 2030 geplante erste bemannte Mondflug Russlands um mindestens fünf Jahre verschoben. Überschattet wurde das Projekt zudem von kriminellen Machenschaften: Heftige Korruptionsvorwürfe wurden laut. Staatsgelder in Millionenhöhe seien verschwunden, sagte der Rechnungshof des Landes. Mehrere Bauleiter wurden wegen des Verdachts auf Unterschlagung verhaftet.
Osten Russlands statt Kasachstan
Mit Wostotschny will sich Moskau von seinem bisherigen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan emanzipieren. Von dort startete im vergangenen Jahr ein Drittel aller weltweiten Raumflüge. Für dieses seit über 60 Jahren bestehende Kosmodrom zahlt Russland jährlich 100 Millionen Euro Pacht. Baikonur begleitete die Geschichte der russischen Raumfahrt in den vergangenen Jahrzehnten. Von dort startete etwa Juri Gagarin zum ersten Flug eines Menschen im Weltraum. Seit dem Zerfall der Sowjetunion und der folgenden Unabhängigkeit Kasachstans 1991 lag Baikonur aber im Ausland.
Mit Wostotschny hat sich Russland wieder einen eigenen Zugang ins Weltall geschaffen. Ganz aufgeben will Russland Baikonur aber offenbar nicht. Die Pacht läuft noch bis 2050. „Bemannte Flüge werden wohl bis 2023 nur von Baikonur erfolgen“, sagte Komarow gegenüber der dpa. Zudem sollen Proton-Raketen weiter aus Kasachstan abfliegen. Für diese sei keine Rampe in Wostotschny geplant, so Komarow. Für Russland ist der Transport von Satelliten und Reisen zur Internationalen Raumstation (ISS) ein lukratives Geschäft, müssen doch US-Astronauten Russland viel zahlen, um zur ISS zu gelangen, da die USA ihr Spaceshuttle-Programm 2011 einstellten.
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