Konzert mit Symbolkraft
1, 2, 3, 4 - es ist so schön bei dir! Wenn ein ohnehin sehr textsicheres Publikum Reime wie diesen serviert bekommt, dann kann das stimmungsmäßig nur gut ausgehen - so wie sich bei Wanda seit zwei Jahren ohnehin alles auszugehen scheint. Die Band spielte Freitagnacht vor 12.000 Menschen in der restlos ausverkauften Wiener Stadthalle und gab damit das bisher größte Konzert ihrer Karriere. Das birgt nicht nur für die Band ungemeine Symbolkraft.
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Dass es überhaupt zu solchen Dimensionen kommen konnte, gilt als ein kleines Popwunder. Weitaus weniger verwunderlich war hingegen, dass der Wanda’sche Schmäh auch in solch einem Rahmen wie der Stadthalle tadellos funktioniert. Die Band versteht es, breiten Konsens zu schaffen, und scheint derzeit ohnehin in jedem Kontext zu bestehen – selbst die lieblose Platinverleihung vor dem Auftritt ertrug die Band, ohne sich etwas anmerken zu lassen.
Und die Tatsache, dass es unter Geschmackspolizisten mittlerweile als sehr schick gilt, die Abneigung gegenüber Wanda mitunter mit viel Emotion deutlich darzulegen, ändert am kollektiven Taumel, den die Band auslöst, ohnehin wenig. Wer den Weg in den Mainstream schafft, muss mit solcher Kritik leben.
Ein Ereignis in Serie
Dabei war das Vorhaben Stadthalle nicht völlig ohne Risiko. Vor zwei Jahren gerade einmal dem Proberaum entstiegen, sorgte die Band mit unangepasstem Verhalten und Songs, die von Liebe, Exzess und Weltschmerz erzählen, rasend schnell für Furore. Selten zuvor bekam man eine Band zu sehen, die es dermaßen wissen wollte, und daraus nicht nur keinen Hehl machte, sondern die klare Absicht frontal zur Schau stellte.

APA/Hans Punz
Wanda in der restlos ausverkauften Wiener Stadthalle
Dass hier jemand offensichtlich in ganz großen Dimensionen denkt und dabei nicht nur die Musik darauf anlegt, zeigte sich spätestens, als Wanda für April 2015 den Wiener Gasometer buchten, dessen 4.000er-Kapazität für junge heimische Popacts im Normalfall wesentlich zu groß dimensioniert ist. Der Abend wurde als Demonstration junger heimischer Popkünstler konzipiert und ein riesiger Erfolg. Wandas Manager Stefan Redelsteiner gilt als wesentliche Figur hinter all dem.
Frechheit siegt
Und weil Größenwahn und Pop seit jeher ein inniges Verhältnis haben, zeigte Redelsteiner im Vorfeld der Veröffentlichung des zweiten Albums ziemlich deutlich, wo es mit dem zweiten Longplayer erfolgsmäßig hingehen soll, und buchte vorsichtshalber die Wiener Stadthalle - eine freche Ansage, die von viel Selbstbewusstsein zeugte. Und er lag richtig.
„Bussi“, die zweite Platte, geriet zum Bestseller, die Band eroberte Deutschland im großen Stil, und nun stand Sänger Marco Fitzthum am Freitagabend vor 12.000 Menschen auf der Bühne, gab einleitend ein verhaltenes „Herzlich willkommen“ in Richtung Publikum, um die Sache ins Rollen zu bringen - und zu servieren, was gefragt war: ungebügelter Rock ’n’ Roll, der vergessen machen soll, was gerade ist und vielleicht noch kommen könnte.
Ein Hoch und ein Tief
Für solche Zwecke ist die Eröffnungsnummer „Luzia“ ein denkbar gut geeigneter Song, der diese Funktion seit den ersten Wanda-Konzerten erfüllt. Das kann nur gutgehen und verdeutlicht neben der Bühnengarderobe der Band vom ersten Moment an, dass hier jemand auf Beständigkeit auf vielen Ebenen setzt. Die Scheu vor dem Wagnis signalisierte bereits die Machart von „Bussi“, das ein musikalischer Zwilling des Debütalbums „Amore“ ist. An einer solch gut funktionierenden Marke etwas ändern zu wollen wäre auch eine denkbar schlechte Idee.
Wanda liefern, was bestellt wird, und setzen auf das erste Hoch der Eröffnungsnummer mit „Bleib wo du warst“ etwas Schwermut drauf. Wer sein Publikum von Beginn an von so vielen Seiten umgarnt, wird die Sache auch ins Ziel bringen. Wanda müssten an diesem Abend schon harten Techno spielen, um unter den herrschenden Rahmenbedingungen auf Missmut der Fans zu stoßen. Mit „Dass es uns überhaupt gegeben hat“ folgte der dritte Song vom ersten Album in Serie, der endgültig zeigte, dass beim Publikum höchst bemerkenswerte Textsicherheit herrscht.
Für die Nachwelt festgehalten
Auf Chorspiele mit der Fangemeinde steht Fitzthum offensichtlich – und manchmal scheint er es selbst nicht glauben zu wollen, wie leicht er es hat. Spätestens ab „Schickt mir die Post“ gibt es beim altersmäßig auffällig durchmischten Publikum ohnehin kein Halten mehr. Fitzthum und seine Mitstreiter - Manuel Poppe an der Gitarre, Christian Hummer an den Keyboards, Reinhold Weber am Bass und Lukas Hasitschka am Schlagzeug - werden dabei auch auf Film festgehalten.
Eine DVD des Auftritts ist in Planung, weshalb Wanda während der knapp zwei Stunden langen Show von zwei Kameramännern, die als Pestdoktoren mit Schnabelmasken auftraten, flankiert wurden. Ein eigenwilliges Schauspiel und eine exzellent inszenierte Klischeepflege, auch den von der Band immer wieder verarbeiteten Wiener Lokalkolorit betreffend.
Überhaupt könnten sich Wanda angesichts ihrer Werbewirksamkeit überlegen, Wiens Tourismusverantwortlichen eine Rechnung zu schicken. Das Wien-Bild der gemütlich-morbiden Raucher- und Trinkerstadt hat sich in Deutschland medial bereits tief eingebrannt. Wien als eine Stadt, in der die Dinge im Zweifel nicht so ernst genommen werden - stattdessen wird angestoßen. Eine heile Welt, die zu etwas Konsum neigt, und in der im Zweifel Bussi und Amore gelten. Wenn es bloß tatsächlich so wäre. In der Stadthalle durfte man zumindest für ein paar Stunden daran glauben.
Schiff ahoi im Herbst
Mit der Beatles-Nummer „A Hard Day’s Night“, die der juvenilen Energie Wandas außerordentlich gut zu Gesicht steht, ging es in den Zugabenblock, der mit „1, 2, 3, 4“ und einer ungleich größeren Enthemmung als noch zu Beginn der Show eine Masseninfantilität größeren Ausmaßes auslöste. Wenn sich 12.000 Menschen unter einem Hallendach in Zählreimen üben, dann hat das eine besondere Wirkung – erinnert aber nicht nur an Rock ’n’ Roll, mit dem es für diesen Abend ohnehin ein baldiges Ende hatte.
Nach insgesamt knapp zwei Stunden setzte es den Eröffnungssong „Luzia“ ein zweites Mal. Und das war’s – die Band verordnete sich keine weiteren ausschweifenden Zugaben, was angesichts der Größe des Ereignisses nicht vollkommen abwegig gewesen wäre. Sie folgten mehr oder weniger der Setlist der laufenden Tournee. Was nichts daran ändert, dass Wanda ihr Publikum überwältigten, und es entstand der Eindruck, dass die Band am Ende des Abends auch von sich selbst ein wenig überwältigt war.
Grund zur Optimierung der Setlist sollte es allerdings spätestens im Herbst geben: Dann bestreiten Wanda mit Fans eine fünftägige Mittelmeer-Kreuzfahrt, die auch ein Gastspiel auf dem italienischen Festland bringen wird und die Band, wie sollte es anders sein, dabei natürlich nach Bologna führt.
Johannes Luxner, ORF.at
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