Hektoliterweise Liebe und Sex
Prince ist am 21. April an einer Überdosis Schmerzmittel verstorben. Der Musiker mit der markanten Stimme und den extravaganten Outfits hatte sich zeitlebens auf kein Genre festlegen lassen - im Gegenteil: Sein Markenzeichen war die Überraschung.
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Prince ließ kaum jemanden kalt, die strengen Nerds von den Musikzeitschriften genauso wenig wie Menschen aller Altersgruppen und kultureller Hintergründe, die nur eines miteinander eint: dass die Musik von Prince mit biografischen Eckpunkten ihres Lebens verbunden ist und bleibt. Auf „Purple Rain“ können sich alle einigen.
Der Song vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 1984 markierte samt einem dazugehörigen Film den internationalen Durchbruch von Prince. Der Musiker, mit bürgerlichem Namen hieß er Prince Rogers Nelson, war damals 26 Jahre alt und konnte bereits auf eine zwölf Jahre lange Karriere zurückblicken. Schon Princes Eltern waren Jazzmusiker gewesen. Als sie sich trennten, ließ der Vater im Haus der Familie in Minnesota ein Klavier zurück - und sein siebenjähriger Sohn begann zu experimentieren.
Handwerker und Autodidakt
Mit zwölf verließ Prince seine Mutter und zog zum Vater, weil er sich mit seinem Stiefvater nicht verstand. Aber auch mit dem Vater überwarf er sich ein Jahr später und landete schließlich bei einer Tante, wo er in seinem Cousin Andre einen Seelenverwandten fand. Die beiden experimentierten mit allen möglichen Instrumenten und gründeten Phoenix, ihre erste Band, als Prince gerade einmal 14 war. Die nächsten paar Jahre coverten sie Jazz-, R&B- und Rocksongs, perfektionierten ihr Können, lernten, mit Synthesizern umzugehen, und Prince machte erste Gehversuche in einem Studio.

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Prince spielte mehr als 20 Instrumente
Er brachte sich in jüngsten Jahren alles bei, was es im Musikbusiness zu lernen gab. Bis zuletzt sollte Prince daran festhalten, bei Studioaufnahmen die meisten Instrumente selbst einzuspielen, seine Texte und Songs selbst zu schreiben und seine Alben selbst zu produzieren. Es war eine kleine Sensation, als er von Warner Bros. schon im Alter von 19 Jahren knapp 180.000 Dollar in die Hand gedrückt bekam - und bei seinem Debüt mehr oder weniger tun und lassen konnte, was er wollte.
Meister der Alleinstellungsmerkmale
Nach dieser mäßig erfolgreichen Platte ging es langsam bergauf - vor allem mit dem Album „1999“ und dem Song „Little Red Corvette“ (in dem es übrigens nicht um ein Auto, sondern um primäre weibliche Geschlechtsmerkmale geht). Der große Durchbruch aber erfolgte erst 1984 mit „Purple Rain“, bis heute sein meistverkauftes Album. Schon die Vorabsingle „When Doves Cry“ führte die US-Charts an, es folgte „Let’s Go Crazy“ - und der Titelsong der Platte sollte zur Legende, ja zur Hymne werden, die Jahrzehnte überdauerte, ohne zu altern. Prince schuf mit dem Album nicht nur einen musikalischen Meilenstein, der stilistisch mit nichts zuvor Dagewesenem vergleichbar war.
Gleichzeitig schuf er, besonders mit dem Film, auch eine Kunstfigur, die einerseits irritierte, deren Faszination man sich andererseits aber auch nur schwer entziehen konnte. Grelle Anzüge, hohe Absätze (Prince war 1,58 Meter groß), markante Frisuren - einmal Afro, dann wieder extravagante Variationen des Sidecut -, einmal glatt rasiert, dann wieder mit Schnurrbärtchen: Prince war nie wirklich modisch gekleidet, aber wie in der Musik kreierte er auch hier seine eigene Art von Coolness, die so eigenständig war, dass niemand es gewagt hätte, sie zu kopieren. Das wäre zu auffällig gewesen. Wenn überhaupt, dürften ihm ein paar Außenseiter des alten Rock-’n’-Roll-Zirkus als Vorbild gedient haben.
Eine schüchterne Diva
Dazu kultivierte Prince einen ganz eigenen Umgang mit der Öffentlichkeit. Sein Privatleben schirmte er weitgehend ab. Seine diversen Beziehungen, Verlobungen und Ehen gaben kaum Gesprächsstoff ab, manche wurden sogar erst lange im Nachhinein bekannt. Prince achtete darauf, dass keine Bilder, zumindest keine Fernsehbilder außerhalb seiner bewussten Inszenierung nach außen drangen. Prince ungezwungen herumblödelnd oder Halbgares vor sich hin philosophierend? Undenkbar. Danach gefragt, gab er sich als schüchtern aus. Aber es ist schwer vorstellbar, dass jemand wie Prince ein solch markantes Image nicht aus Kalkül pflegte. Der Erfolg sollte ihm recht geben - zumindest auf lange Sicht.
Seinen nächsten großen Hit nach „Purple Rain“ hatte Prince jedenfalls zwei Jahre und zwei Alben später mit dem Song „Kiss“ (1986). Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass Prince sich nicht wiederholen würde. Das funkige „Kiss“ ist von den rockigen Balladen auf „Purple Rain“ ungefähr so weit entfernt wie Bach von Metallica. Nicht wenige Fans wandten sich ab - neue kamen hinzu. Dann, 1987, das Album „Sign o’ the Times“ mit der gleichnamigen Hitsingle. Für viele war das Doppelalbum, das, wäre es nach Prince gegangen, ein Dreifachalbum hätte werden sollen, der Höhepunkt seines Schaffens.
Zu viele Alben für Warner
Damals hatte er sich von seiner ersten Begleitband „The Revolution“ bereits getrennt. Mit „The New Power Generation“ brachte er 1991 das Album „Diamonds and Pearls“ heraus, dessen Song „Cream“ ebenfalls ein großer internationaler Hit wurde. Danach folgte eine Phase, in der Prince zwar nicht von der Bildfläche verschwand, aber eher durch Extravaganzen von sich reden machte als durch Musik. Mit seinem divenhaften Verhalten vergrätzte er seine neue Band - und vor allem überwarf er sich mit Warner Bros.
Einer der Konfliktpunkte: Prince machte seinem Label nicht zu wenige, sondern zu viele Alben, 13 waren es bereits. Zu viel Prince ist schlecht fürs Geschäft, dachte man bei Warner. Und auch die stilistischen Volten dürften die Vermarktung nicht gerade leichter gemacht haben. Prince fühlte sich missverstanden und überließ für die bereits vereinbarten nächsten Alben seiner alten Plattenfirma nur noch Ausschussmaterial.
Mit und ohne Namen
Er hingegen produzierte munter weiter und experimentierte fortan mit dem Vertrieb seiner Alben genauso herum wie mit seiner Musik, nannte sich dabei aber nicht mehr Prince, sondern hatte nur noch ein abstraktes Symbol als Namen. Manche Alben ließ er Zeitschriften beilegen, andere von kleinen Indie-Labels vertreiben, und inmitten des Internetbooms der späten 90er Jahre war er einer der ersten, die ganze Alben und einzelne Songs zum Download bereitstellten. Mit Subskriptionsangeboten war er in den Nullerjahren den Plattformen von heute um einige Zeit voraus.
Stilistisch experimentierte Prince mit Hip-Hop und R&B, später mit Electroclash und kehrte schließlich zu seinen rockigen, funkigen Anfängen zurück, freilich nicht, ohne im Rahmen des von ihm selbst erfundenen Fusion-Genres neue Akzente zu setzen und alle Einflüsse seiner musikalischen Entwicklung mit einfließen zu lassen. Schließlich wandte er sich sogar wieder den großen Plattenlabels zu und nannte sich wie früher Prince. An seine ganz großen Erfolge der Vergangenheit konnte er nicht mehr anschließen, aber Kritiker bescheinigten seinen Alben weiterhin hohe Originalität - und seine Konzerte waren meist ausverkauft.
Die Musik bleibt
In Wien war Prince zuletzt 2014 mit seiner damals neuen Begleitband 3rd Eye Girl in der Stadthalle zu Gast. Völlig entspannt wirkte er und lieferte gemeinsam mit den drei Musikerinnen ein zweieinhalbstündiges Set mit ungemein viel Spielfreude ab. Sogar eine 20-minütige Version von „Purple Rain“ schenkte er dem enthusiastischen Publikum. Prince war nicht immer so, aber wenn, dann flossen Sex und Liebe hektoliterweise. Von der Bühne und wieder retour. Konzerte wird es nun keine mehr geben. Aber die Musik bleibt.
Simon Hadler, ORF.at
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