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Verhandlung über mehrere Wochen

In Deutschland steht seit Dienstag PEGIDA-Chef Lutz Bachmann vor Gericht. Der 43-jährige Kopf der islam- und fremdenfeindlichen deutschen Protestinitiative ist wegen Volksverhetzung angeklagt. Vor Prozessbeginn musste die Polizei vor dem Amtsgericht von Dresden, wo die PEGIDA entstanden ist und bis heute den meisten Rückhalt hat, Sympathisanten und Gegner auseinanderhalten.

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PEGIDA-Sympathisanten begrüßten Bachmann vor dem Gerichtsgebäude mit Beifall und forderten auf Transparenten „Freispruch für Lutz Bachmann“, Gegendemonstranten riefen „Bachmann in den Knast“. Sowohl am Eingang zum Gebäude als auch zum Verhandlungssaal wurden Ausweise und Taschen kontrolliert. Die hundert Plätze des Verhandlungssaals waren alle belegt, rund 40 Menschen mussten vor der Tür bleiben.

Bis zu fünf Jahre Haft

Die Staatsanwaltschaft wirft Bachmann vor, Flüchtlinge in Facebook-Kommentaren im September 2014 herabgewürdigt und zum Hass gegen sie angestachelt zu haben. Es geht um Beschimpfungen wie „Viehzeug“, „Gelumpe“ und „Dreckspack“. Im Falle einer Verurteilung drohen dem bereits Vorbestraften eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft. Der Prozess wird wahrscheinlich bis Mitte Mai dauern - vorausgesetzt, Bachmann und seine Anwälte ziehen ihn nicht bewusst in die Länge.

Bachmann vor dem Gerichtsgebäude von Kameras begleitet

APA/AFP/Robert Michael

Bachmann vor dem Gericht

Dass Bachmann den Prozess nach Kräften behindern will, ist allein schon wegen der von ihm beabsichtigten Öffentlichkeitswirkung des Verfahrens möglich. Er will den Prozess eingestandenermaßen zur Eigenpropaganda nützen. Am Dienstag erschienen er und seine Unterstützer mit selbst gebastelten „Zensurbalken“-Sonnenbrillen vor Gericht, mit denen offenbar gegen „Unterdrückung“ protestiert werden soll. Am Abend davor hatte Bachmann auch seine Profilfotos in Sozialen Netzwerken entsprechend geändert.

Verteidigerin schiebt Schuld auf „Hacker“

Bachmanns Verteidigerin Katja Reichel sagte, ihr Mandant habe die Facebook-Beschimpfungen nicht verfasst. Es sei möglich, „sich auf Facebook-Seiten einzuhacken“. Darüber hinaus seien solche Äußerungen durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Als Zeugen sollten ein Facebook-Administrator und ein Gutachter zu den Grenzen der Meinungsfreiheit gehört werden. Zudem sei wegen „vorverurteilender“ Presseberichte der Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren verletzt, meinte Reichel. Es sei daher einzustellen.

Staatsanwalt Tobias Uhlemann zitierte seinerseits bei der Verlesung der Anklage aus den Facebook-Einträge. Bachmann habe damit „in Kauf genommen, den öffentlichen Frieden zu stören“. Er habe die Menschenwürde der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge angegriffen, indem er sie „böswillig verächtlich“ gemacht und beschimpft habe. Damit habe er zum Hass gegen sie aufgestachelt. Den Antrag auf die Anhörung eines Facebook-Angestellten wies er als bloße Verzögerungstaktik zurück.

Belastender Internet-Chat als Thema

Richter Hans Hlavka stellte die Entscheidung zu allen Anträgen zunächst zurück. Das Gericht trat anschließend in die Beweisaufnahme ein. Dabei wurde ein Video von einer Rede Bachmanns auf einer PEGIDA-Kundgebung im Februar 2015 gezeigt, in dem dieser auf die Facebook-Einträge einging. Er habe Worte „benutzt, die wirklich jeder schon einmal benutzt hat“, sagte Bachmann dort. Im Zentrum des ersten Verhandlungstags stand danach die Befragung zweier Zeuginnen.

Eine 38-Jährige gab an, am 19. September 2014 einen öffentlichen Chat im Internet mit Bachmann geführt zu haben. In Kommentaren habe Bachmann die der Anklage zugrundeliegenden Schimpfworte als Bezeichnung für Flüchtlinge benutzt. Monate später, nachdem es durch die Medien ging, stellten sie und ihre Mutter über einen Journalisten Ausdrucke des Gesprächsverlaufs der Staatsanwaltschaft zur Verfügung. Auch die 60-Jährige gab Auskunft im Prozess.

Gründer und Kopf der PEGIDA

Bachmann ist Kopf und Gesicht der fremden- und islamfeindlichen PEGIDA. Mit seiner hühnenhaften Statur fällt der 43-Jährige auf unter den Montagsdemonstranten in Dresden. Seit eineinhalb Jahre gehen die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, wofür PEGIDA steht, in der sächsischen Landeshauptstadt auf die Straße. Bachmann ist Gründer des Vereins und dessen Vorsitzender. Kein anderer spricht so häufig bei den Kundgebungen wie er.

Die Aufnahme der Ermittlungen wegen Volksverhetzung und Fotos, die ihn in bewusst nachtgestellten Hitler-Posen zeigten, führten im Jänner vergangenen Jahres zu einem kurzfristigen Rückzug Bachmanns aus dem „Orga-Team“ der PEGIDA, seine Rückkehr kurz darauf zur Spaltung des Bündnisses. Seither hat sich PEGIDA deutlich nach rechts bewegt und radikalisiert. Zuletzt gingen noch etwa 3.000 selbst ernannte Patrioten montagabends in Dresden mit.

„Null Toleranz“ - außer bei sich selbst

Er sei kein Rassist, betont der Sohn eines Fleischhauers regelmäßig. So habe er etwa „einen türkischen Trauzeugen und viele muslimische Freunde“. Sich selbst will Bachmamnn als Vertreter des Bürgertums sehen. 1992 gründete der gelernte Koch mit Abitur nach eigenen Angaben eine kleine Foto- und Werbeagentur. Danach geriet der Mann, der unter anderem für „null Toleranz“ gegenüber straffällig gewordenen Zuwanderern plädiert, mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt und wurde verurteilt.

Lutz Bachmann und Ehefrau Vicky Bachmann im Gerichtssaal

AP/Jens Meyer

Bachmann mit Anwältin Katja Reichel (l.) und Ehefrau Vicky Bachmann im Gerichtssaal

Bachmanns Vorstrafenregister reicht von Delikten wie Diebstahl, Einbruch und Körperverletzung bis zu Drogenhandel. Noch vor Haftantritt setzte er sich Ende der 90er Jahre nach Südafrika ab. Im Jahr 2000 kehrte Bachmann nach Deutschland zurück und musste für mehr als ein Jahr ins Gefängnis. Später wurde er erneut wegen Drogenhandels zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Fragen nach der Widersprüchlichkeit seiner Forderung von Härte gegen verurteilte Migranten und seiner eigenen Biografie tut die PEGIDA wie vieles andere als Kampagne einer „Lügenpresse“ ab.

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