Angriff, Abrechnung und Annäherung
Unabhängigkeit, Amtsverständnis, Terror und natürlich auch die Flüchtlingspolitik - das ist nur eine Auswahl der Themen, die bei der ORF-Stichwahldiskussion am Donnerstag zur Sprache gekommen sind. Jeweils zu zweit stellten sich die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss, Norbert Hofer (FPÖ), Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Andreas Khol (ÖVP) und der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen der Diskussion.
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Damit waren freilich nur fünf der sechs Hofburg-Kandidaten ins Studio eingeladen. Dass Richard Lugner nicht mitdiskutieren durfte, hatte bereits im Vorfeld für Aufregung gesorgt. Der ORF begründet seine Entscheidung gegen Lugner mit „Kriterien journalistischer Relevanz und gestützt auf Studien zweier Meinungsforschungsinstitute“ - in der Sendung sollten im Format eines Politpsychogramms jene Kandidaten und Kandidatin aufeinandertreffen, die die wahrscheinlichsten Chancen haben, in die Stichwahl zu kommen. 871.000 Zuseherinnen und Zuseher verfolgten die Debatte im Schnitt.
Der ehemalige Bauunternehmer und sechste Kandidat für die Hofburg kam dennoch auf den Küniglberg und schenkte vor dem ORF-Zentrum neben den Unterstützern anderer Kandidaten Freibier aus.
Höhepunkte der Diskussionen
Für alle, die wenig Zeit haben: Gleich zu Beginn eine Zusammenstellung der interessantesten Momente der ORF-Zweierdiskussionen.
Ob die fünf Diskutanten auf ihrem Weg ins Studio auf ein Bier bei Lugner vorbeischauten, wurde nicht bekannt. Als Stärkung hätten sie es durchaus gebrauchen können. Schließlich ging es in den folgenden drei Stunden Schlag auf Schlag. Alle 15 Minuten ging ein neues Zweierteam an den Start und beantwortete die Fragen von Marie-Claire Zimmermann und Tarek Leitner.
Griss vs. Van der Bellen
Die erste Diskussion des Abends begann mit einer Frage zur Unabhängigkeit. Der von den Grünen unterstützte Van der Bellen gestand Griss in dieser Frage „einen Meter Vorsprung“ zu.
In der Folge brach Van der Bellen eine Diskussion zum Geschichtsverständnis seiner Mitbewerberin vom Zaun, und die Zuseher erfuhren, dass für Griss 1986 nicht primär „das Waldheim-Jahr“ war. Am Ende gab es noch eine Offenbarung Van der Bellens: Hätte Barbara Prammer noch gelebt, hätte er sie als Hofburg-Kandidatin unterstützt.
Hofer vs. Khol
Die Themen Macht und Amtsverständnis standen bei der Konfrontation von Hofer und Khol am Anfang. Beide Kandidaten sagten, ein „entschlossener“ Präsident sein zu wollen.
Weniger einig waren sich Hofer und Khol freilich bei der Frage, welche Macht der Präsident tatsächlich hat. Kann das Staatsoberhaupt zum Beispiel die Zweiklassenmedizin abschaffen?
Griss vs. Hundstorfer
In Runde drei saßen sich Griss und SPÖ-Kandidat Hundstorfer gegenüber. Geprägt war die Diskussion am Anfang vom Stichwort politische Gestaltung. Besonders tief gingen die Gräben bei Fragen zur Parteienpolitik.
Weitaus mehr Einigkeit herrschte bei der Frage nach der Trennung von Kirche und Staat. Sie sei zwar katholisch, aber wisse das zu trennen, so Griss. Hundstorfer erklärte, ohnehin nicht getauft zu sein. Auch mit Kopftuchträgerinnen im öffentlichen Dienst hätten beide kein Problem.
Khol vs. Van der Bellen
Van der Bellen und Khol begannen ihre Diskussionen mit Ausführungen zur Sicherheit. Braucht es Überwachung um Terroranschläge zu verhindern, so die erste Frage.
Khol brachte sogleich die Flüchtlingsfrage aufs Tapet und zog sich dafür Kritik Van der Bellens zu. So ging es dann eben nicht mehr um den Terror, sondern um den Umgang mit Flüchtlingen - inklusive Ausführungen zur Nächstenliebe.
Hofer vs. Hundstorfer
Hofer wurde in Runde fünf - diesmal gemeinsam mit Hundstorfer - erneut zu seinem Amtsverständnis befragt. Einmal mehr ging es um die Frage, ob ein Präsident die Regierung entlassen sollte.
Laut Hofer hat „diese Regierung das Vertrauen der Bürger längst verloren“. Hundstorfer war bis vor Kurzem selbst noch Teil dieser Regierung. Die Ausführungen Hofers kämen für ihn einer „Chaostheorie“ gleich. In solch rauem bis aggressivem Ton ging es in den nächsten Minuten weiter.
Khol vs. Griss
Weitaus gesetzter ging es in der Diskussion zwischen Griss und Khol zu. Eine erste Differenz kam erst nach einigen Minuten auf, als Khol auf die Unterstützung Griss’ durch NEOS zu sprechen kam.
„Es ist eine Schande, wie viel Geld bei uns versickert“, konterte Griss Khols Bemerkung, dass NEOS doch für die Erbschaftssteuer sei. In der Folge ging es dennoch ohne große Brüche und Angriffe weiter. Auch zum Schluss waren sich Khol und Griss einig: Sie würden als Staatsoberhaupt zur Fußball-EM nach Frankreich fahren.
Van der Bellen vs. Hundstorfer
Das Duell Hundstorfer gegen Van der Bellen begann gleich mit einem „Friedensangebot“ Van der Bellens. „Schwamm drüber“ kommentierte er das im Vorfeld aufgetauchte SPÖ-Papier über ihn.
Von beiden Kandidaten gab es in der Folge ein Bekenntnis zur EU. Etwas schärfer wurde der Ton, als es um die Asylpolitik der aktuellen Regierung ging. Zwar fand auch Hundstorfer kritische Worte gegenüber den jüngsten Regierungsplänen. Van der Bellens Frage „Was ist aus der SPÖ geworden?“, wollte er so aber nicht gelten lassen.
Griss vs. Hofer
Ein - an diesem Abend - neues Thema eröffnete die Diskussion zwischen Griss und Hofer: die Zukunft des Bundesheers. Hofer, der „sehr gerne beim Bundesheer“ war, forderte mehr Geld. Griss widersprach nicht.
Weitgehend einig waren sich beide auch bei der Frage, ob Kärnten infolge der Hypo-Pleite in Konkurs gehen sollte. Sowohl Griss als auch Hofer schlossen das kategorisch aus. Gräben brachen freilich ganz zum Schluss bei der Frage auf: Wie singen Sie die Bundeshymne?
Van der Bellen vs. Hofer
Sowohl Hofer als auch Van der Bellen plakatieren in diesem Wahlkampf den Begriff „Heimat“. Dass sie darunter wohl Unterschiedliches verstehen, wurde gleich zu Beginn der Diskussion klar.
Einen „völlig anderen Zugang“ ortete Hofer und kam sogleich auf die Flüchtlingspolitik zu sprechen. Wenig verwunderlich fanden Van der Bellen und er in dieser Frage ebenso keine gemeinsame Linie wie bei den weiteren angesprochenen Punkten. Einig war man sich nur in einem Punkt - dass man sich nicht einig sei.
Khol vs. Hundstorfer
Die letzte Diskussion des Abends begann mit zwei sich sehr einigen Kandidaten: Sowohl Hundstorfer als auch Khol erklärten die aktuellen Umfragen für wenig aussagekräftig.
Mit der Harmonie war dann allerdings auch schon vorbei. Hundstorfer gab durch die Blume zu verstehen, dass für ihn die ÖVP schuld am schlechten Standing der Regierung sei. Khol konterte und erklärte Hundstorfer zum Reformverweigerer. Das gab den Ton für die nächsten Minuten vor. Erst nach einem heftigen Wortwechsel war noch etwas Zeit für Fragen.
Politikwissenschaftler Filzmaier zu den Duellen
Im Anschluss an die TV-Diskussion kommentierte Peter Filzmaier in der ZIB2 die Duelle zwischen den Kandidaten. Der Experte hob vor allem die Angriffigkeit der Kandidaten hervor.
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