Regierung für De-facto-Verbot
Die Debatte über eine Verschärfung des ohnehin strengen Abtreibungsgesetzes spaltet derzeit Polen. Sowohl die nationalkonservative Regierungschefin Beata Szydlo als auch ihr Parteichef Jaroslaw Kaczynski hatten Unterstützung für den Gesetzesentwurf einer Bürgerinitiative bekundet.
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Die verschärften Regeln wollen für Frauen nur noch Lebensgefahr als Abtreibungsgrund gelten lassen. Statt mit bisher zwei Jahren soll illegale Abtreibung mit fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.
Große Demonstrationen
An den vergangenen Wochenenden kam es in Warschau und vielen anderen Städten Polens zu Demonstrationen gegen die Pläne. Die Demonstranten - unter ihnen viele junge Frauen und auch Familien mit Kindern - verlangten eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Sie kritisierten, dass mangelnde Sexualerziehung und unzureichender Zugang zu empfängnisverhütenden Mitteln gerade bei Minderjährigen zu ungewollten Schwangerschaften beitragen.

APA/AFP/Janek Skarzynski
Metallene Kleiderbügel als Symbol der illegalen Abtreibung
„Wir sind hier auch für die jungen Frauen aus kleinen Städten, Frauen ohne das Geld, einen sicheren Schwangerschaftsabbruch in Deutschland oder einem anderen Land vornehmen zu lassen“, sagte eine Sprecherin des Frauenbündnisses.
Abtreibungen im „Untergrund“
Schon das jetzt in Polen geltende Abtreibungsrecht ist sehr restriktiv. Es erlaubt Schwangerschaftsabbrüche nur in drei Fällen: bei einer Bedrohung für Leib und Leben der Mutter, einer irreversiblen schweren Schädigung des Embryos und bei einer durch Vergewaltigung oder Inzest herbeigeführten Schwangerschaft.
Laut offiziellen Angaben wurden in Polen im vergangenen Jahr nur rund 900 Abtreibungen vorgenommen. Die tatsächliche Zahl wird auf 80.000 bis 100.000 geschätzt. Wer es sich leisten kann, lässt den Abbruch in einer Klinik im Ausland vornehmen, etwa in Deutschland, der Slowakei oder der Ukraine. Den anderen bleibt nur der „Abtreibungsuntergrund“ - medizinisch oft riskant und von Strafverfolgung bedroht.
Kirche mobilisiert
Die Forderung nach dem radikalen Abtreibungsverbot stammt von einer Bürgerinitiative und wird von der katholischen Kirche unterstützt. Anfang April wurde in den Sonntagsmessen in allen Kirchengemeinden ein Schreiben an die Gläubigen verlesen, in dem die Bischöfe ihre Unterstützung für eine Verschärfung der Abtreibungsregeln bekräftigten.
In dem Schreiben heißt es, dass es nicht bei dem 1993 gefundenen Kompromissgesetz bleiben könne. Um vom Parlament beraten zu werden, sind 100.000 Unterschriften von Bürgern erforderlich. Gegner einer Verschärfung wollen mit einer eigenen Petition ebenfalls 100.000 Unterschriften für eine Liberalisierung der Abtreibungsregeln erreichen.
PiS-Gegengeschenk an Kirche?
Szydlo hatte bereits gesagt, dass sie persönlich ein Abtreibungsverbot befürworte. Bei der Abstimmung über eine solche „Gewissensfrage“ werde es in der mit absoluter Mehrheit regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) allerdings keinen Fraktionszwang geben.
Der PiS-Vorsitzende Kaczynski hingegen - auch ohne Regierungsamt der eigentliche starke Mann in Polen - hatte sich bereits Ende März überzeugt gezeigt, dass die „überwiegende Mehrheit, wenn nicht alle“ der PiS-Abgeordneten für das Gesetz stimmen würden. Auch aus der rechtskonservativen Oppositionspartei Kukiz’15 gibt es entsprechende Signale.
Kommentatoren in Polen und auch im Ausland legten nahe, dass die Zustimmung der PiS zu einem Abtreibungsverbot eine Art Gegengeschenk der Partei an die katholische Kirche sein könnte, die die Partei im Wahlkampf vergangenes Jahr maßgeblich unterstützt hatte.
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