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„Ziehe das durch“

Michael-Hubertus von Sprenger, der deutsche Anwalt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, ist bereit, mit seinem Mandanten gegen den TV-Satiriker Jan Böhmermann alle Rechtsmittel auszuschöpfen - bis zur letzten Instanz. „Wenn ich das Mandat annehme, ziehe ich das auch durch“, sagte Von Sprenger im Interview mit „heute journal“-Moderator Claus Kleber am Dienstagabend im ZDF.

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„Der Präsident verspricht die Bestrafung des Betroffenen und verspricht sich auch, dass der in Zukunft das nicht wiederholt, was er gesagt hat, auf zivilrechtlicher Ebene“, so Von Sprenger weiter. Der 35-jährige Moderator Böhmermann hatte vorletzte Woche in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ ein Gedicht über Erdogan mit einigen Begrifflichkeiten unter der Gürtellinie vorgetragen, aber angemerkt, dass das in dieser Form auch in Deutschland nicht erlaubt sei.

Zu den Motiven seines türkischen Mandanten wollte sich der in München ansässige Rechtsvertreter in dem ZDF-Interview nicht äußern. Auf die Frage, warum sich der Präsident überhaupt um Satirebeiträge im deutschen Fernsehen kümmere, entgegnete Von Sprenger: „Die Frage können Sie mir als Juristen nicht stellen. Das ist eine höchstpersönliche Frage, die ich nicht beantworten kann.“

Nächste Sendung abgesagt

Nach den heftigen Reaktionen auf seine umstrittene Satire sagte Böhmermann indes seine nächste Sendung ab. Die für Donnerstag geplante Ausgabe des „Neo Magazin Royale“ falle aus, teilten Böhmermann und die Produktionsfirma btf GmbH am Dienstag auf der Facebook-Seite der Sendung mit. „Grund ist die massive Berichterstattung und der damit verbundene Fokus auf die Sendung und den Moderator.“

Die Entscheidung erfolgte laut den Angaben in Abstimmung mit dem ZDF. Der Sender erklärte dazu: „Wir respektieren die Entscheidung der Produktionsfirma und Jan Böhmermanns und haben Verständnis für deren Begründung.“

Böhmermann steht mittlerweile unter Polizeischutz. „Ein Streifenwagen steht vor der Tür“, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag in Köln. Man stehe auch mit anderen Sicherheitsbehörden im Kontakt. Zuvor habe es eine Beurteilung der Gefährdungslage gegeben. „Wenn man etwas nicht ausschließen kann, dann muss man etwas tun“, sagte der Polizeisprecher.

Merkel betont Recht auf Meinungsfreiheit

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Fall Böhmermann unterdessen die Meinungsfreiheit in Deutschland betont. „Wir haben die Grundwerte des Grundgesetzes. Dazu gehört der Artikel fünf, das ist die Freiheit der Meinung, der Wissenschaft und natürlich auch der Kunst“, sagte Merkel am Dienstag in Berlin. Sie war wegen ihres Umgangs mit der Affäre innenpolitisch zunehmend unter Druck gekommen.

„Diese Grundwerte gelten unbeschadet aller politischen Probleme, die wir miteinander besprechen“, fügte Merkel hinzu. „Dazu gehört auch das Thema Flüchtlinge.“ Die deutsche Kanzlerin betonte, dass sie in der Flüchtlingskrise eine gemeinsame Lösung mit der Türkei anstrebe. Die Frage des Flüchtlingsabkommens zwischen Ankara und der Europäischen Union sei von der Kontroverse um die Böhmermann-Satire und dem Schutz der Meinungsfreiheit in Deutschland aber „völlig entkoppelt“.

Türkischer Antrag wird „intensiv geprüft“

Für das von der Türkei verlangte Vorgehen wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ist die Zustimmung der deutschen Regierung erforderlich. Ob diese der türkischen Aufforderung eines Strafverfahrens nachkommen wird, ließ Merkel offen. Das werde intensiv geprüft. Mittlerweile hat Erdogan auch direkt Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Mainz gestellt.

Zudem gehen auch mehr und mehr private Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Mainz ein. Die Zahl liege inzwischen in deutlich dreistelliger Höhe, teilte Oberstaatsanwalt Gerd Deutschler am Dienstag mit. Die Anzeigen richten sich gegen den Satiriker Böhmermann oder gegen Verantwortliche des ZDF. Die Kanzlerin hatte Böhmermanns Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu als „bewusst verletzend“ bezeichnet. Kritiker warfen ihr vor, beim Schutz der Meinungsfreiheit vor der türkischen Regierung einzuknicken.

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