„Alles in die falsche Richtung“
Geht es nach den Wirtschaftszahlen, hätten die Schweden allen Grund, zufrieden zu sein. Doch laut Ministerpräsident Stefan Löfven geht die Stimmung genau in die andere Richtung: „Es ist surreal“, so Löfven gegenüber der „Financial Times“ („FT“).
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Schweden sei ein Land, in dem scheinbar „alles in die falsche Richtung“ gehe, so der sozialdemokratische Löfven. Trotz eines Wirtschaftswachstums von 4,5 Prozent im Jahresvergleich (viertes Quartal), mit dem Schweden sogar an erster Stelle in Europa liegt, und sinkenden Arbeitlosenzahlen sei die Stimmung schlecht, so Löfven. Löfven ist überzeugt, dass die Asylkrise „alles überschattet“.
Der Umgang mit der größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg sei „surreal“, so Löfven. „Noch surrealer“ sei aber, dass alle Zahlen in die richtige Richtung gehen würden, die Bevölkerung aber ein ganz anderes Bild von der Lage habe. „Es ist nicht nur die Frage, ob sie sich vor der Flüchtlingskrise fürchten, es ist, als also ob alles in die falsche Richtung geht“, so Löfven.
Zehntausende Flüchtlinge kamen nach Schweden
In den vergangenen Monaten hatte Schweden und vor allem die Regierung im Zuge der Flüchtlingskrise mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. Zehntausende Flüchtlinge kamen in das für seine liberalen Einwanderungsgesetze bekannte Land und setzten das Sozialsystem und die öffentlichen Stellen entsprechend unter Druck. Binnen zwei Monaten kamen 80.000 Flüchtlinge, laut Löfven wäre das, wie wenn in einem Jahr 25 Mio. Menschen in die gesamte EU einwandern würden. 163.000 Menschen beantragten vergangenes Jahr Asyl in Schweden.
Die Auswirkungen bekommt die schwedische Regierung direkt zu spüren: Löfvens rot-grüner Block liegt fast fünf Prozent hinter dem Block der Konservativen, so die „FT“. Die ausländerfeindlichen Schwedendemokraten wiederum fielen in den Umfragen zuletzt von einem Spitzenwert von 25 Prozent auf nunmehr 15 Prozent zurück - für viele Beobachter eine Reaktion auf die härtere Asylpolitik der schwedischen Regierung und die ebenfalls härtere Rhetorik der konservativen Opposition.
Asylgesetze deutlich verschärft
Als Reaktion auf die Fluchtbewegung verschärfte die schwedische Regierung die Gesetze rigoros und brachte sie auf EU-Mindeststandard. Das bedeutet, dass weniger Flüchtlinge Bleiberecht bekommen und der Familiennachzug erschwert wird. Zudem wurden die Grenzkontrollen vorläufig bis Anfang Mai verstärkt. „Es schmerzt mich, dass Schweden nicht in der Lage ist, auf diesem Niveau weitere Asylsuchende aufzunehmen“, so Löfven bei der Bekanntgabe Ende November. Die Maßnahmen zeigten Wirkung: Vergangene Woche kamen 500 Flüchtlinge nach Schweden, zu Spitzenzeiten waren es 10.000.
Schwedens Politik konzentriert sich nun auf die Integration der Menschen, die bisher ins Land gekommen sind, wenn auch mit unterschiedlichen Ansätzen. So gibt es Pläne, den Mindestlohn zu senken, die Sozialisten und auch die größte konservative Partei, Moderaterna, setzen aber vor allem auf Sprachkenntnisse und wollen, dass Neuankommende möglichst schnell Schwedisch lernen.
Löfven will „schwedisches Modell“ verteidigen
Bei einer Konferenz seiner Partei pochte Löfven Mitte März darauf, dass das Land das „schwedische Modell verteidigen“ müsse. Die schwedische Gesellschaft drohe auseinanderzudriften, es gebe immer mehr Unterschiede zwischen Menschen mit geringer Bildung und gut Gebildeten, zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt- und Landbewohnern.
Schweden müsse sich nun darauf konzentrieren, dass jeder Arbeit habe, das bedeutete Investitionen in Infrastruktur und Bildung, so Löfven weiter. Zudem müssten Ressourcen fair verteilt werden, damit nicht nur einige wenige von Gewinnen profitieren würden. An dritter Stelle komme ein sicheres Wohlfahrtssystem, dazu setze die Regierung auch auf Steigerung der Beschäftigtenzahlen statt weniger Gehalt. Löfven will zudem die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften sowie die freie Marktwirtschaft stärken.
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