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Bericht untermauert Einschätzung

Libyen ist seit dem Sturz des Langzeitdiktators Muammar al-Gaddafi ein Land im Chaos. Das Machtvakuum, das rivalisierende Gruppen hinterlassen, ermöglichte es der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in dem Staat Fuß zu fassen. Es gibt unterschiedliche Schätzungen dazu, wie präsent der IS mittlerweile in dem nordafrikanischen Land ist.

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Die Angst im Westen ist aber groß, dass sich der islamistische Terror von Libyen aus über die Landesgrenzen hinweg in der Region ausbreitet. Ganz so schnell, wie der IS in Syrien und dem Irak wuchs, werde ihm das in Libyen aber nicht gelingen, sagte der Oberbefehlshaber des US-Afrikakommandos, David Rodriguez, am Donnerstag in Washington.

Rekrutierung für IS schwieriger

Den IS-Kämpfern gelinge es nicht, so rasch Geländegewinne zu erzielen. In Libyen herrschten „bedeutend andere Bedingungen“, sagte Rodriguez. Dort habe der IS nicht genügend einheimische Kämpfer, die das Land gut kennen würden. Zudem schätzten die einheimischen Milizen keine Einmischung von außen. Das Land wird von zahlreichen bewaffneten Milizen beherrscht.

Oberbefehlshaber des US-Afrika-Kommandos, David Rodriguez

picturedesk.com/Rex Features

Rodriguez schließt nicht aus, dass sich die USA stärker militärisch einbringen

Dennoch habe sich die Zahl der IS-Kämpfer in Libyen binnen gut eines Jahres verdoppelt. Derzeit seien schätzungsweise zwischen 4.000 und 6.000 IS-Kämpfer in dem nordafrikanischen Land aktiv, sagte Rodriguez. Das seien gut doppelt so viele wie noch vor zwölf bis 18 Monaten, sagte der General. Französische Schätzungen gehen hingegen von weit mehr IS-Dschihadisten aus - bis zu 12.000 sollen es mittlerweile sein.

Größeres Land, viel weniger Kämpfer

Das vom US-Militär geführte Combating Terrorism Center (CTC) veröffentlichte Mitte März eine Analyse von Geoff D. Porter, dem Leiter des Instituts North Africa Risk Consulting, wonach sich der IS-Vormarsch in Libyen einbremste. Als Beispiele dafür nannte er Rückschläge in Darna, Bengasi und Sabrata. Die Anzahl der Kämpfer ist deutlich kleiner als jene im Irak und Syrien (die CIA schätzte diese 2014 auf 20.000 bis 31.500) - und das, obwohl das Land viermal so groß ist wie der Irak. Ohne zusätzliche Kämpfer könnte eine Ausbreitung deshalb schwierig werden.

Der Großteil der IS-Kämpfer in Libyen sind Nicht-Libyer. Sie stammen hauptsächlich aus Tunesien, Algerien, dem Tschad, Ägypten, Marokko und anderen Sahara-Anrainerländern. „Foreign Fighters“, also Europäer, die in den IS-Kampf ziehen, spielen dort noch eine weit geringere Rolle als etwa in Syrien. In dem CTC-Artikel ist die Rede von mehreren Dutzend Männern und Frauen, während in Syrien Tausende europäische Rekruten in den Dschihad zogen. In Libyen versuche der IS außerdem, Kämpfer aus Subsahara-Afrika anzuwerben, was ein mögliches Indiz dafür sei, dass die Rekrutierung nicht so gut vonstattengehe wie geplant.

Kampfgebiet Wüste

Die größte Herausforderung für die Terrormiliz sei die Geografie Libyens, nämlich die enorme Größe des Landes sowie die weiträumige Wüstenfläche. Diese sei zwar leicht zu erobern, aber biete wenig Schutz und sei deshalb nicht einfach zu halten, heißt es im CTC-Bericht. Gerade im Süden des Landes, wo sich mehrere der größeren Ölfelder befinden, sei das ein wichtiges Thema. Mehr, als diese von Zeit zu Zeit anzugreifen, sei schwierig.

Sirte in IS-Hand

Das ölreiche Land gilt mittlerweile als Rückzugsort für IS-Kämpfer aus Syrien und dem Irak, die den dortigen Luftangriffen entgehen wollen. Die Terrormiliz kontrolliert unter anderem einen Küstenstreifen um Sirte. Auch im Norden des Landes wurden Gebiete erobert. Der IS versucht außerdem eine Expansion zu Ölfördergebieten im Süden. Laut dem CTC-Artikel hat der IS in Libyen knapp 12.000 Quadratkilometer unter seiner Kontrolle und übt Macht auf rund 110.000 Menschen aus.

Als „Staat“ auch in Irak und Syrien vor Scheitern?

Der deutsche Friedensforscher Harald Müller sagte kürzlich, dass der IS wohl auch die von ihm eroberten Gebiete in Syrien und im Irak nicht halten können werde. Aufgrund der wachsenden Gegenwehr und der sinkenden Öleinnahmen werde es den IS als territoriales Gebiet in etwa drei Jahren nicht mehr geben. „Es haben nicht nur die Luftangriffe das Ihre getan, sondern auch die Entwicklung der Ölpreise, das ist natürlich ein böser Schlag“, sagte Müller mit Blick auf die Haupteinnahmequelle.

In Libyen ringt aktuell eine von der UNO unterstützte nationale Einheitsregierung um Anerkennung, während es schon seit Längerem Spekulation über eine internationale Militärintervention gegen den IS in Libyen gibt. Die USA hatten im Februar ein Trainingslager der Miliz bombardiert. Rodriguez schloss am Donnerstag weitere Luftangriffe nicht aus.

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