„Machtpolitisches Kalkül“
Schon mehrfach ist über einen Wechsel von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nach Niederösterreich spekuliert worden, dass er aber nur zwei Wochen vor der Bundespräsidentschaftswahl vollzogen wird, verwundert Beobachter und Kommentatoren. Die Mutmaßungen über die Gründe und Auswirkungen sind vielschichtig.
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Einig sind sich die Kommentatoren, dass Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll mit dem Schritt erneut gezeigt hat, wer in der ÖVP das Sagen hat. Die Nachfolge Prölls sei „wichtiger als die Bundespräsidentenwahl oder die Bestellung des richtigen Innenministers“, schreibt dazu etwa die „Presse“ (Sonntag-Ausgabe) unter dem Titel „Landhaus of Cards“.

APA/Hans Klaus Techt
Wolfgang Sobotka, Johanna Mikl-Leitner und Erwin Pröll samt Ehefrau Elisabeth nach der niederösterreichischen Landtagswahl im März 2013
In den „Salzburger Nachrichten“ (Onlineausgabe) heißt, Minister werde, „wen der niederösterreichische Landeshauptmann mit einem würdigen Job versorgen“ wolle. Für den „Standard“ (Onlineausgabe) zeigt der Wechsel, dass in der ÖVP Pröll die „wichtigen Entscheidungen“ treffe und das nach „machtpolitischem Kalkül" und nicht nach sachpolitischer Dringlichkeit“.
Bessere Kandidaten für Wechsel
Der Zeitpunkt für den Wechsel sei ungewöhnlich, sind sich die Kommentatoren ebenfalls einig. Üblicherweise gebe es nach einer Wahl Personalrochaden, aber nicht vorher. Es gebe auch „bessere Kandidaten“ für einen Wechsel in der ÖVP-Regierungsmannschaft, so die „Salzburger Nachrichten“ weiter, die die Innenministerin als „raubeinig“, aber effizient beschreiben.
Politikwissenschaftler Filzmaier zu den ÖVP-Rochaden
Für den Politikwissenschaftler Peter Filzmaier nützt die Rochade vor allem der ÖVP Niederösterreich, die frühzeitig einen Nachfolger für Erwin Pröll aufbauen müsse.
Auch für den „Standard“ war Mikl-Leitner zwar angezählt, zuletzt habe sie gemeinsam mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) aber wieder „Trittsicherheit“ gewonnen und „Politik gemacht“. Der Wechsel sei aus bundespolitischer Sicht „nicht nachvollziehbar“. Laut „Presse“ soll sich Mikl-Leitner als Vizelandeschefin Niederösterreichs für die Nachfolge Prölls „langsam einüben“.
Sobotka mit Ministerposten „ruhig gestellt“
Mikl-Leitners Nachfolger, Wolfgang Sobotka, bisher Landesrat für Finanzen, Wohnbau und Arbeit in Niederösterreich und Pröll-Stellvertreter, wird von den Kommentatoren aus verschiedenen Gründen mit leichtem Argwohn betrachtet. Sobotka habe sich „nicht ausschließlich durch übergroße Kompetenz“ ausgezeichnet, so die „Salzburger Nachrichten“. Für den „Standard“ ist auch fraglich, ob Sobotka und Doskozil sich ähnlich gut verstehen werden wie Mikl-Leitner und der SPÖ-Minister.
Khol wird „Scheinwerferlicht entzogen“
Mit dem Wechsel werde dem ÖVP-Kandidaten für die Hofburg-Wahl, Andreas Khol, das Scheinwerferlicht entzogen - Pröll schaffe Fakten, bevor das Wahlergebnis sich auswirke, analysiert ZIB-Redakteur Wolfang Geier.
Die „Presse“ sieht überhaupt ein mögliches „Unterhaltungsprogramm“ für die SPÖ-Minister und verweist auf die „Rempeleien“ von Sobotka und seinem „Intimfeind“ ÖVP-Finanzminister Hans-Jörg Schelling. Sobotka sei mit dem Ministerposten grundsätzlich „ruhig gestellt“ worden, so die „Presse“ weiter. Er habe eigentlich selbst die Nachfolge Prölls antreten wollen und zum Jahreswechsel bereits den Wechsel von Mikl-Leitner nach St. Pölten verhindert - und damit laut „Presse“ auch die Kandidatur Prölls bei der Hofburg-Wahl.
Von einem Zerwürfnis zwischen Pröll und Sobotka im Zuge der Debatte über die Nachfolge Prölls schreiben auch die „Oberösterreichischen Nachrichten“. Diese sei so weit gegangen, dass die beiden Politiker „nur mehr das Notwendigste“ miteinander geredet hätten. Die „Presse“ rechnet damit, dass Sobotka ein „harter und resolute“ Innenminister wird, die „Oberösterreichischen Nachrichten“ sehen ihn ob seines „kantigen Wesens“ für den Job als durchaus geeignet.
Hofburg-Wahl als Hintergrund?
Hinterfragt wird auch, wie der plötzliche Wechsel mit der Hofburg-Wahl zusammenhängt - und welche Weichenstellung damit vor einem möglichen schlechten Abschneiden des ÖVP-Kandidaten Andreas Khol gemacht wird, der in den Umfragen derzeit deutlich zurückliegt. „Ist der ÖVP-Wahlkampf nur unterbrochen oder ganz aufgegeben?“, fragt etwa die „Presse“ provokativ, und weiter: „Darf einfach kein Schwarzer auch nur in die Nähe einer Stichwahl kommen, wenn es Pröll nicht gegönnt war?“
Weitere Personalrochaden sind laut Beobachtern in naher Zukunft nicht ausgeschlossen - würden doch beide Regierungsparteien mit ihren Kandidaten Khol und Rudolf Hundstorfer (SPÖ) auf „schwere Niederlagen“ zusteuern, so die „Oberösterreichischen Nachrichten“.
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