Netzwerk sichert Einfluss und Vermögen
Spekulationen über den Reichtum des russischen Präsidenten Wladimir Putin hat es immer wieder gegeben: Eine gigantische Jacht soll er besitzen, einen Luxuspalast und geheime Offshore-Gesellschaften. Die Enthüllungen der Panama-Papers enthalten zwar keine genauen Angaben, wie groß Putins Vermögen tatsächlich ist.
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Doch die geleakten Daten der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca (Mossfon) geben Aufschluss darüber, mit welchen Strukturen Putins Günstlinge ihr Business führten und geheimes Vermögen versteckten und bewegten. Die Dokumente, die vom Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) und der „Süddeutschen Zeitung“ aufgearbeitet wurden, lassen auf ein geheimes Netzwerk von Putin-Vertrauten in Wirtschaft, Politik und Kultur schließen, das auf Loyalität und langer Freundschaft baut.
Mancher Kontakt reicht bis in die Kindheit, viel in Putins Zeit in Leningrad (ab 1991 St. Petersburg) zurück. So lässt sich auch erklären, dass der Cellist und Dirigent Sergej Roldugin, langjähriger Freund Putins und Pate von dessen ältester Tochter, in den Mossfon-Dokumenten mehrfach als Eigentümer von Offshore-Gesellschaften aufscheint.
Putins Freundesnetzwerk
Die Panama-Papers können internationale Staatsmänner unter Druck bringen, so auch Russlands Präsidenten Wladimir Putin, der laut den Dokumenten mit Freunden ein undurchsichtiges Finanznetzwerk aufgebaut haben soll.
Cellist und Offshore-Unternehmer
Mossfon registrierte Roldugins Firmen und half bei ihrer Verwaltung auf den Britischen Jungferninseln und in anderen Offshore-Zentren. Die Roldugin-Gesellschaften haben den Panama-Papers zufolge Zahlungen in Höhe von mehreren Millionen Dollar von anderen Unternehmen erhalten. Eine von Roldugins Firmen sicherte sich zudem Einfluss bei einem russischen Hersteller von Militär-Lkws – laut Mossfon-Dokumenten indirekt für einen Vertrauten Putins. Eine andere Firma soll große Beteiligungen an russischen Medien bekommen haben.

AP/RIA-Novosti/Dmitry Astakhov
Der Cellist Sergej Roldugin (l. hinten) gilt als enger Freund Putins
Er sei sicher kein Geschäftsmann, versicherte der Musiker Roldugin in einem „New York Times“-Interview 2014: „Ich habe keine Millionen.“ Es ist gut möglich, dass Roldugin nur als Strohmann für das Netzwerk von Putin-Vertrauten fungiert und wahrscheinlich auch für Putin selbst. In den Panama-Papers sind Anhaltspunkte dafür zu finden. In jedem der Finanzgeschäfte drängen Geld und Macht in Richtung des Netzwerks an Putin-Vertrauten.
Roldugin nicht „politisch exponiert“
Roldugin hatte ein Konto unter anderem in der Schweiz. Selbst dort muss von den Banken geprüft werden, ob man Politiker ist oder mit einem in Verbindung steht. Diese Personen, im Fachjargon „politisch exponierte Person“ (PEP) genannt, unterliegen etwa in Bezug auf Geldwäsche strengeren Anforderungen. Mossfon und Schweizer Banken ignorierten offenbar die engen Beziehungen zwischen Putin und Roldugin. Mossfon versicherte gegenüber dem ICIJ, dass es „ordnungsgemäß Methoden und Verfahren etabliert“ habe, um Fälle, in denen Politiker involviert seien, zu identifizieren und damit umzugehen.
Roldugin wurde auf seinen Fall vor wenigen Tagen nach einem Konzert in Moskau angesprochen. Auf detaillierte ICIJ-Fragen antwortete Roldugin nicht. Er brauche mehr Zeit, die Fragen zu überprüfen und festzulegen, was er sagen könnte.
Putin „braucht keinen schriftlichen Vertrag“
In keinem der Mossfon-Dokumente gibt es einen direkten Hinweis auf den Namen Putins. Augenzeugen zufolge verwenden selbst seine Vertrauten Pseudonyme für ihn. Es ist allerdings unvorstellbar, dass dieses Netzwerk ohne das Wissen und die Unterstützung Putins agieren kann, wie die US-Politologin und Putin-Kennerin Karen Dawisha sagt: „Er nimmt, was er will. Als Präsident von Russland braucht man keinen schriftlichen Vertrag. Man ist das Gesetz.“
Nach Veröffentlichung der Panama-Papers sprach Moskau von einer Propaganda des Westens. Im Parlament in Moskau sagte die Vorsitzende des Sicherheitsausschusses, Irina Jarowaja, es gebe eine Vielzahl von Informationsattacken gegen den russischen Präsidenten. „Das ist eine von vielen Giftinjektionen in der Hoffnung, dass die Dosis irgendwann anschlägt“, sagte sie am Montag der Agentur TASS zufolge. Kreml-Sprecher Dimitri Peskow zog eine Verbindung zur russischen Innenpolitik. „Für uns ist die Tatsache klar, dass unser Präsident das Ziel dieser Vorwürfe war und ist, vor allem vor der kommenden Parlamentswahl, aber auch langfristig, ich meine vor der Präsidentenwahl in zwei Jahren“, sagte der Kreml-Sprecher der Agentur Interfax zufolge.
„Das ist Blödsinn“
Der Vorstandschef der staatlichen russischen Bank VTB, Andrej Kostin, betonte in einem Bloomberg-Interview: „Putin hatte nie etwas damit zu tun. Das ist Blödsinn.“ Er wies den Vorwurf zurück, sein Geldhaus habe in dem Zusammenhang ungesicherte Kredite vergeben. Die russischen Zeitungen „Wedomosti“ und „Nowaja Gaseta“, die an den Recherchen beteiligt waren, berichteten allerdings ausführlich über russische Verbindungen in den Panama-Papers.
Schon zuvor sprach Peskow öffentlich von einer „Attacke“ und einer „Serie von Lügen“, als der Kreml im Zuge der ICIJ-Recherchen mit den Ergebnissen konfrontiert worden war. Russland habe national und international eine Fülle an Rechtsmitteln, „um die Ehre und Würde unseres Präsidenten zu schützen“. Die angesprochenen Causen beträfen Offshore-Gesellschaften und „eine große Zahl von Geschäftsleuten, die Putin niemals in seinem Leben sah“, so Peskow.
Geschäfte mit Kindheitsfreunden
Diese Aussage ist kaum nachvollziehbar, kennt Putin doch manche aus seinem Netzwerk seit seiner Kindheit, wie den früheren Judotrainer Arkady Rotenberg. Dieser wurde – mit Unterstützung Putins - über staatlich unterstützte Bauprojekte und Ölpipelines zum Milliardär. So bekamen Rotenbergs Unternehmen 2013 aus einem 40-Milliarden-Dollar-Projekt lukrative Aufträge für den Bau einer Gaspipeline. Zur selben Zeit sollen von Rotenberg kontrollierte Unternehmen hohe Zahlungen an Putins Netzwerk getätigt haben, wie die Panama-Papers zeigen.

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Rotenberg (vorne r.) erhielt von der russischen Regierung lukrative Aufträge
Kredite von Rotenberg-Firmen in der Höhe von mehr als 231 Millionen Dollar gingen demnach direkt zu einer auf den britischen Jungferninseln gemeldeten Offshore-Gesellschaft, die von einem Bank-Rossija-Mitarbeiter gegründet worden war. Einen konkreten Zeitplan für die Rückzahlung dieses Darlehens gab es aber nicht. Die ICIJ-Recherchen lassen hier Schlüsse auf versteckte Geschäfte zwischen Putin und seinen alten Freunden zu. Rotenberg gab keine Stellungnahme dazu ab.
Die St. Petersburger Bank Rossija ist überhaupt der Dreh- und Angelpunkt in dem Netzwerk an Putin-Vertrauten. In den 90er Jahren wurde der Grundstein dafür gelegt, heute genießt sie das persönliche Vertrauen Putins. Unter seiner Präsidentschaft wuchs der Einfluss der Bank etwa auch in der Medienbranche. Rossija wurde der Schalthebel in den Geschäften von Putins Umfeld. Über das Institut liefen zahlreiche Offshore-Geschäfte. Die Mitarbeiter der Bank unterstützten die Gründungen von Offshore-Gesellschaften und kümmerten sich um die Transaktionen über Banken in Russland, Zypern und die Schweiz. Die Bank wollte nicht auf detaillierte Fragen zu ihrer Rolle antworten.
Geldbörse für russische Elite?
Als Schleuse für das Verschieben von Geldern galt bis zu ihrer Stilllegung 2013 die Firma Sandalwood Continental Limited. In den Panama-Papers tauchen immer wieder Dokumente auf, dass Sandalwood mehrere Kredite in der Höhe von Hunderten Millionen Dollar bei der Russian Commercial Bank (RCB) in Zypern aufnahm. Für eine Bank waren das eher ungewöhnliche Deals, fehlten doch die Sicherheiten und meist auch die Vereinbarungen zur Rückzahlung des Kredits auf Raten. Vielmehr gab es vage Versprechen, dass der gesamte Betrag nach einer bestimmten Zeitspanne zurückbezahlt werde.
Der RCB-Sprecher Michael Maratheftis dementierte auf ICIJ-Fragen die Vorwürfe, dass sich die russische Elite bei der Russian Commercial Bank bedient habe: „Die Annahme, dass die RCB Bank Ltd eine ‚Geldbörse‘ für hochrangige russische Funktionäre ist, ist völlig unbegründet und deckt sich nicht mit der tatsächlichen Lage.“ Die Bank befolge Antigeldwäscheregelungen.
„Ich glaube, das ist heikel“
Sandalwood jedenfalls griff Dutzenden Unternehmen in Putins Umfeld finanziell unter die Arme. Mossfon reagierte nur in einem Fall nervös: Das zypriotische Unternehmen Horwich Trading sollte einen Kredit in Höhe von 103 Mio. Dollar von Sandalwood bekommen. Ein Manager der Bank Rossija, der die Transaktion führte, ersuchte Mossfon im Auftrag von Sandalwood, das Kreditabkommen zu unterzeichnen.
Hier zeigte sich Mossfon allerdings ungewöhnlich beunruhigt. „Ich glaube, das ist heikel“, mischte sich sogar Mossfon-Mitgründer Jürgen Mossack in den Fall ein. Er befürchtete Zahlungen „von fragwürdiger Herkunft und Zweck“. Eine Absicherung von der Bank Rossija und zumindest ein Rückzahlungsplan für den Kredit besänftigten Mossfon schlussendlich. Der Deal wurde akzeptiert. Basierend auf den Mossfon-Daten gehen das ICIJ und seine Medienpartner davon aus, dass zwischen 2008 und 2013 rund zwei Milliarden Dollar durch das Netzwerk geflossen sind – vorrangig über Sandalwood.
Jake Bernstein, Petra Blum, Oliver Zihlmann und David Thompson; ICIJ
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