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Kunst der Geheimhaltung

Ob im Fall eines unter NS-Raubkunstverdacht stehenden Modigliani, bei der Suche nach der Kunstsammlung einer griechischen Reedereifamilie oder zu offenen Fragen rund um eine als bahnbrechend eingestufte Picasso-Auktion: Die laufende Aufarbeitung der Panama-Papers sorgt auch in der lukrativen Welt des Kunsthandels für reichlich neue Erkenntnisse.

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Das Datenleck bei der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca Group (Mossfon) zeigt deutlich, dass sich Kunsthändler und ihre Kunden in einem undurchsichtigen Netz aus Briefkastenfirmen bewegen. Wie Recherchen des Internationalen Konsortiums investigativer Journalisten (ICIJ), bei dem in Österreich der ORF und der „Falter“ beteiligt sind, zudem belegen, hat die in der Offshore-Finanzindustrie praktizierte Kunst der Geheimhaltung und Verschleierung auch im milliardenschweren Geschäft mit Picassos, Van Goghs, Rembrandts, Warhols und Co. schon lange Tradition.

Ganz-Auktion in neuem Licht

Auf der Suche nach Hinweisen zu fraglichen Kunstdeals stieß ICIJ-Journalist Jake Bernstein etwa auf eine 1997 vielbeachtete Picasso-Versteigerung in New York. Die von Victor und Sally Ganz stammende Sammlung wurde vom Auktionshaus Christies damals um rekordverdächtige 206,5 Millionen Dollar (181,4 Mio. Euro) verkauft und gilt seitdem als Meilenstein im bis heute anhaltenden Boom auf dem internationalen Kunstmarkt.

Regierungssitz von Niue

AP/Nick Perry

Der Regierungssitz der im Südpazifik gelegenen Insel Niue

Wie die Panama-Papers nun zeigen, wurde die Sammlung von der Ganz-Familie nicht direkt verkauft - als Drehscheibe fungierte vielmehr eine kleine Pazifikinsel namens Niue und die bei Mossack Fonseca dort registrierte Simsbury International Corp. Diese übernahm bereits im Mai 1997 um 168 Mio. Dollar die Ganz-Gemälde. Als Verkäufer erscheint den geleakten Dokumenten zufolge das später von Christie übernommene Londoner Auktionshaus Spink & Son.

Panamas International Art Center

Die genauen Hintergründe des Deals gilt es noch zu klären, bei der Ganz-Auktion zugeschlagen hat indes mit David Nahmad auch ein Mitglied einer als Kunsthandelsdynastie bekannten und nun ebenfalls in den Panama-Papers auftauchenden Familie. Von Interesse erscheint aber weniger die in New York gekaufte Version H von Picassos „Frauen in Algier“, in den Dokumente findet sich vielmehr eine Spur zu Amedeo Clemente Modiglianis „Sitzender Mann mit Stock“ - und damit einem weit heikleren Gemälde.

Das mit Raubkunstverdacht behaftete Bild steht im Zentrum eines seit Jahren ausgetragenen Rechtsstreits. Während der Enkel des 1939 vor den Nazis aus Paris geflüchteten Kunsthändlers Oscar Stettiner, Philippe Maestracci, die Rückgabe des auf 25 Millionen Dollar geschätzten Bildes fordert, wurde von den Nahmads dementiert, dieses überhaupt zu besitzen. Verwiesen wurde einem Gerichtsakt zufolge auf das International Art Center (IAC) und damit - wie die Panama-Papers zeigen - ein von den Nahmads kontrolliertes und von Mossack Fonseca in Panama registriertes Offshore-Unternehmen.

Karte zeigt Niue im Pazifischen Ozean

Map Resources/ORF.at

Richard Golub, der Rechtsanwalt der Nahmads, wollte von einer bewussten Verschleierung der Besitzverhältnisse dennoch nichts wissen. „Wer IAC besitzt, ist irrelevant“, sagte der von Bernstein zum Fall Maestracci befragte Golub. Ausständig sei vielmehr ein Beweis, dass der Modigliani überhaupt von Maestraccis Großvater gestohlen wurde.

Auch Picassos Enkelin in Panama-Papers

Offshore abgewickelte Kunsttransaktionen spielen abseits davon aber nicht nur bei den Nahmads eine offenbar gewichtige Rolle. In den Panama-Papers tauchten mit Thyssen-Bornemisza, dem chinesichen Milliardär Whang Zhongjun und Picasso-Enkelin Marina Ruiz-Picasso vielmehr auch andere prominente Kunstsammler auf.

Während Brojia Thyssen die Existenz einer - laut eigenen Aussagen auch den spanischen Steuerbehörden bekannten - Offshore-Firma bestätigte, ist eine Antwort von Zhongjun noch ausständig. Ruiz-Picasso wollte die ICIJ-Erkenntnisse nicht kommentieren.

Über Offshore-Firmen abgeschlossene Geschäfte bestätigte indes auch ein Vertreter des Schweizer Kunsthändlers Yves Bouvier. In den Panama-Papers finden sich gleich fünf Firmen mit Verbindung zu dem auch als „König der Freeports“ bekannten Bouvier. Zollfreilager sind von den Reichen der Welt für ihre Kunstwerke genutzte, meist in der Transitzone internationaler Flughafen gelegene Hochsicherheitswarenlager. Bouvier ist in diesem Geschäft ein zentraler Spieler und neben Genf auch in Luxemburg, Singapur und Peking aktiv.

„Mini-Louvre“ auf Tortola

Für Schlagzeilen sorgte der Kunstberater zuletzt mit einem in Monaco, Paris, Hongkong und Singapur mit seinem einstigen Klienten Dimitri Rybolowlew ausgetragenen Rechtsstreit. Hinweise zu der milliardenschweren Causa gibt es in den Panama-Papers keine - so wie Bouvier nutze aber offenbar auch Rybolowlew die Dienste von Mossack Fonseca. Zu den mit dem russischen Oligarchen in Verbindung gebrachten zwei Offshore-Firmen gab es gegenüber dem ICIJ keinen Kommentar.

ICIJ-Journalist Will Fitzgibbon berichtete zuvor von einem auf Xitrans Finance Ltd. getauften Briefkasten auf der zu den Britischen Jungferninseln zählenden Tortola. „Gefüllt“ mit Bildern von Picasso, Modigliani, Van Gogh, Monet, Degas und Rothko sowie einer umfangreichen Sammlung von Möbeln aus der Zeit Ludwigs XVI. kam dieser nicht nur einem „Mini-Louvre“ gleich - die Kunstwerke befanden sich dank der Transaktion in die von Mossack Fonseca registrierten Firma auch außerhalb der Reichweite von Rybolowlews Frau, so Fitzgibbon, der damit auch einen Zusammenhang zu Rybolowlews teurer Scheidung ortet.

Der vor Schweizer Gerichten ausgefochtene Scheidungskrieg gilt seit dem Vorjahr beendet. Ob Rybolowlew auch die von einem Schweizer Gericht mit umgerechnet 518 Millionen Euro bezifferten Ansprüche seiner Frau bezahlte, ist bisher nicht bekannt.

Als „vertraulich“ deklarierter Picasso

Lange wurde sogar die Summe von über drei Milliarden Euro gefordert. Und eine solche findet sich auch bei einem gänzlich anderen Fall. Die Panama-Papers werfen nämlich auch ein neues Licht auf die mysteriösen Wege der milliardenschweren Sammlung des griechischen Schiffstycoon Basil Goulandris.

Der mit dem Causa betraute Galerist Ezra Chowaiki bezeichnete die 83 vermissten Meisterwerke des 1994 verstorbenen Reeders gegenüber ICIJ als möglicherweise „größte Sammlung vermisster Kunstwerke der Welt“. Hinweise auf den Verkauf einzelner Werke finden sich nun auch in den Panama-Papers. Genannt wird etwa eine 20 Millionen Dollar und als „vertraulich“ deklarierte Verkaufszusage für eines von Picassos „Stillleben mit Orangen“.

Die Goulandris-Sammlung umfasste Werke von Pablo Picasso, Georges Braques, Paul Cezannes, Edgar Degas, Alberto Giacometti, Francis Bacon, Wassily Kandinsky, Vincent van Gogh, Paul Klee, Jackson Pollock, Auguste Rodin und Joan Miro. Das verschollene Konvolut stellt die Schweizer Justiz seit Jahren vor ein Rätsel. Es wird vermutet, dass die einst in Lausanne gelagerten Bilder und Skulpturen - von Goulandris und seiner im Jahr 2000 gestorbenen Ehefrau Elise immer wieder in einem als Sommerresidenz dienenden Gstaader Chalet ausgestellt - die Schweiz zumindest teilweise schon lange verlassen haben.

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