Themenüberblick

Nervosität nach Steuerstreit mit USA

Die Vorwürfe der USA gegenüber zahlreichen Schweizer Banken, in Steuerhinterziehung und Geldwäsche involviert gewesen zu sein, hat in den vergangenen Monaten und Jahren für viele Vergleiche mit Banken gesorgt, die sich mit hohen Zahlungen von US-Strafverfolgung freigekauft haben.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die geleakten Panama-Papers geben nun Einblick in eine völlig neue Dimension, wie große internationale Banken Superreichen, Politikern und Kriminellen helfen, ihre Vermögen zu verstecken. Die Dokumente, die der „Süddeutschen Zeitung“ zugespielt wurden und vom Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) und seinen Medienpartnern, darunter der ORF und der „Falter“, aufgearbeitet wurden, zeigen, dass über 500 Banken und deren Niederlassungen und Filialen fast 15.600 Offshore-Gesellschaften registrierten.

Der größte Teil der Gesellschaften entstand seit den 90er Jahren. Viele dieser Firmen wurden für rechtmäßige Zwecke gegründet, doch einige wurden offenbar dazu verwendet, skrupellose oder kriminelle Aktivitäten zu tarnen. In den Daten wurden Verwicklungen etwa der Schweizer Credit Suisse, der französischen Societe Generale und der deutschen Commerzbank gefunden. Besonders aktiv in diesem Business waren aber die Schweizer UBS und die britische HSBC, wie die Dokumente der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca (Mossfon) zeigen. Die UBS verantwortet laut Panama-Papers die Registrierung von 1.100 Offshore-Firmen, die HSBC mit 2.300 sogar mehr als doppelt so viele.

UBS vs. Mossfon

Am Beispiel der Beziehungen von Mossfon und UBS zeigt sich, wie das System funktionierte. UBS-Kunden, die Offshore-Gesellschaften gründen wollten, um ihr Vermögen im Verborgenen zu halten, wurden von Mossfon unterstützt. Das ging so über mehrere Jahre. Ins Wanken geriet diese Beziehung, als der Druck aus den USA im Steuerstreit zu groß wurde. 2010 wurde ein Vergleich geschlossen.

Als Konsequenz versuchte die UBS, sich aus dem Offshore-Geschäft zurückziehen – auf dem Rücken von Mossfon. Darüber geben die Panama-Papers Aufschluss. Denn die UBS beteuerte bei einem gemeinsamen Treffen mit Vertretern von Mossfon im September 2010, dass nicht sie selbst, sondern Mossfon verantwortlich gewesen sei, die Eigentümer der Offshore-Gesellschaften zu identifizieren.

MF Office in Panama

Ali Russell/ABC Four Corners

Das Headquarter von Mossfon in Panama City

Die Anwaltskanzlei zeigte sich empört. Sie habe selbst nicht gewusst, wer hinter den für UBS-Kunden gegründeten Firmen stecke, da die Bank Informationen zurückgehalten habe. Die UBS schoss mit dem Vorwurf zurück, dass Mossfon die Schweizer Geldwäschevorschriften verletzt habe, und drohte sogar, die Anwaltskanzlei bei den Behörden zu melden. Mossfon zeigte sich verärgert: „UBS hat sich aufgrund der Probleme völlig verändert. Jetzt reagieren sie empörend“, ist in einem Dokument von Panama-Papers zu lesen.

Bank ging auf Distanz

Nach einigen Verhandlungen schlossen die beiden Unternehmen allerdings einen Deal, der für beide Seiten passte: Mossfon sollte den direkten Kontakt zu den Eigentümern der Offshore-Gesellschaften halten, um UBS mehr Distanz zu ermöglichen. Die Kunden sollten zudem ihre UBS-Konten behalten. Entscheidend war, dass Mossfon offenbar eine weniger strenge Prüfung der Kunden akzeptierte.

Denn eigentlich braucht die panamaische Firma Banken, um vor der Registrierung einer Firma den potenziellen Eigentümer zu überprüfen, etwa seine Identität, und die Bestätigung, dass der Kunde nicht in kriminelle Aktivitäten involviert ist. Ähnliche Vereinbarungen traf Mossfon auch mit anderen Banken wie Credit Suisse und HSBC.

In einer Stellungnahme gab Mossfon an, alle neuen und potenziellen Kunden einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen, die „in ihrer Strenge oft bestehende Regeln und Standards, an die wir und andere gebunden sind, überschreitet“. Zahlreiche Kunden kämen über etablierte und angesehene internationale Anwaltsfirmen und Finanzinstitutionen, darunter auch große Banken, die ebenfalls an diese Regeln gebunden seien.

Credit Suisse: Helfen nicht bei Steuerhinterziehung

Auch die Credit Suisse wies die Vorwürfe zurück, wonach sie Kunden mit solchen Vehikeln aktiv bei der Steuerhinterziehung geholfen haben soll. Man sei nur auf gesetzeskonforme Vermögen aus, sagte Konzernchef Tidjane Thiam. „Als Unternehmen, als Bank fördern wir den Einsatz von Strukturen nur, wenn ein legitimer wirtschaftlicher Zweck vorliegt“, so Thiam.

Er räumte ein, dass Credit Suisse Finanzkonstrukte einsetze, aber nur bei reichen Kunden mit Vermögenswerten in mehreren Rechtsräumen. Die Bank helfe nicht bei Steuerhinterziehung und bestehe darauf, die wirtschaftlich berechtigten Personen hinter den Vehikeln zu kennen.

Lasche Prüfung?

Im Fall der französischen Societe Generale verzichtete Mossfon Panama-Papers zufolge aber ebenfalls auf eine allzu genaue Überprüfung. Die Anwaltskanzlei akzeptierte die Weigerung der Bank, Mossfon über die tatsächlichen Eigentümer von Inhaberaktien von Unternehmen zu informieren, die die Societe Generale auf den Britischen Jungferninseln für ihre Kunden gekauft hatte. Solche inzwischen umstrittenen Inhaberaktien müssen nicht auf konkrete Namen laufen und ermöglichen noch mehr Anonymität. Mossfon gründete den Dokumenten zufolge zusätzlich sogar zwei Stiftungen, die als weitere Gesellschafter bei Societe-Generale-Firmen aufschienen und dadurch die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse noch weiter verschleierten.

Rami Makhlouf

AP

Geschäfte mit dem syrischen Milliardär Rami Machluf

Die Societe Generale betonte in ihrer Stellungnahme, dass Inhaberaktien auch aus legitimen Gründen der Vertraulichkeit, etwa zum Schutz einer bekannten Familie, verwendet würden. Die Bank habe jedenfalls keine Prüfungsanforderungen umgangen und auch Mossfon nicht gebeten, das zu tun. Auch die Credit Suisse verwies in ihrer Reaktion auf die ICIJ-Anfragen darauf, dass sie bereits seit 2013 ein Programm implementiere, das von Privatkunden einen Nachweis verlange, die geltenden Steuergesetze einzuhalten. Von der Commerzbank gab es bisher keine Stellungnahme.

Syrischer Milliardär verursacht Zweifel

Zu den UBS-Mossfon-Kunden gehören etwa Mohammed bin Najef bin Abdulasis Al Saud, erster Kronprinz von Saudi-Arabien, und der wegen Betrugs verurteilte brasilianische Banker Roberto Videira Brandao. Die HSBC wiederum zählte den Milliardär Rami Machluf, ein Vertrauter des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und einer der reichsten Geschäftsleute Syriens, zu ihren Kunden. Mossfon hatte schon 1996 Offshore-Gesellschaften für Machluf registriert – mit Konten bei der HSBC.

Als der Bürgerkrieg in Syrien Anfang 2011 zu eskalieren drohte, meinte Mossfon, dass man weitere Geschäftsbeziehungen mit Machluf überdenken müsse. Die HSBC sah darin laut den Panama-Papers aber kein Problem, obwohl Machlufs Vermögen vom US-Finanzministerium bereits 2008 eingefroren worden war. Der Ansicht der HSBC schloss sich letztlich auch Mossfon an: „Von meiner Seite aus – wenn das HSBC-Headquarter in England kein Problem mit dem Kunden hat - denke ich, dass wir ihn auch akzeptieren können“, schrieb ein Partner der Anwaltskanzlei. Etwas später änderte Mossfon dennoch seine Strategie und beendete die Verbindungen zu Machluf.

Weitere Gründungen auch nach 2011

HSBC verwies in seiner Stellungnahme im Zuge der ICIJ-Recherchen darauf, dass die Vorwürfe der Vergangenheit angehörten und in manchen Fällen auch 20 Jahre zurücklägen – weit vor den Reformen, die in den vergangenen Jahren durchgeführt worden seien: „Wir arbeiten eng mit den Behörden zusammen, um Finanzkriminalität zu bekämpfen und Sanktionen zu implementieren.“ 2012 hatte die HSBC zugestimmt, den USA 1,9 Milliarden Dollar zu zahlen, und Fehler zugegeben. Dennoch zeigen die Panama-Papers, dass die HSBC über ihre Tochtergesellschaft, die HSBC Private Bank (Suisse), noch bis 2013 verurteilte Drogenhändler zu ihren Kunden zählte.

Auch die UBS registrierte laut Mossfon-Unterlagen zwischen 2011 und 2013 noch mehr als zwei Dutzend neue Offshore-Firmen - obwohl die Bank angab, sich 2010 „proaktiv“ entschieden zu haben, keine Offshore-Gesellschaften mehr für ihre Kunden aufzustellen. Zudem gab die UBS in ihrer Stellungnahme an, dass sie bei den Unternehmen, bei denen die Kunden die Bank um Zusammenarbeit ersuchen, die Identität der wirtschaftlichen Eigentümer dieser Firmen kenne. Zudem würden dieselben strengen Anti-Geldwäsche-Bestimmungen für die Bank und für Geschäftsbeziehungen angewendet.

BayernLB lässt Ex-Tochter untersuchen

Die bayrische Landesbank BayernLB zieht nach den Enthüllungen über 129 Briefkastenfirmen der früheren Luxenburg-Tochter Banque LB Lux erste Konsequenzen - sie lässt prüfen, ob diese in Offshore-Geschäfte verwickelt war. „Sollten sich Hinweise auf Gesetzesverstöße ergeben, geht die BayernLB diesen generell konsequent nach“, hieß es aus München. Dem Unternehmen lägen „keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der heutige BayernLB-Konzern in derartige Geschäfte involviert ist“, hieß es in der Stellungnahme. Die BayernLB biete „selbstverständlich keine Briefkastenfirmen an“.

Hilfe bei Briefkastenfirmen bestrafen?

Die Enthüllungen rufen nun auch die Politik auf den Plan. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD in Deutschland, Thorsten Schäfer-Gümbel, will Banken, die Kunden bei der Einrichtung von Briefkastenfirmen im Ausland unterstützen, bestrafen. In Zukunft sollten nicht nur einzelne Bankmitarbeiter haftbar gemacht werden können, sondern die gesamten Unternehmen, so der SPD-Politiker.

In einer Reaktion nach der Veröffentlichung der Panama-Papers wiesen sowohl Credit Suisse als auch HSBC am Dienstag Andeutungen von sich, dass sie aktiv Offshore-Strukturen verwendet hätten, um deren Kunden beim Steuerbetrug zu helfen.

Ryan Chittum, Cecile Schilis-Gallego und Rigoberto Carvajal, ICIJ

Links: