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Oase für Milliarden

Verlassen und menschenleer sind die Wüsten im Norden Australiens. Doch das soll sich nun ändern. Die australische Regierung hat einen visionären Plan erarbeitet, um den einstigen Rückzugsort zur ökonomischen Blüte zu führen.

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Investitionsprojekte mit Kosten von über 13,4 Milliarden Euro wurden bisher eingereicht, um Australiens „wilden Norden“ zu einem wirtschaftlichen Machtzentrum auszubauen. Matt Canavan, frisch angelobter Minister for Northern Australia, hat nun alle Hände voll zu tun, um die richtigen gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen und die besten Projekte auszuwählen.

Vermächtnis des Ex-Premiers

Die Herkulesaufgabe verdankt Canavan u. a. Australiens Ex-Premierminister Tony Abbott, dem im vergangenen Herbst in einer dramatischen parteiinternen Abstimmung von Malcolm Turnbull der Thron abgerungen wurde. Vor seiner Entmachtung hatte Abbott noch einen ambitionierten Plan in Form eines Weißbuchs (White Paper) konzipiert, der mit einem Investitionsvolumen von 800 Millionen Euro den Norden Australiens – wirtschaftlich betrachtet – in das 21. Jahrhundert befördern soll.

Zeitungscover nach der Machtübernahme 2015

APA/AFP/William West

Premier Abbott wurde im Herbst von seinem „Parteifreund“ Turnbull gestürzt

Turnbull hielt als neuer Premierminister an dem Weißbuch fest und beauftragte zunächst Josh Frydenberg als Minister für Ressourcen, Energie und Nordaustralien mit dem Thema. Nach nur vier Monaten wurde das Ministry for Northern Australia ausgekoppelt und nach 37 Jahren wieder als eigenständiges Ministerium eingerichtet.

Australiens „wilder Norden“

Die endlosen Weiten, Wüsten und kargen Landschaften des Norden erinnern an US-Wildwest-Streifen aus den 60er Jahren. Lange Zeit betrachteten die Australier diesen Teil ihres Landes, der oberhalb des südlichen Wendekreises liegt, als Ende der Welt. Nordaustralien nimmt 40 Prozent der Gesamtfläche des Kontinents ein und erstreckt sich – mit einer Größe von Indien – über die drei Bundesstaaten Queensland, Western Australia und Northern Territory. So groß die flächenmäßige Ausbreitung ist, so klein ist die Bevölkerungsanzahl: Von 23 Millionen Australiern leben nur rund eine Million in der Gegend, die einst ein Refugium für Eigenbrötler und Schatzsucher war.

Grafik von Australien

APA/ORF.at

Nordaustralien erstreckt sich über drei Millionen Quadratkilometer

Vision Wirtschaftszentrum

Doch der von extremer Trockenheit im Landesinneren und erdrückender Feuchtigkeit in der Küstenregion geplagte Norden soll sich mit Hilfe von Abbotts Konzepten ändern. Noch im Amt bezeichnete Abbott die Regionen sogar als aufkommendes wirtschaftliches Machtzentrum.

In dem Weißbuch skizzierte Abbott Pläne für die Entwicklung der nächsten 20 Jahre - mit der Vision, den Ausbau von Hauptverkehrsrouten zu steigern, Wasservorräte anzulegen und nachhaltig Arbeitskräfte in der Region zu sichern. Um das Ansiedeln verlockender zu machen, sollen die Flächenwidmungen vereinfacht und unnötige und verzögernde Behördenwege abgeschafft werden.

Kontinuierliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit soll die florierende Zukunft des Nordens gewährleisten. Der größte Teil der veranschlagten 800 Mio. Euro fließt in Straßenbauprojekte. Um 400 Mio. Euro soll das Verkehrsnetz erweitert werden, die Regionen sollen schneller und leichter erreichbar gemacht werden. Rund 3,4 Mio. Euro wurden für Güterprojekte veranschlagt. Wasserversorgung und -speicher sollen um 133 Mio. Euro realisiert werden.

Druck von Bergbaumilliardärin

Nordaustralien verdankt die Zuwendung vor allem der Lobbyarbeit zweier Initiativen: einer Gruppe aus Western Australia und der libertären Ideenschmiede „Institute of Public Affairs“. An beiden ist Australiens reichste Frau Gina Rinehart beteiligt. Ihr Milliardenvermögen fußt auf dem Bergbau in der eisenerzreichen Region Pilbara, ebenfalls im Norden Australiens. Die Ideen des Weißbuches beruhen weitestgehend auf den Vorschlägen von Rineharts Interessengemeinschaften.

Schon während seiner Amtszeit hatte sich Abbott den Vorwurf gefallen lassen müssen, seine Politik sei rein auf die Wünsche Rineharts abgestellt. So schaffte er die von seiner sozialdemokratischen Vorgängerin Julia Gillard eingeführte CO2-Steuer zum Klimaschutz wieder ab, die vor allem die Bergbaukonzerne zur Kasse gebeten hatte.

Rinehart selbst fiel immer wieder mit umstrittenen Wortmeldungen auf. So riet sie etwa Armen, „weniger Zeit mit Trinken oder Rauchen oder dem Treffen von Leuten zu verbringen und lieber mehr zu arbeiten“. Von der Regierung forderte sie mehrmals die Senkung von Mindestgehältern und Steuern.

Nähe zu Asien

Die Nähe zu Asien macht den Norden Australiens zu einem interessanten Territorium. Sechs der zehn wichtigsten Handelspartner von Down Under haben ihren Sitz in Asien. Darwin, die Hauptstadt der Northern Territory, ist manch asiatischer Metropole näher als der Hauptstadt Canberra. Die Lobbyisten hatten zum Ziel, den Norden des Landes zu einem Umschlagplatz für asiatische Investoren zu machen. Um ihre Pläne voranzutreiben, bedrängten sie die Politiker und fanden noch vor Abbotts Angelobung zum Premierminister einen – wenn auch nicht ganz freiwilligen – Unterstützer.

Im Land der Aborigines

Trotz der unbewohnten Weiten ist das White-Paper-Programm nicht einfach umzusetzen. Große Teile des Nordens sind – unter dem Schutz alter Gesetze – im Grundbesitz der Aborigines oder mit einem ungewissen Anspruch der Ureinwohner behaftet. Diese traditionellen Gesetze wurden Jahrzehnte lang nicht novelliert und wirkten sich negativ auf Investitionen aus.

Zug durchquert Wüste im Norden Australiens

Reuters

Australiens unwirtliche Wüste soll aufblühen

Neue Normen, die die Eigentumsverhältnisse und Ansprüche der Aborigines eindeutig klären, sollen dazu beitragen, die wirtschaftliche Entwicklung zu verbessern. Eine Umwidmung der „Pastoral Leases“ - der staatlich verpachteten Grundstücke, die nur als Weidefläche verwendet werden können - wird nach der Gesetzesnovelle möglich sein.

Aborigines pochen auf Rechte

Noel Pearson, Aborigines-Ältester aus dem Norden Queenslands, äußerte gegenüber dem „Economist“ Sorgen um die Zukunft seines Stammes. Die Pläne und Entwicklungen würden die Investoren bevorzugen und die Interessen der Ureinwohner vernachlässigen. Solche Ansichten haben in Australien Gewicht - vor allem in einer Gegend, die mit dem Ayers Rock (Uluru) eines der bekanntesten Wahrzeichen mit direktem Aborignes-Bezug beherbergt. Vor einigen Jahren verwarf einer der größten Energieproduzenten des Landes seine Pläne für den Bau einer Flüssiggasfirma, nachdem ein gravierender Streit mit Ureinwohnern ausgebrochen war.

Unstete Politik

Nicht nur die Ureinwohner könnten den Plänen in die Quere kommen. Nach dem Sturz von Abbott ist Canavan in seiner neuen Funktion als Minister for Northern Australia binnen weniger Monate bereits der dritte Verantwortliche für die Umsetzung des Entwicklungsplanes. Die Reaktivierung des Nordaustralien-Ministeriums ist eine vorläufige Bestätigung des Interesses von Premier Turnbull. Er ist allerdings auch dafür bekannt, seinen Fokus rasch auf neue, vermeintlich wichtigere Projekte zu legen.

Zuckerln für Investoren

Noch ist das Vorhaben aktuell und für in- und ausländische Investoren vielversprechend. Rund 350 Führungskräfte interessierter Unternehmen kamen zu einem Northern Australia Investment Forum, das die Regierung im November veranstaltet hatte. Direkt an Ort und Stelle sollten sich die Manager ein Bild vom Potenzial der Region machen.

Sie wurden wohl auch von Entwicklungsgeldern in Höhe von 3,4 Milliarden Euro angelockt, die die Northern Australia Infrastructure Facility als Darlehen an Projekte vergibt. Konzepte für Projekte im Wert von 13,4 Mrd. Euro wurden bereits als potenziell umsetzbar eingestuft. Zum Zug würden diejenigen kommen, die den größten Nutzen für die Steuerzahler und das Gebiet bringen, wie Canavan dem „Guardian Australia“ sagte. Die genauen Vergabekriterien der Mittel und die Rückzahlungspläne müssen noch in einem Gesetz verabschiedet werden.

Ob die staatlichen Darlehen auch an ausländische Investoren gehen, wollte Canavan noch nicht festlegen. China - Australiens größter Handelspartner, mit dem erst im vergangenen Dezember ein Freihandelsabkommen unterzeichnet wurde - heiße die Investitionsmöglichkeiten sehr willkommen. Erleichterung soll auch die schnelle Ausstellung von Visa für chinesische Arbeitskräfte und Angehörige der übrigen nahe gelegenen asiatischen Staaten bringen.

Die Ämter warten

Wenn auch die gesetzlichen Regelungen noch nicht fixiert sind, die behördliche Infrastruktur für die künftigen Investoren steht schon bereit: Im vergangenen Jänner öffnete das neue Office of Northern Australia mit Sitz in Darwin. Eine essenzielle Voraussetzung des Weißbuches sah vor, die Zentrale für die Entwicklung von Nordaustralien von Canberra in die Region zu verlegen.

Wenig später – noch bevor Canavan als Minister angelobt wurde – eröffnete die Major Projects Approval Agency als zentrale Anlaufstelle für Großprojekte in Darwin. „Die Agency hilft, die Behördenwege für Investoren übersichtlich und kurz zu halten und die Vorhaben des Weißbuchs zu fördern“, sagte Canavans Vorgänger und Ministerkollege Frydenberg.

Als eine seiner ersten Amtshandlungen startete Canavan eine Tourismuskampagne, die den Tourismus abseits vom Great Barrier Reef, Cable Beach und Kakadu-Nationalpark, die alle in Australiens Norden liegen, ankurbeln soll. Ob sich Canavan seiner Aufgabe als neuer Minister lange widmen und Australiens „wilden Norden“ entwickeln wird, bleibt in dem politisch fluktuierenden Australien ungewiss. Die nächste Wahl findet bereits im Herbst statt.

Lilian Spatz, ORF.at

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