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Informationsaustausch als „Farce“

Rund 250 Milliarden Dollar (223 Mrd. Euro) Steuereinnahmen gehen jährlich weltweit durch Steuerflucht von Unternehmen und Privatpersonen verloren, schätzt das Tax Justice Network (TJN). Zum Vergleich: Das Desaster um die Hypo Alpe-Adria kostete die österreichischen Steuerzahler bisher 5,5 Milliarden Euro.

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Die TJN-Einschätzung gilt als eher konservativ, schließlich werden hier nur mögliche Verluste aus verschleierter Zins- und Vermögensbesteuerung einberechnet. Das Netzwerk für Steuergerechtigkeit rechnet damit, dass 21 bis 32 Billionen Dollar Privatvermögen – ohne Luxusgüter wie Villen, Jachten, Flugzeuge oder Kunstwerke – in Steueroasen liegen. Schon vor Jahren hat die internationale Gemeinschaft, allen voran die OECD, den Steuerparadiesen von den Bahamas bis zur Schweiz den Kampf angesagt.

Das Verstecken von Vermögen ist schwieriger geworden, unmöglich aber nicht. Immerhin wurde der politische Druck auf viele Länder wie die Schweiz, Österreich und Luxemburg so stark, dass sie zuletzt Regelungen zustimmten, die sie jahrelang kategorisch abgelehnt hatten. Größtes Manko bis heute: wirkungslose Kontrollen, fehlende Sanktionen und in Europa die EU-Gesetzgebung. Denn Steuergesetze in der EU können nur einstimmig verabschiedet werden. Entsprechend gewichtig war daher der Widerstand kleiner EU-Länder wie Luxemburg und Österreich.

Schweigen ist Gold

Den Beginn lukrativer und verschwiegener Finanzdienstleistung machte das Nicht-EU-Land Schweiz schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Lauf der Jahrzehnte kamen weitere Länder dazu, die sich durch striktes Bankgeheimnis, laxe Regulierungen, komplexe Stiftungsmodelle und niedrige Steuersätze auszeichnen: Kleinstaaten wie Andorra, Monaco, Luxemburg und Panama, Offshore-Zentren wie die britischen Jungferninseln und die Cayman-Inseln in der Karibik mit Tausenden Gesellschaften, die dort offiziell ihren Sitz haben, aber weder Büro noch Infrastruktur, weil sie nur auf dem Papier existieren.

Jahrzehntelang gab es kaum wirkungsvolle Maßnahmen gegen Steuerflucht. Erst Ende der 90er Jahre entstand die Idee einer europaweiten Zinsbesteuerung, die 2005 in die EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie mündete. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) startete 1998 die „Harmful Tax Competition“-Initiative.

Nicht immer folgten Taten

41 Länder wurden damals identifiziert, deren Steuergesetzgebung offensichtlich nicht mit einem fairen Wettbewerb konform ging. 2000 wurden die nicht kooperierenden Länder auf einer schwarzen Liste an den Pranger gestellt. Länder wie Liechtenstein, Monaco und Andorra galten als „unkooperativ“.

Ihnen wurden Fristen gesetzt, damit sie ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit unter Beweis stellen könnten. Es war sogar von Sanktionen die Rede, wirklich konkret wurde die OECD dabei aber nicht. Andere Länder zeigten sich bereit, steuerschädliche Praktiken einzustellen und Informationen auszutauschen. Nicht immer folgten den Worten Taten. Einige machten bereits 2001 Zusagen, die Steuerstandards umzusetzen. Getan hat sich bis Ende der 2010er Jahre nichts.

Ausnahmen über Ausnahmen

Mitte 2005 trat die EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie - ein Prestigeprojekt im Kampf gegen Steuerhinterziehung - in Kraft, gemeinsam mit einem eigenen Zinsbesteuerungsabkommen mit der Schweiz, um eine Umgehung der EU-Richtlinie zu vermeiden. Diese Richtlinie war eine der ersten konkreten Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung, aber auch hier regierten die Ausnahmen.

Während die meisten Länder ihre Banken dazu verpflichteten, die Finanzämter der Herkunftsländer ihrer Kunden automatisch zu informieren, durften Österreich, Belgien und Luxemburg auf dem Bankgeheimnis beharren und stattdessen eine Quellensteuer auf Zinserträge ausländischer Anleger einheben. Und das nur bei Konten natürlicher Personen, nicht aber bei jenen juristischer Personen wie Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen. Auch die Schweiz entschied sich für die anonyme Quellensteuer.

An den Pranger gestellt

Das politische Interesse an schärferen Maßnahmen gegen Steuerabflüsse wuchs mit der Finanzkrise 2008 und der steigenden Verschuldung der Staatshaushalte. Die OECD erhielt 2009 den Auftrag von den G-20-Ländern, gegen internationale Steuerhinterziehung vorzugehen. Einen automatischen Informationsaustausch beurteilte die OECD damals noch als unrealistisch.

Buchcover: "Steueroasen: Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird"

Suhrkamp Verlag

Buchhinweis

Gabriel Zucman: Steueroasen. Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird. Edition Suhrkamp, 118 Seiten, 14,40 Euro.

Sie setzte einmal mehr auf eine Liste, diesmal eine „graue“: 38 Länder, darunter auch die Schweiz, Luxemburg und Österreich, wurden angeführt, die angekündigt hatten, im Kampf gegen Steuerbetrug den Informationsaustausch umzusetzen, aber noch keinen Schritte in diese Richtung gesetzt hatten. Vier Staaten – Costa Rica, Malaysia, die Philippinen und Uruguay – standen auf der schwarzen Liste. Sie weigerten sich, die internationalen Standards zum Informationsaustausch anzuerkennen. Auf politischen Druck akzeptierten aber immer mehr Staaten, darunter auch Österreich, die neuen Spielregeln.

Der Ökonom Gabriel Zucman bezeichnete diesen Informationsaustausch auf Anfrage als „Farce“. Wenn ein Land Bankauskünfte von einer Steueroase erhalten wolle, müsse es vorab den begründeten Verdacht haben, dass einer seiner Bürger Steuern hinterzieht. Das sei so gut wie nie möglich, so Zucman, außer man beschaffe Informationen am Rand der Legalität.

Verstecken geht immer

Noch 2013, im Jahr vor „Offshore-Leaks“, waren Länder wie die Schweiz und Österreich weit davon entfernt, an einen automatischen Informationsaustausch zu denken. Dieser wurde dann 2014 aber doch von 51 Staaten beschlossen, inzwischen bekennen sich rund 100 Länder dazu – auch Österreich und die Schweiz. Letztere werden aber erst 2018 mit dem automatischen Austausch von Kontodaten starten – ein Jahr später als alle anderen.

Finanzökonom Zucman ist noch immer nicht überzeugt, dass der Automatismus beim Tausch von Informationen funktioniert. Der größte Teil der in den Steueroasen versteckten Vermögen werde von Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen gehalten. Und diese schafften es immer noch, die Verbindung zwischen dem Geld und seinem tatsächlichen Eigentümer zu verbergen.

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