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Nicht nur Freude bei VR-Avantgardisten

Mit der von Facebook-Tochter Oculus produzierten Rift und Vive von Smartphonehersteller HTC beginnt der Vormarsch der Unterhaltungsbranche in unendliche Weiten. Die zwei seit Ende März erhältlichen Virtual-Reality-Headsets wurden von Fans und Medien gleichermaßen gespannt erwartet. Erste Reaktionen fallen euphorisch aus - doch dem Hype stellen sich einige Kinderkrankheiten in den Weg.

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Geht es nach den Herstellern, ist Virtual Reality (VR) das neue Must-have im Bereich der Unterhaltungselektronik. Unternehmen wie Facebook investierten in den vergangenen Jahren Milliardenbeträge in die Entwicklung und nicht zuletzt Vermarktung der Geräte. Die Oculus Rift wird seit Ende März ausgeliefert, seit April steht auch das Gerät von HTC in den Startlöchern. Die Zielgruppe müssen sich die Konkurrenten dabei teilen. Als Kunden werden vor allem Spieler anvisiert, bevorzugt mit gut gefülltem Portemonnaie.

Leistungsfähiger Rechner als Voraussetzung

Denn der Einstieg in die virtuelle Realität ist im Moment alles andere als günstig. Für die Oculus Rift müssen in Europa knapp 700 Euro bezahlt werden, die HTC Vive ist mit einem Verkaufspreis von rund 900 Euro sogar noch teurer. In dem Preis nicht enthalten: der passende Computer für die VR-Helme. Selbst aktuelle Rechner müssen im Normalfall noch mit einer leistungsfähigeren Grafikkarte ausgestattet werden, die zusätzlich mehrere hundert Euro kostet.

Oculus Rift

Reuters/Robert Galbraith

Seit letzter Woche ist die Virtual-Reality-Brille Oculus Rift auch für Endanwender erhältlich

Laptopbesitzern wird mangels Umbaumöglichkeit gar geraten, auf ein neues Modell umzusteigen. Kompatible Geräte sind nicht unter 3.000 Euro erhältlich und dabei nur bedingt tragbar. Durch die hohen Zusatzkosten bleibt der Hype damit vorerst ambitionierten Bastlern und betuchten „Early Adopters“ vorbehalten, die es dafür umso mehr zu begeistern gilt. Immerhin wird die VR-Technologie von der Branche als revolutionär angepriesen - erste Reaktionen sollen diese Versprechungen idealerweise bestätigen.

Das Erlebnis im Mittelpunkt

Das Echo der Fachpresse stimmt in die Begeisterung um die Virtual Reality mit ein, nur wenige Medien lassen sich nicht von den futuristisch anmutenden Helmen begeistern. Im Fokus der Testberichte steht dabei oft das Erlebnis, in eine vorgespielte Wirklichkeit einzutauchen. Die sonst so wichtigen Zahlen, die eine Einordnung in die Masse der erhältlichen Hard- und Software erleichtern sollen, rücken dabei fast vollständig in den Hintergrund.

Ein Redakteur des Netzkulturmagazins Wired kommt zu dem Schluss, dass mit Oculus Rift „grundsolide, komfortable und vor allem einfache VR“ möglich geworden sei. Er fügte hinzu, dass es „eine Investition“ sei, in die Dinge, die man mit Rift machen kann, man werde es wortwörtlich „noch weit bringen“. Das Newsportal Engadget geht noch weiter und attestiert VR „wie jedem technologischen Meilenstein die Möglichkeit, die Welt zu verändern“.

Wird ein Blick auf die technischen Daten geworfen, sehen sich die beiden VR-Helme allerdings plötzlich im direkten Konkurrenzkampf. Redakteure der Computerzeitschrift „c’t“ gehen in ihrem Test von Oculus Rift auf Gewicht und Größe ein - ein Faktor, der sich direkt auf den Tragekomfort auswirkt - und kritisieren, dass trotz hoher Auflösung bei näherem Hinsehen die einzelnen Bildpunkte sichtbar sind, was den sonst positiven Gesamteindruck trübt. Bemängelt wird auch, dass die eigenen Hände nicht Teil der virtuellen Realität sind - ein Merkmal, mit dem HTC Vive wirbt.

Was die virtuelle Welt (bisher) kann

Für den Großteil der Konsumenten stellt sich letztendlich weniger die Frage, welches der beiden Geräte gekauft werden soll, sondern vielmehr, ob sich der frühe Einstieg in die virtuelle Realität überhaupt lohnt. Das US-Technologieportal The Verge resümiert etwa, dass die „hohen Anschaffungskosten“ das Oculus-Gerät „für viele Menschen unzugänglich“ machen würden.

Gleichzeitig sei es der Firma rund um Palmer Luckey und Investor Facebook aber gelungen, „eine Vision erfolgreich umzusetzen“. Entscheidend für den Erfolg ist weniger das Gerät an sich. Die technischen Hürden, an denen der Trend schon einmal vor rund 20 Jahren gescheitert war, sind bereits genommen. Nun geht es um die Software, die Virtual Reality letztendlich vermitteln soll.

Angepasst an die Zielgruppe gibt es derzeit in erster Linie Spiele. Einige davon wurden für die Nutzung mit VR-Headsets adaptiert. Andere sind Neuentwicklungen, die auf herkömmlichen Bildschirmen nicht mehr lauffähig sind - wenngleich einige dieser Titel durchaus als „klassisches“ Erlebnis denkbar wären. Das Angebot reicht von actionlastigen Titeln wie „EVE: Valkyrie“, einem düsteren Raumschiffsimulator, über Autorennspiele wie „Project CARS“ bis hin zu Jump’n’Run-Spielen. Das Spiel „Lucky’s Tale“ gibt es wie „EVE“ als Beigabe zum Oculus-Rift-Kauf.

Gefahr in den eigenen vier Wänden

Die Fachmedien sehen sich jedenfalls mit neuen Fragestellungen konfrontiert - vor allem, wie ein Erlebnis vermittelt wird, mit dem die wenigsten Spieler vertraut sind. Ein Umdenken ist auch bei den Spielern erforderlich: Virtual Reality ist nicht auf Erlebnisse im Sitzen beschränkt.

Alle derzeit angebotenen und auch zukünftigen Systeme können die Position des Anwenders im Raum verfolgen. Während virtuelle Räume erforscht werden, kann es sein, dass die Grenzen der eigenen Wohnung schnell erreicht sind. Umfallendes Mobiliar oder gar eine Beschädigung der VR-Ausrüstung sind dabei nicht ausgeschlossen. Der Tester des US-Magazins „Polygon“ etwa ist daher für eine Warnung beim Verlassen der „echten“ Grenzen.

Mann mit PlayStation VR Headset und Move-Controllern

Reuters/Benoit Tessier

Die PlayStation VR kostet deutlich weniger als die Konkurrenz - sie wird im Herbst veröffentlicht

Ob sich der Aufwand der Bewegungserfassung überhaupt lohnt, bleibt abzuwarten. In der Vergangenheit konnten sich Konsolensysteme, die ihre Spieler um jeden Preis zur Bewegung zwingen wollten, nicht durchsetzen. Egal ob Nintendos Wii oder Microsofts Kinect: Nach anfänglichem Hype war Bewegung bestenfalls ein unterstützendes Werkzeug - und zurück war das Sofa als zentraler Ort des Spielgeschehens.

In Zukunft leistbarer

Oculus Rift und HTC Vive stellen aber nur den Anfang der ersten Welle neuartiger VR-Brillen dar. Bewiesen wurde, dass die Technik - wenn auch noch nicht am Ziel angekommen - weit genug ist, um Enthusiasten und Kritiker zu überzeugen. In einem nächsten Schritt sollte Virtual Reality nun den Einzug in mehr Haushalte finden. Erschwinglichere VR-Headsets verspricht etwa Sony, das mit PlayStation VR im Herbst startet. Zusätzlich zu einer PlayStation-4-Konsole kostet die Brille rund 400 Euro und damit deutlich weniger als die Konkurrenz.

Erst dann kann sich zeigen, wie mit dem neuen Medium umgegangen wird und ob sich Virtual Reality - wie von Facebook-CEO Mark Zuckerberg angekündigt - über reine Unterhaltung hinaus zu einem Kommunikationswunderwerkzeug in den Social Media der (nahen) Zukunft entwickeln wird. Die Investitionen großer Konzerne lassen jedenfalls den Schluss zu, dass mit VR mehr als nur Gamer-Träume erfüllt werden sollen. Momentan bewegt sich Virtual Reality aber noch zwischen Spielerei und Spielzeug - ein Ruf, der erst durch einen Erfolg schwinden wird.

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