Euphorie und Einwand in 360 Grad
Präsentationen wie jene auf der Mobilfunkmesse Mobile World Congress (MWC) in Barcelona Ende Februar haben keinen Zweifel daran gelassen, dass die Smartphonebranche intensiv auf Virtual Reality (VR) setzt. Geht es nach den großen Playern, soll das Eintauchen in virtuelle Welten mittels VR-Brille und Smartphone besser gestern als heute möglichst mehrheitsfähig werden.
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Die jüngsten Produktpräsentationen haben allerdings auch gezeigt, dass der Branche eines klar ist: Der Wert von VR steht und fällt mit dem verfügbaren Content. Und dieser lässt derzeit - auch aufgrund technologischer Einschränkungen - noch zu wünschen übrig. Nun preschen die Branchengrößen vor, um zu verhindern, dass VR ein ähnliches Schicksal wie der 3-D-Fernseher ereilt: Dieser wurde lange gehypt, zu wenige Inhalte und teure Geräte bedeuteten langfristig aber sein De-facto-Aus.

Screenshot facebook
Zahlreiche Beobachter fühlten sich beim Überraschungsauftritt von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg auf der MWC an dystopische Sci-fi-Szenerien ala „Matrix“ erinnert
Abhilfe könnte das schaffen, was auch das Web 2.0 letzten Endes groß gemacht hat: Der „user generated content“, also jene Inhalte, die Nutzer selbst erstellen. Facebook, Google und Co. lauern dabei auf das riesige Potenzial, das VR bietet. Von allen Seiten betrachtbare Familienfotos, Urlaubsvideos oder der Ausblick, dass die von der „Generation YouTube“ verehrten Stars (und die von ihnen beworbenen Produkte) künftig von allen Seiten bewundert werden können, dürfte in den Augen Sozialer Medien wohl der erste Schritt in die Onlinezukunft sein. Glaubt man der Investmentbank Goldman Sachs, bieten VR und die Schwestertechnologie Augmented Reality (AR) auch wirtschaftlich riesiges Potenzial: Bis 2025 sollen die Technologien einen Markt von 80 Mrd. US-Dollar ausmachen.
Kugelrunde Kameras
Damit all das nicht nur Zukunftsmusik bleibt, hatten die Branchenprimusse bei der MCW die ersten Werkzeuge dafür präsentiert. Dabei zielen die Firmen ganz dezidiert auf den „Casual user“ ab, denn derzeit sind 360-Grad-Aufnahmen vor allem ambitionierten Bastlern und professionellen Filmern und Fotografen vorbehalten.

APA/AFP/Lluis Gene
Leichte Bedienbarkeit soll den Gelegenheitsnutzer locken und VR-Content mehrheitsfähig machen
Samsung beispielsweise stellte bei der Messe die 360-Grad-Kamera Gear 360 vor. Das kugelrunde Gerät hat zwei Fischaugenlinsen, eine Auflösung von 15 Megapixeln und ist mit einem Stativ verwendbar. Mit der Kamera gelingt es Samsung zusätzlich, seine Nutzer zu binden, denn die Kamera ist freilich ausschließlich mit Tablets oder Smartphones des koreanischen Unternehmens bedienbar.
Verknüpfung mit YouTube 360
Das Unternehmen ist allerdings nicht konkurrenzlos, denn auch LG präsentierte mit der LG 360 Cam ein VR-taugliches Aufnahmegerät. Die Kamera kann Bilder sowie Videos in 2k-Qualität aufnehmen und wird direkten Support für das 3-D-Videoportal YouTube 360 sowie Google Street View bieten. Das soll Nutzer dazu einladen, ihre Inhalte schnell und barrierefrei zu teilen.
Auch in Sachen Brille beschreitet LG neue Pfade. Im Gegensatz zu den durchaus klobig wirkenden Stecksystemen wie Google Cardboard und Gear VR, bei dem das Smartphone in eine Vorrichtung gesteckt und auf den Kopf geschnallt wird, will LGs neues System durch geringere Maße bestechen. Der Clou dabei ist, dass das Smartphone nicht in die Vorrichtung gesteckt wird, sondern mit einem USB-C-Kabel an der VR-Brille hängt. Dabei werden die Daten übertragen. Das spart gut ein Drittel des Gewichts ein.
Schwung noch offen
Die letzte Zeit zeigte auch erneut, dass Facebook die Entwicklung der VR-Brille besonders voranpresst. Chef Mark Zuckerberg hatte einst zwei Mrd. Dollar (1,8 Mrd. Euro) auf die VR-Technik mit dem Kauf des Vorreiters Oculus gesetzt. Mit Oculus arbeitete Samsung bei der Gear VR zusammen. Bereits in Produktion sind VR-Filme, langfristig ist Zuckerbergs Vision allerdings eine großflächige Vernetzung. So werde man dank VR bald „jederzeit mit seinen Freunden abhängen können, egal, wo auf der Welt sie gerade sind“, so der Facebook-Chef beim MWC.
Ob der Markt bei all der Hoffnung nun tatsächlich in Schwung kommt, bleibt nun abzuwarten. Vorsichtig zeigte sich bei der Messe etwa auch Sony, mit der Gaming-VR-Brille PlayStation VR selbst Pionier im Segment. VR-Brillen könne jeder herstellen, so Sony-Mobile-Chef Hiroki Totoki. Viel wichtiger sei die Frage, wie entsprechende Inhalte produziert werden können.
Saskia Etschmaier, ORF.at
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