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Angebot für „kleinen schmutzigen Deal“

Die erboste Reaktion der Türkei - und ebenso die nur zögerliche Verteidigung der Pressefreiheit durch die deutsche Regierung - nach einem satirischen Videoclip im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen war Wasser auf die Mühlen der Macher: Am Mittwochabend legte das NDR-Satiremagazin „extra 3“ mit neuen Breitseiten gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach.

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Stein des Anstoßes war vor zwei Wochen die Ausstrahlung eines Videoclips mit dem Titel „Erdowie, Erdowo, Erdogan“. Darin fanden sich zur Melodie des Nena-Songs „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ Textzeilen wie „Ein Journalist, der irgendwas verfasst, was Erdogan nicht passt, ist morgen schon im Knast“. „Vielleicht hat Erdogan den Beitrag nicht verstanden?“, meinte Moderator Christian Ehring nun, und weiter: „Deswegen gibt es ihn jetzt noch mal mit türkischen Untertiteln!“

Kritik oder Bundeskanzlerin

Ehring machte sich weiter über den türkischen Präsidenten lustig. Erdogan schaue offenbar „extra 3“, zahle aber keine Gebühren. Andererseits: „Wenn er Kritik hören will, muss er ‚extra 3‘ sehen. Will er keine Kritik, sollte er besser die Bundeskanzlerin treffen.“ Die deutsche Bundesregierung hatte erst mit Wochen Verspätung und nach der Einbestellung des deutschen Botschafters reagiert. Die NDR-Redaktion hatte schon zuvor auf ihre Weise Erdogans Forderung gekontert, dass das Video zu löschen sei.

Der „extra 3“-Moderator witzelte nun in der Sendung, das Satiremagazin habe seinerseits „bei uns den türkischen Botschafter einbestellt - er ist bloß nicht erschienen“. Nun gehe es um „Deeskalation“, sei man doch selbst nur „ein kleines Satiremagazin“, Erdogan aber „der größte Komiker seines Landes“. Das lasse sich allein dadurch beweisen, dass man Erdogan wegen der Einschränkung der Meinungsfreiheit kritisiert habe - und der mit dem Versuch reagiert habe, die Meinungsfreiheit einzuschränken.

EU soll einen Witz pro Erdogan-Witz zurücknehmen

Die „Zusammenarbeit“ habe also hervorragend funktioniert, feixte der Moderator - und ernannte Erdogan ehrenhalber zum „Mitarbeiter des Monats“. Man könne sich aber auf einen „kleinen schmutzigen Deal“ wie bei den Flüchtlingen zwischen der Türkei und den Staaten der Europäischen Union einigen: Für jeden Witz, den man künftig in der Türkei über Erdogan machen dürfe, „nehmen wir einen unserer Erdogan-Scherze zurück“.

Möglicherweise hatten sowohl Berlin als auch Ankara die geschlossene Rückendeckung der deutschen Medienlandschaft für die Redaktion von „extra 3“ unterschätzt. Alle großen Printmedien des Landes bezogen eindeutig Stellung, die Redaktion des ZDF-Nachrichtenmagazins „heute plus“ assistierte am Mittwoch mit einer Verlesung der „schönsten Hasskommentare“ zu dem Thema, auch die Branchenkollegen demonstrierten ihre Solidarität.

Erst am Mittwoch, zwei Wochen nach der Ausstrahlung des ursprünglichen Clips, reagierten das offizielle Deutschland und die EU auf die Affäre mit Bekenntnissen zu den Prinzipien der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit. „Ich finde, dass wir von einem Partnerland der Europäischen Union erwarten können, dass es unsere gemeinsamen europäischen Werte teilt“, sagte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Diese Haltung habe man der Türkei auch „auf diplomatischem Wege“ deutlich gemacht.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ließ durch seine Sprecherin am Mittwoch mitteilen, Erdogans zweimalige Einberufung des deutschen Botschafters wegen der TV-Satire werde von ihm „nicht begrüßt“. Durch einen solchen Schritt rücke die Türkei „weiter von der EU ab“ und nicht an sie heran. Das Einberufen des Botschafters stimme nicht mit der Presse- und Meinungsfreiheit überein, die von der EU hochgehalten werde.

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