Weiter keine offiziellen Gründe für Absage
Man kann angesichts des Schweigens aus dem Iran nur spekulieren, welche die „Sicherheitsgründe“ waren, wegen derer die Wien-Reise des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani im letzten Augenblick abgesagt wurde - und ob nicht eher ein bevorstehender Generalangriff des obersten geistlichen Führers Ajatollah Ali Chamenei auf die gemäßigten politischen Kräfte im Iran der Grund für die Absage war.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„Diejenigen, die sagen, die Zukunft liegt in Verhandlungen, nicht in Raketen, sind entweder Ignoranten oder Verräter“, ließ Chamenei just am Mittwoch auf seiner Website als Attacke auf Rouhani und dessen Vorgänger Akbar Haschemi Rafsandschani publizieren. Eigentlich hätte Rouhani zu diesem Zeitpunkt in Wien in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation über wirtschaftliche Kooperationen nach dem Ende der Sanktionen gegen den Iran verhandeln sollen.
Neuer Höhepunkt in Konflikt
Chameneis Aussagen waren eine direkte Replik auf Rafsandschanis öffentliche Kritik an den jüngsten iranischen Raketentests. Die Zukunft des Iran liege im Dialog, nicht in Raketen, schrieb Rafsandschani letzte Woche im Nachrichtenportal Twitter. Damit schloss er sich internationaler Kritik an den Raketentests an, die auf das Konto der iranischen Revolutionsgarden, der Hardliner-Eliteeinheit in der Armee, gingen.
Chamenei hat bei allen Angelegenheiten des Staates das letzte Wort. Letztes Jahr unterstützte er zwar das Atomabkommen, das einen Schlussstrich unter den jahrelangen Nuklearstreit zog. Seitdem bezieht er aber strikt gegen die Öffnung des Landes Stellung. Der Konflikt zwischen ihm und den reformorientierten Kräften wird dabei immer unverhohlener ausgetragen - mit der Attacke vom Mittwoch als neuem Höhepunkt.
Es geht auch im Iran ums Geld
Es geht nur dem Anschein nach um ideologische Differenzen. Bei einer wirtschaftlichen Öffnung des Iran würden die Revolutionsgarden und die ultrakonservative Politelite ihre eigentliche Machtbasis einbüßen: Gerade die Isolation des Landes durch die Sanktionen hatte es den Revolutionsgarden möglich gemacht, alle maßgeblichen wirtschaftlichen Schaltstellen zu besetzen.
Vor allem auch aus wirtschaftlicher Sicht war Rouhanis Besuch große Bedeutung beigemessen worden. Schließlich hoffen heimische Unternehmen auf gute Geschäfte, sollte der Iran seine Wirtschaft etwas öffnen. „Ich hätte mich gefreut“, meinte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat im Hinblick auf die Bedeutung des Besuches für die heimische Wirtschaft.
Faymann sieht „Sache des Iran“
Ein Teil der iranischen Delegation befinde sich aber in Österreich, und allein daraus lasse sich ein „grundsätzliches Interesse an entsprechenden Beziehungen“ ableiten, so Mitterlehner. Die etwa 100 Mann starke iranische Wirtschaftsdelegation war schon in Wien eingetroffen, als Rouhanis Besuch am Dienstag nur rund zwei Stunden vor seiner geplanten Landung in Wien abgesagt wurde. Die Gründe für die Absage könne er nicht darstellen, da er selbst nur über das Ergebnis informiert worden sei, so Mitterlehner.
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) erklärte ebenfalls, er sei in die direkten Sicherheitsvorbereitungen für den Besuch nicht persönlich involviert gewesen. Sein Eindruck sei jedoch, dass diese sehr konstruktiv verlaufen seien. Die Tatsache, dass es nicht nur in Österreich, sondern auch im Irak zu einer Absage gekommen sei, zeige für ihn jedoch, dass der Grund für die Absage nicht Österreichs Vorbereitung gewesen sei. „Alles andere ist Sache des Iran“, so der Kanzler.
Rouhanis Wien-Besuch verschoben
Nach der überraschenden Absage des Staatsbesuches blieb vom iranischen Programm lediglich das Wirtschaftsforum, das am Donnerstag in reduzierter Form abgehalten wird.
Vereinbarungen bleiben liegen
Die Unterzeichnung von 15 Vereinbarungen war geplant. Dazu werde es nun „zu einem Gutteil nicht kommen“, sagte der Leiter der Außenwirtschaft in der Wirtschaftskammer, Walter Koren, gegenüber Ö1. Das geplante Wirtschaftsforum fand in „reduzierter Form“ statt. Dabei ging es vor allem um direkte Kontakte zwischen heimischen Wirtschaftstreibenden und den angereisten iranischen Geschäftsleuten zur Anbahnung künftiger Verträge.
Neben innenpolitischen Konflikten als möglichem Grund für die Absage machten am Mittwoch in Wien aber auch Gerüchte über eine angebliche Verstimmung des Iran die Runde. Die „Presse“ (Onlineausgabe) spekulierte, die geplanten Demonstrationen in der Wiener Innenstadt - darunter vom irankritischen Bündnis „Stop the Bomb“ und der Israelitischen Kultusgemeinde - könnten für die Absage des Besuchs gesorgt haben. Demnach habe Teheran noch am Dienstag von Wien „ultimativ“ gefordert, diese Proteste zu verhindern.
Links: