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„Habe immer mein Vermögen angegeben“

Im Jahr 2014, ein Jahr nach seinem Amtsantritt als isländischer Premier, ist Sigmundur David Gunnlaugsson dem Parlament Rede und Antwort gestanden, wie die Regierung Steuerbetrug und Betrug über Offshore-Gesellschaften aufspüren wolle. Island befand sich mitten im Wiederaufbau seiner Wirtschaft nach dem Kollaps der drei großen Banken des Landes 2008 - nach Jahren der Spekulation und Manipulation.

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Umso schwerer wiegen nun die Enthüllungen aus den Panama-Papers, die von „Süddeutscher Zeitung“, dem Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) und seinen Medienpartnern, darunter der ORF und der „Falter“, aufgearbeitet wurden. Den Unterlagen zufolge besaß Gunnlaugsson selbst eine Offshore-Gesellschaft namens Wintris Inc. auf den Britischen Jungferninseln.

Auch als er am 11. März vor laufender Kamera im Zuge der Panama-Papers-Recherche von Reykjavik Media und dem schwedischen Fernsehen SVT direkt gefragt wurde, ob er jemals eine Offshore-Gesellschaft besessen habe, sagte er: „Ich? Nein.“

Abruptes Ende des Interviews

Seine Erklärung: Die isländischen Firmen, mit denen er zusammengearbeitet habe, hätten Verbindungen zu solchen Gesellschaften gehabt. „Aber ich habe immer mein Vermögen und das meiner Familie steuerlich angegeben. (...) Das ist eine unübliche Frage für einen isländischen Politiker. Es ist fast so, als ob man für etwas beschuldigt würde, aber ich kann bestätigen, dass ich niemals einen meiner Vermögenswerte versteckt habe.“

Islands Premier im Interview

Der isländische Premier Sigmundur David Gunnlaugsson reagierte überrascht auf die Frage von Journalisten, ob er jemals eine Offshore-Gesellschaft besessen habe. (Quelle: SVT)

Als er direkt auf Wintris angesprochen wurde, stellte Gunnlaugsson noch kurz die Verbindung zwischen der Offshore-Gesellschaft und einer der Firmen, mit denen er gearbeitet habe, her. Kurz darauf stand er aber auf und verließ wortlos das Interview.

Inzwischen reagierte Gunnlaugsson mit einem achtseitigen Statement. Darin betonte er, dass es nicht erforderlich gewesen sei, seine Verbindung zu Wintris öffentlich Stellung zu nehmen, weil es seiner Frau gehöre, und zudem sei es nur darum gegangen, eine Firma zu besitzen und „kein Unternehmen, das sich bei Handelstätigkeiten engagiert“.

Facebook-Posting sorgt für Aufregung

Doch das Interview zeitigte sehr wohl Konsequenzen. Denn nur vier Tage später sorgte Gunnlaugssons Ehefrau Anna Sigurlaug Palsdottir mit einem Facebook-Posting für Aufregung. Darin sprach sie erstmals in der Öffentlichkeit von einer Briefkastenfirma mit dem Namen Wintris Inc. Dass es diese Firma gebe, sei niemals ein Geheimnis gewesen, schreibt sie auf Facebook. Es sei ein Investmentvehikel für Gelder gewesen, die sie beim Verkauf des Familienunternehmens erhalten habe. Ihr Ehemann sei nur aufgrund eines Bankfehlers als Koeigentümer erschienen. Dieser Fehler sei 2009 behoben worden. Wintris habe zudem alle nötigen Steuern bezahlt. Auch ihre Steuerberatung KPMG betonte, alle Einkommen von Wintris deklariert zu haben.

Ein Sprecher von Gunnlaugsson hielt fest, dass der „Premierminister und seine Frau isländisches Recht eingehalten haben“ und jegliches Vermögen und Einkommen in den Steuererklärungen seit 2008 deklariert hätten. Die Arbeit als Premier sei in den vergangenen Jahren von seiner Entschlossenheit bestimmt gewesen, den Interessen der Isländer Priorität einzuräumen, so der Sprecher.

Rücktritt von Premier gefordert

Gunnlaugssons Verbindung zu einer Offshore-Gesellschaft - wenn auch über seine Frau - führte in den vergangenen Tagen dennoch zu Rücktrittsaufforderungen gegenüber dem Premier. Der Unmut verschärfte sich noch mit der Veröffentlichung der Panama-Papers. Zehntausende unterzeichneten eine Petition, die Gunnlaugsson zum Rücktritt auffordert - zumal im Zuge der Panama-Papers-Recherche offensichtlich wurde, dass Gunnlaugsson selbst Eigentümer war.

Gunnlaugsson müsse „umgehend zurücktreten“, forderte seine Vorgängerin Johanna Sigurdardottir in ihrer Reaktion auf die Enthüllungen. Indem er sein Geld in einem Steuerparadies angelegt habe, habe Gunnlaugsson „sein Misstrauen“ gegenüber der isländischen Währung und Wirtschaft ausgedrückt. „Die Leute sollten keinen Ministerpräsidenten haben, dessen sie sich schämen.“ Die Opposition will noch in dieser Woche ein Misstrauensvotum abhalten.

Millionenforderungen bei isländischen Banken

Den Panama-Papers zufolge bestellte Gunnlaugsson gemeinsam mit seiner Frau im Dezember 2007 - ein knappes Jahr vor dem Finanzkollaps in Island - über eine luxemburgische Niederlassung der isländischen Landsbanki bei der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca (Mossfon) die Offshore-Gesellschaft Wintris Inc. Diese Firma diente offenbar dazu, geerbtes Vermögen bestmöglich zu investieren, wie ein Schreiben aus den Panama-Papers nahelegt. Und sie zeigen auch: Ende 2009 verkaufte Gunnlaugsson seinen Wintris-Anteil seiner Frau - um einen Dollar.

Wo Wintris investierte, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Gerichtsakten zeigen aber, dass die Offshore-Gesellschaft umfangreich in Anleihen der drei großen isländischen Banken investiert hatte: Glitnir, Landsbanki und Kaupthing. In jene drei Banken also, die nach der Finanzkrise 2008 unter staatliche Aufsicht gestellt wurden. Deren Rettung kostete Island Milliarden und brachte das Land an den Rand des finanziellen Ruins.

Konsequenterweise ist Wintris - und damit indirekt jedenfalls die Gattin des Premiers - einer der Gläubiger der Banken, und es geht um mehrere Millionen Dollar. Laut dem „Iceland Monitor“ macht Wintris bei den drei Banken Ansprüche in der Höhe von umgerechnet fast 3,7 Millionen Euro geltend. Einen Teil der Forderungen an die Glitnir-Bank verkaufte Wintris ICIJ-Recherchen zufolge bereits an einen isländischen Investor. Ungeachtet dessen bezeichnete Gunnlaugsson Fonds, die Forderungen aufkaufen, öffentlich als „Geier“, berichtete Reuters.

Offshore-Daten gekauft

2014 spielte Island mit dem Gedanken, Offshore-Daten von Whistleblowern zu kaufen, um ähnlich wie Deutschland Steuerbetrug aufzudecken. Gunnlaugsson zögerte damals: Es sei unklar, ob der Erhalt dieser Informationen „realistisch und nützlich“ sei. Er traue aber den Steuerbehörden, dass sie die richtige Entscheidung treffen. Nicht bekannt war zu diesem Zeitpunkt, dass unter diesen Offshore-Dokumenten, die Island kaufen wollte, wohl auch Daten von Unternehmen zu finden waren, die Gunnlaugsson persönlich und jedenfalls zwei Ministern seiner Regierung zuzurechnen sind.

Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge kaufte die isländische Steuerbehörde letztlich einen kleinen Teil der Mossfon-Dokumente von Whistleblowern, um Steuerhinterzieher zu finden. Darunter ist auch die Information über Wintris zu finden. Bisher gab es zu diesen Erkenntnissen aber keine Stellungnahme in der Öffentlichkeit.

Minister ebenfalls betroffen

Wortkarg geben sich derzeit auch zwei Minister aus Gunnlaugssons Kabinett, die ebenfalls in den Panama-Papers aufscheinen. Finanz- und Wirtschaftsminister Bjarni Benediktsson etwa hatte noch im Februar 2015 in einem Interview Aktivitäten im Offshore-Business verneint: „Ich hatte keine Vermögen in Steueroasen oder Ähnlichem.“ Mossfon-Dokumente zeigen aber, dass er gemeinsam mit zwei isländischen Geschäftsleuten eine Vollmacht über die Offshore-Gesellschaft Falson & Co., die von Mossfon 2005 auf den Seychellen registriert worden war, hielt. Zumindest diese Beteiligung gibt der Wirtschaftsminister inzwischen zu.

Innenministerin Olöf Nordal gründete den ICIJ-Dokumenten zufolge gemeinsam mit ihrem Mann Tomas Mar Sigurdsson, Manager bei dem Aluminiumunternehmen Alcoa, die Offshore-Gesellschaft Dooley Securities SA., auf Vermittlung der luxemburgischen Landsbanki-Niederlassung von Mossfon auf den Jungferninseln registriert. Sigurdsson betonte in einer Stellungnahme, dass „weder ich noch meine Frau damals und zu einem späteren Zeitpunkt Eigentümer der Dooley Securitites Anleihen waren. Wir besitzen keine Offshore-Gesellschaften und haben nie welche besessen.“ Die Landsbanki habe ihm zwar die Gründung einer Gesellschaft empfohlen, das sei aber nie umgesetzt worden.

Ryan Chittum, Johannes Kr. Kristjansson, Bastian Obermayer und Frederik Obermaier; ICIJ

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