Verbrechen gegen gesamte Menschheit
Von 12. bis 19. Juli 1995 sind rund 8.000 bosniakische Buben und Männer in der Umgebung der Stadt Srebrenica brutal ermordet worden. Das jüngste Todesopfer war erst 13 Jahre alt, das älteste 94. Srebrenica steht seither für das schlimmste Verbrechen im Bosnienkrieg - und für das größte Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
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Srebrenica war laut dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im einstigen Jugoslawien (ICTY) ein Verbrechen gegen die gesamte Menschheit, wie ICTY in seinem im April 2004 verkündeten rechtskräftigen Urteil für den bosnisch-serbischen Offizier Radislav Krstic feststellte. Das Massaker in der einstigen UNO-Schutzzone wurde damit zum ersten Mal als Völkermord definiert.
Bosnische Klage gegen Serbien
Dass es sich bei den Ereignissen bei Srebrenica um einen Genozid handelte, stellte wenige Jahre später auch der Internationale Gerichtshof (IGH) in seinem Urteil auf Basis einer bosnischen Klage gegen Serbien fest. Belgrad selbst wurde allerdings nicht des Völkermordes für schuldig befunden. Der ehemalige bosnisch-serbische Militärchef Ratko Mladic, der nach langjähriger Flucht erst 16 Jahre später in Serbien festgenommen wurde, verteidigt sich noch heute vor dem Haager Tribunal.

AP
Mehrere tausend Bosniaken drängten auf das Gelände der UNO-Blauhelme
Was sich im Juli 1995 in der Umgebung der damaligen UNO-Schutzzone und im heutigen Bosnien-Herzegowina abspielte, scheint ein schrecklicher Racheakt der bosnischen Serben gewesen zu sein. Das Gebiet um Srebrenica war gleich nach dem Ausbruch des Krieges im Frühjahr 1992 intensiv umkämpft. Dort stationierte bosniakische Kämpfer griffen wiederholt serbische Dörfer in der Umgebung an. Serbische Quellen registrierten Angriffe auf 79 Dörfer und Siedlungen.
Zur UNO-Schutzzone erklärt
Tausende Einwohner wurden in die Flucht getrieben, mehrere hundert Zivilisten - ihre Zahl liegt laut dem Niederländischen Institut für Kriegsdokumentation (NIOD) bei mindestens 1.000 - wurden ermordet. Am 7. Jänner 1993, dem serbisch-orthodoxen Weihnachtstag, wurden etwa 46 Einwohner des Dorfes Kravice von bosniakischen Kämpfern massakriert. Diese Ermordungen werden als besonders schlimm eingestuft.
Danach änderte sich die militärische Situation um Srebrenica. Die Kleinstadt wurde im April 1993 zur UNO-Schutzzone erklärt. Vor dem Kriegsende war die Stadt mit etwa 42.000 Einwohnern, ein Großteil von ihnen bosniakische Flüchtlinge aus der Umgebung, von etwa 15.000 serbischen Soldaten umzingelt. In der Stadt selbst dürften sich vor der Einnahme durch bosnisch-serbische Truppen etwa ebenso viele Männer im kampffähigen Alter befunden haben. Viele von ihnen, darunter der Kriegskommandant Naser Oric, zogen kurz vor der Einnahme der Stadt Richtung Tuzla ab.
Blauhelme leisteten keinen Widerstand
Als der entscheidende bosnisch-serbische Angriff auf Srebrenica startete, leisteten etwa 300 niederländische Blauhelme keinen Widerstand. Ihr Befehlshaber Thomas Karremans hatte zwar die NATO um Unterstützung aus der Luft ersucht. Ein Angriff von NATO-Flugzeugen auf die bosnisch-serbischen Stellungen über der in einem engen Tal zwischen den Bergen liegenden Kleinstadt wurde wegen schlechter Witterungsverhältnisse aber bald eingestellt. Zudem hatten bosnisch-serbische Truppen mit Morden an gefangen genommenen niederländischen UNO-Soldaten gedroht.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
Die Einnahme von Srebrenica wurde lange im Voraus vorbereitet. In einer Anordnung des damaligen bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadzic vom März 1995 hieß es unter anderem: „Durch alltägliche geplante und überlegte Kampfaktionen gilt es, eine Atmosphäre der totalen Unsicherheit, der Unerträglichkeit und Aussichtslosigkeit auf eine weitere Existenz und Leben in Srebrenica zu schaffen.“
Zwei Dutzend Massengräber
Die bosnisch-serbischen Truppen trennten die bosniakischen Männer vom Rest der Bevölkerung. Ermordet wurden sie hauptsächlich durch Massenexekutionen. Die Leichen der Opfer wurden nach dem Kriegsende in etwa zwei Dutzend Massengräbern entdeckt. Viele davon waren sogenannte sekundäre Massengräber, in die die Leichen aus primären Gräbern versetzt wurden, um die Spuren des Verbrechens zu vertuschen.
Etwa 1.000 einstige Bewohner Srebrenicas gelten noch als. Immer noch haben viele Menschen die Hoffnung nicht aufgegeben und sind nach wie vor auf der Suche nach den Leichen ihrer engsten Familienangehörigen. Das Europaparlament erklärte 2009 den 11. Juli zum Gedenktag für die Opfer von Srebrenica.
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