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Abkehr von den eigenen Wurzeln

Ein Stiftungsfonds von Nachfahren des Öltycoons John D. Rockefeller hat den US-Energieriesen Exxon für „moralisch verwerfliche“ Geschäftspraktiken kritisiert. Der größte US-Ölkonzern habe offenbar über Jahrzehnte versucht, die Risiken des Klimawandels zu verschleiern, teilte der Rockefeller Family Fund kürzlich mit.

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„Es gibt Anzeichen, die nahelegen, dass das Unternehmen seit den 80er Jahren darauf hinarbeitete, die Öffentlichkeit zum Ablauf des Klimawandels zu verwirren“, erklärte der Rockefeller Family Fund (RFF), eine wohltätige Organisation, in einer Aussendung. Man habe daher nun entschieden, auf Distanz zu gehen und sich von den Exxon-Aktien zu trennen. „Wir können nicht mit einem Unternehmen in Verbindung gebracht werden, das gegenüber dem öffentlichen Interesse scheinbar so eine Verachtung an den Tag legt.“

„Finanzieren Verschwörung gegen uns“

Schon im November hatten US-Medien berichtet, dass die New Yorker Staatsanwaltschaft gegen Exxon ermittle. Der Ölkonzern steht im Verdacht, Öffentlichkeit und Anleger durch manipulierte Studienergebnisse über die Folgen des Klimawandels belogen zu haben. Exxon erklärte damals, auf Geschäftsrisiken über Jahre hinweg unter anderem in Quartalsberichten hingewiesen zu haben.

Auch jetzt ging der Ölriese in die Defensive: „Es ist nicht überraschend, dass sie sich zurückziehen, da sie bereits eine Verschwörung gegen uns finanzieren“, sagte ein Exxon-Sprecher. Der RFF stelle selbst Mittel für „gezielt irreführende“ Berichte über Exxons Forschung zum Klimawandel bereit, verteidigte sich der Konzern.

Zeichen gegen fossile Brennstoffe

Die Aktion der Rockefellers ist Teil einer breiter angelegten Offensive des Fonds, mit der ein Zeichen gegen fossile Brennstoffe gesetzt werden soll. Angesichts der existenziellen Bedrohung, der sich die Menschheit und das natürliche Ökosystem ausgesetzt sehen würden, gebe es für Unternehmen „keinen vernünftigen Grund, weiter nach neuen Kohlenwasserstoffquellen zu suchen“ - weder in finanzieller noch in ethischer Hinsicht, heißt es in dem Statement des Fonds.

Auch von Beteiligungen im Bereich Kohle und kanadischem Ölsand werde man sich so schnell wie möglich trennen. Der RFF folgt damit dem größeren Rockefeller Brothers Fund (RBF), der zuletzt über 790 Mio. Dollar (692 Mio. Euro) verfügte. Die ebenfalls als gemeinnützige Stiftung aufgestellte Organisation hatte bereits im September 2014 angekündigt, sich schrittweise von Anlagen in fossile Energien zu trennen.

Europäische Großanleger ziehen sich zurück

In Europa prüfen Großanleger ebenfalls zunehmend Rohstoffinvestments. Im November hatte der deutsche Allianz-Konzern angekündigt, nicht mehr in Bergbau- und Energieunternehmen zu investieren, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes beziehungsweise ihrer Energieerzeugung aus Kohle erzielen.

In Norwegen beschloss das Parlament im Juni 2015, dass der staatliche Pensionsfonds nicht mehr in Kohlegeschäften aktiv sein soll. Die sogenannte Divestment-Bewegung hat auch in Banken, die nur noch in ökologisch und ethisch tragbare Geschäfte investieren wollen, Einzug gehalten.

Vermögen mit Öl gemacht

Die Entscheidungen der 1940 und 1967 von Familienmitgliedern gegründeten Fonds sind abgesehen von den ökologischen und ethischen Gründen auch hinsichtlich der Geschichte des Clans bemerkenswert. Die Stiftung wendet sich damit von den Ursprüngen des sagenhaften Reichtums der Rockefeller-Familie ab. Vor mehr als einem Jahrhundert machte John D. Rockefeller Sen. mit Standard Oil, einem Exxon-Vorläufer, ein Vermögen.

Allein der Reichtum des letzten lebenden Sohnes von John D. Rockefeller, des 100-jährigen David Rockefeller, wird vom „Forbes“-Magazin auf 3,2 Milliarden Euro geschätzt. Auf der Liste der reichsten Menschen der Welt reicht das zwar nur für Platz 603, aber es hat ihm, seiner 1996 gestorbenen Frau Margaret und ihren sechs Kindern ein Leben im Luxus mit unter anderem mehreren Anwesen und einer großen Kunstsammlung ermöglicht.

Exxon offen für Zukäufe

Die Höhe des Exxon-Anteils oder der Beteiligungen im Bereich fossile Brennstoffe führte der Family Fund indes nicht aus. Exxon-Aktien tendierten wie der Markt insgesamt etwas schwächer. Ölkonzerne sind seit Monaten wegen des Ölpreisverfalls unter Druck.

Trotz eines verschärften Sparkurses zeigte sich Exxon noch Anfang März offen für Zukäufe. „Wir haben die finanzielle Flexibilität, um attraktive Möglichkeiten anzugehen“, erklärte Tillerson. Das schürte Spekulationen, der Konzern aus Irving im US-Bundesstaat Texas könnte schon bald auf Einkaufstour gehen. Ob Exxon diesen Kurs in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen beibehalten wird, ist jedoch fraglich.

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