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Elitesoldatin zwischen den Fronten

Als der russische Richter das Urteil gegen sie fällt, stimmt Nadija Sawtschenko lautstark die ukrainische Nationalhymne an. Am Ende einer zweitägigen Urteilsverkündung im Gericht im südrussischen Donezk wurde die 34-jährige Kampfpilotin Ende März zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt - „endgültig“, wie der Richter sagte.

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Die Ukrainerin soll nach seiner Auffassung dafür büßen, dass sie der ukrainischen Armee im Sommer 2014 den Aufenthaltsort von zwei russischen Fernsehjournalisten in der Ostukraine verriet - woraufhin diese durch Granatbeschuss getötet wurden. Seit ihrer Festnahme durch prorussische Rebellen hatte sich von der Kampfpilotin ein Bild in den Köpfen festgesetzt: Sawtschenko als unbeugsame Kämpferin, die den russischen Justizbehörden mit außergewöhnlicher Entschlossenheit die Stirn bietet.

Heldenmythos wuchs in Prozess

In ihrem Protest erlegt sich die blauäugige Frau mit den kurzen Haaren Hungerstreiks auf und wählt starke Worte. Russland ist in ihren Augen ein „Dritte-Welt-Land“, ein „totalitäres Regime“ mit einem „Despoten an der Spitze“. Wegen ihrer scharfen Kritik am russischen Staatschef Wladimir Putin und ihrer ungebrochenen Haltung während des Prozesses in Donezk ist Sawtschenko für die antirussischen Kreise in der Ukraine zur Heldenfigur geworden.

Für ihre russischen Gegner hingegen ist das „provokative“ Auftreten der Ukrainerin nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver, um die Aufklärung der Geschehnisse im Sommer 2014 zu verhindern. Fest steht, dass Sawtschenko in der Nähe war, als die Journalisten getroffen wurden.

Sawtschenko selbst gibt an, sie habe nach einem Angriff auf Truppentransporter nachschauen wollen, ob jemand verletzt sei. Dann sei sie von prorussischen Aufständischen auf ukrainischem Boden „entführt“ worden. Die Staatsanwaltschaft gibt an, Sawtschenko sei auf russischem Gebiet festgenommen worden. In dem Prozess in Donezk sagte die Angeklagte, sie würde „niemals auf eine unbewaffnete Person schießen“.

Schon im Irak-Krieg an Seite der USA

Schon früh nahm Sawtschenkos Werdegang ungewöhnliche Wendungen. Sie wurde Fallschirmjägerin und war die einzige Frau unter 1.690 ukrainischen Soldaten, die an der Seite der USA in den Irak-Krieg zogen. „Ich glaube, dass man erst nach einem Kampfeinsatz, bei dem man Schießpulver gerochen hat, Offizier werden sollte“, sagte Sawtschenko damals. Als Nächstes bewarb sie sich an der Universität der Luftwaffe in Charkiw - und wurde als eine von wenigen Frauen aufgenommen.

Nach dem Abschluss im Jahr 2009 wurde sie als Kampfhubschrauberpilotin eingesetzt. Doch wollte sie eigentlich ans Steuer von Kampfjets. Wohl aus Frustration über das langsame Fortkommen nahm sie im Frühjahr 2014 eine „Auszeit“ und verpflichtete sich beim rechtsextremen Freiwilligenbataillon Aidar. Diese Formation wird von Moskau als „faschistisch“ gebrandmarkt und wurde auch vom UNO-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) der Folter von Gefangenen bezichtigt. Zur Zeit ihrer Festnahme war Sawtschenko für das Aidar-Bataillon im Einsatz.

In Abwesenheit ins Parlament gewählt

Während ihrer Inhaftierung in Russland wurde Sawtschenko über die Liste der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko in Abwesenheit ins Parlament von Kiew gewählt. Präsident Petro Poroschenko zeichnete sie im März 2015 mit dem höchsten Verdienstorden der Ukraine aus. Poroschenko bot schon vor dem Urteilsspruch an, die wie eine Volksheldin gefeierte Sawtschenko im Fall einer Verurteilung gegen zwei russische Soldaten auszutauschen.

Dmitry Zaks, AFP

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