„Auftrag aus dem Kreml erfüllt“
Ein russisches Gericht hat die ukrainische Soldatin Nadeschda Sawtschenko in einem umstrittenen Mordprozess zu 22 Jahren Lagerhaft verurteilt. Das Ende der zweitägigen Urteilsverlesung nutzte die wegen Mordes verurteilte Kampfpilotin am Dienstag, um möglicherweise für lange Zeit ein letztes Mal in aller Öffentlichkeit klarzumachen, was sie von dem Urteil und dem russischen Gerichtsverfahren hält.
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Die Urteilsverkündung in der südrussischen Kleinstadt Donezk nahe der ukrainischen Grenze musste mehrmals unterbrochen werden. Sawtschenko sang, auf ihrer Anklagebank stehend und mit einem T-Shirt mit der ukrainischen Nationalflagge bekleidet, währenddessen die ukrainische Nationalhymne ab. Ein paar Sympathisanten von ihr im Gerichtssaal wurden am Ausrollen einer ukrainischen Flagge gehindert.
Gericht folgte Anklage fast vollständig
Das Gericht hatte die 34-Jährige bereits am Montag für schuldig befunden, maßgeblich am Tod von zwei russischen Reportern im Kriegsgebiet Ostukraine beteiligt gewesen sein. Laut der Anklage dirigierte sie bei russisch-ukrainischen Feuergefechten Mörserbeschuss bewusst in Richtung der zwei Journalisten. Richter Leonid Stepanenko bestätigte das am Dienstag. „Das Gericht hat keinen Grund, den Angaben der Zeugen der Anklage nicht zu glauben“, sagte er.

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Sawtschenko vor der Urteilsverkündung
Sawtschenko wies während des gesamten Verfahrens und auch noch am Dienstag alle Vorwürfe zurück. Das Gericht folgte mit dem Urteil fast vollständig den Forderungen der Staatsanwälte. Die Anklage hatte insgesamt 23 Jahre Lagerhaft gefordert. Da die Soldatin seit Ende Juni 2014 in Russland in Haft ist, beläuft sich der Rest ihrer Haftstrafe auf rund 20 Jahre. Sie will nicht gegen das Urteil berufen, da sie es damit aus ihrer Sicht als Rechtsakt anerkennen würde.
„Sogenanntes Urteil“
Die gesamte politische Führung der Ukraine protestierte gegen das Verfahren. Die Ukraine werde „nie - ich wiederhole: nie - diesen Schauprozess gegen Nadeschda Sawtschenko anerkennen, ebenso wenig wie dieses sogenannte Urteil“, erklärte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in einer Reaktion. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin erklärte, der Kampf um Sawtschenkos Freiheit sei damit nicht vorbei.

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Demonstration vor der russischen Botschaft in Kiew
Gegenüber der deutschen „Bild“-Zeitung (Mittwoch-Ausgabe) betonte Klimkin außerdem, die Ukraine erkenne das Urteil mit gutem Grund nicht an: Das Gericht habe „über eindeutige Unschuldsbeweise“ hinweggesehen, stattdessen „gefälschte Beweise der Anklage“ übernommen und habe „einen klaren Auftrag aus dem Kreml erfüllt: Sawtschenko um jeden Preis schuldig zu sprechen“.
Geheimes Versprechen von Putin?
Russland wurde wegen des Prozesses auch von mehreren anderen Staaten scharf kritisiert, die Sawtschenkos Freilassung forderten. Einer von Sawtschenkos Anwälten, Mark Feigin, rief auf der Internetplattform Twitter zu „friedlichen Demonstrationen“ auf, um gegen das „kriminelle Urteil“ zu protestieren. Sawtschenko selbst war aus Protest gegen ihre Inhaftierung während des Verfahrens mehrmals in Hungerstreik getreten und hatte Anfang März auch mehrere Tage lang das Trinken verweigert.

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Prorussische Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude in Donezk
Poroschenko sprach jedoch davon, dass ihre Freilassung - im Austausch zu zwei gefangenen russischen Soldaten - zwischen ihm und Russlands Präsident Wladimir Putin bereits längst abgemachte Sache sei. Das habe Putin bei gemeinsamen Gesprächen zugesagt - "nun ist es an der Zeit, dieses Versprechen einzuhalten. Der Kreml reagierte darauf mit der Äußerung, man gehe „strikt gemäß den Gesetzen vor“ - und dem Zusatz: „Über den Rest zu entscheiden, obliegt dem Präsidenten.“
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