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Ministerin habe „kein Recht“ auf Einsicht

Ein Brief des Innenministeriums an zwölf NGOs sorgt weiter für Aufruhr. In dem Schreiben wurden sie aufgefordert, jene Spenden bekanntzugeben, die sie für ihre Arbeit mit Flüchtlingen erhalten haben. Diese Summe will der Bund von den Zahlungen abziehen, die den Organisationen für ihre Hilfsarbeit zustehen. Die Organisationen lehnen sich gegen die Aufforderung auf und kündigen Gegenwehr an.

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Man werde die Spenden „sicher nicht“ offenlegen, so Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe, aus dem griechisch-mazedonischen Grenzort Idomeni im Gespräch mit der ZIB2. Wenn, dann könne es sich nur um Spendenmittel handeln, die extra für den Transit angedacht waren. Es stehe Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nicht zu, dass man ihr gegenüber die Spenden offenlege. Man sei den Spendern verpflichtet, diese würden nicht eine eigentlich hoheitliche Aufgabe der Republik finanzieren, sondern wollten „on top“ (zusätzlich, Anm.) spenden.

Fördervertrag oder Leistungsvertrag?

Fenninger kritisiert, dass überhaupt die Rede von einem Fördervertrag sei. Immerhin habe Österreich seine hoheitliche Aufgabe, die Menschen im Transit zu versorgen, zu weiten Teilen auf NGOs ausgelagert. Damit müsse man eigentlich von einem „Leistungsvertrag“ sprechen, dessen Erfüllung abgegolten gehöre. Weiters sei interessant, dass die Bundesregierung noch vor einigen Jahren Spenden teils verdoppelt habe - heute versuche man die Gelder für sich zu lukrieren, was einen „absoluten Kulturbruch in Österreich“ darstelle.

Erich Fenninger von der Volkshilfe

„Wir werden die Spenden sicher nicht offenlegen ... Es steht der Ministerin nicht zu, dass wir ihr unsere Spenden offenlegen“, sagt Erich Fenninger von der Volkshilfe zur Aufforderung des Innenministeriums.

Dabei gehe es nicht nur um die Versorgung von Transitflüchtlingen in Österreich. Derzeit sind mehrere österreichische NGOs an Ort und Stelle tätig, etwa im griechisch-mazedonischen Grenzort Idomeni, wo sich rund 13.000 Flüchtlinge in Zelten vor der gesperrten mazedonischen Grenze gesammelt haben. Ein Ende der Bewegung zeichnet sich derzeit trotz des in Kraft stehenden Deals zwischen EU und Türkei nicht ab. Im Laufe des Montags sind erneut mehr als 1.600 Menschen über die Türkei in Griechenland eingetroffen.

Auch Rotes Kreuz pocht auf Zweckwidmung

Im Laufe des Montags hatte eine Vielzahl von NGOs ihrem Ärger Luft gemacht. Caritas-Wien-Geschäftsführer Klaus Schwertner etwa forderte im Ö1-Mittagsjournal, „dass die Bundesregierung hier nicht in die Taschen der Spenderinnen und Spender“ greife. Auch Bundesrettungskommandant Gerry Foitik betonte, dass der „Griff in die Spendenkassa durch den Staat“ von allen Hilfsorganisationen abgelehnt werde.

Wie Fenninger ließ auch Foitik anklingen, dass man dem Ministerium nicht alle Spenden zur Flüchtlingshilfe nennen werde: „Dort, wo vereinzelt Menschen gespendet haben, auch Geld gespendet haben, etwa für ein bestimmtes Transitflüchtlingsquartier oder Nickelsdorf, dort bedeutet diese Zweckwidmung natürlich auch, dass wir diese Spenden dafür einsetzen“, so Foitik. Das sei aber nur „ein geringer Bruchteil der gesammelten Spenden“. Ähnliche Töne kamen vom Arbeiter-Samariter-Bund.

Verhandlungen „nicht immer leicht“

Das Innenministerium begründet den Brief mit der im Herbst 2015 zwischen Bund und NGOs vereinbarten Sonderrichtlinie, in der es heißt, dass „grundsätzlich nur jene Kosten förderbar sind, die (...) nicht durch Zuwendung Dritter (insbesondere Spenden) abgedeckt sind“. Auf die Frage, warum man die Richtlinie überhaupt unterzeichnet habe, antwortet Fenninger damit, dass die Volkshilfe eine Hilfsorganisation mit vielen Gliederungen sei, die es in Verhandlungen nicht immer leicht habe.

Es mag wohl auch mit der Sonderrichtlinie zusammenhängen, dass die Kritik der NGOs trotz der Betroffenheit vergleichsweise zahm ausfiel, vor allem weil die Organisationen mit dem Bund zurzeit über eine Nachfolgeregelung für die Sonderrichtlinie verhandeln. Sie läuft Ende März aus. Das Innenministerium reichte nach der Kritik die heiße Kartoffel im Übrigen ans Finanzministerium weiter. Man sei aufgefordert worden, den Brief zu verschicken. Dort wiederum heißt es, das Schreiben diene dazu, die NGOs auf die Rechtslage hinzuweisen. Diese sei im Sinne des Steuerzahlers einzuhalten.

Wie der NGO-Dachverband Interessenvertretung Gemeinnütziger Institutionen (IGO) am Montag in einer Aussendung ankündigte, wurde der Verfassungsrechtler Heinz Mayer nun allerdings mit einem Gutachten beauftragt, das den „inakzeptablen Angriff auf die Unabhängigkeit“ der NGOS auf „sein Rechtskonformität hin untersuchen“ solle.

Lob und Tadel aus Politik

Seitens der Opposition übten vor allem die Grünen heftige Kritik. Bundessprecherin Eva Glawischnig sprach von einer Aktion, die „an Bösartigkeit nicht zu überbieten“ sei. NEOS sprach von „Zechprellerei“. Beide forderten Innen- und Finanzministerium zu einer Kehrtwende auf. Lobende Worte fand die FPÖ, auch wenn die Partei am liebsten sehen würde, dass gar keine Gelder mehr flössen. "Spenden, die Hilfsorganisationen für die Flüchtlingsunterstützung bekommen haben, von deren Förderung abzuziehen ist im Sinne des Steuerzahlers. Auch Team-Stronach-Generalsekretär Christoph Hagen äußerte „vollstes Verständnis“ für die Vorgangsweise der Regierung.

Als Reaktion auf den Brief des Ministeriums wurde inzwischen eine Onlinepetition gestartet. Unter dem Schlagwort „Spende bleibt Spende“ appellieren die Initiatoren an Mikl-Leitner, der Staat dürfe „sich nicht aus der Verantwortung stehlen, indem er nachträglich unsere Spenden dafür einzieht, wofür er von Anfang an verantwortlich gewesen wäre“. Der Petitionsaufruf zog in Sozialen Netzwerken mittlerweile weite Kreise. Innerhalb weniger Stunden unterzeichneten Tausende Menschen den offenen Brief.

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