Griechenland kämpft mit Umsetzung
Der Start des Samstagmitternacht in Kraft getretenen Flüchtlingspakts zwischen EU und Türkei ist mehr als holprig verlaufen. Besonders Griechenland kämpft mit der Umsetzung des Abkommens. Nach wie vor kommen Hunderte Flüchtlinge über die Ägäis aus der Türkei nach Griechenland.
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Trotz der geplanten Zwangsrückführung erreichten noch in der Nacht auf Sonntag 875 Flüchtlinge Griechenland. Vor dem offiziellen Start des Abkommens kamen am Samstag fast 1.500 Menschen aus der Türkei nach Griechenland. Zum Vergleich: Am Freitag waren es 670 Menschen, am Donnerstag 239. Ankara verpflichtete sich mit dem Abkommen, ab 20. März die auf irregulärem Weg von der Türkei nach Griechenland gekommen Flüchtlinge wieder zurückzunehmen. Für jeden in die Türkei zurückgebrachten syrischen Flüchtling will die EU einen Flüchtling aus dem Land aufnehmen. Die tatsächliche Rücksendung soll am 4. April beginnen.
Türkei hindert Flüchtlinge an Überfahrt
Schon jetzt versucht die Türkei offenbar, die Flüchtlinge von ihrem Weg Richtung EU abzuhalten. CNN Türk zufolge sollen mehr als 3.000 Flüchtlinge in der Türkei an der Überfahrt nach Griechenland gehindert worden sein. Allein im Bezirk Dikili in der Provinz Izmir wurden demnach am Samstag fast 2.000 Flüchtlinge in Gewahrsam genommen - die meisten stammten aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Ein Teil sei vorübergehend in einer Sporthalle festgehalten worden. Einige hätten dagegen protestiert und Scheiben eingeschlagen.
Schon zuvor hatte die türkische Küstenwache mitgeteilt, dass etwa 200 Flüchtlinge, die versucht hätten, die griechische Küste zu erreichen, aufgegriffen und in die Türkei zurückgebracht worden seien. Sie wurden 36 Stunden lang auf einem Schiff festgehalten und später in ein Gefängnis der Hafenstadt Dikili gebracht, wo sie gegen ihre Inhaftierung protestierten.
Griechenland fehlen Experten und Dolmetscher
Das EU-Türkei-Abkommen sieht vor, dass Griechenland illegal eingereiste Flüchtlinge ab Anfang April zwangsweise in die Türkei zurückbringen kann. Zuvor haben die Schutzsuchenden aber das Recht auf Einzelfallprüfung in Griechenland - eine Herausforderung für das Land. „So ein Plan lässt sich nicht in 24 Stunden in die Tat umsetzen“, kritisierte ein Sprecher des griechischen Krisenstabs am Sonntag. Es fehlen vor allem Polizisten und Übersetzer.

AP/Petros Giannakouris
Fähren bringen Flüchtlinge von den griechischen Inseln auf das Festland
Laut EU-Kommission braucht Griechenland an der EU-Außengrenze Hunderte zusätzliche Experten und Dolmetscher, um die Asylanträge zu bearbeiten. Die EU stellte bereits Hilfe in Aussicht, von einigen Ländern gibt es Zusagen. Doch gibt es noch keine innereuropäische Abmachung darüber, wer wie viel Personal auf welche Weise bereitstellt, geschweige denn konkrete zwischenstaatliche Abmachungen zur Regelung der verwaltungsrechtlichen Abläufe.
„Tappen im Dunkeln“
Die griechischen Behörden klagen aber auch über zahlreiche offene Fragen bei der konkreten Umsetzung des am Verhandlungstisch ausgehandelten Ergebnisses. „Wir tappen in Zusammenhang mit den Modalitäten im Dunkeln“, sagte etwa ein Offizier der griechischen Küstenwache gegenüber der dpa. Es sei unklar, was geschehen soll, wenn sich eine Menge von 500 oder 1.000 Menschen weigern sollte, an Bord von Schiffen zu gehen, die sie zurück in die Türkei bringen sollen. Die griechische Regierung stellte inzwischen Fähren bereit, um die Flüchtlinge von den Inseln in Lager auf dem Festland zu bringen.
Anfang April soll auch die Umsiedlung von bis zu 72.000 syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen aus der Türkei nach Europa beginnen. Offen ist, welches EU-Land wie viele Menschen aufnimmt. Der deutsche Kanzleramtsminister Peter Altmaier will den Verteilungsschlüssel anwenden, der bereits im Juni und September vergangenen Jahres beschlossen worden sei. Europa werde „gemeinsam die Last tragen“. Nur Ungarn und die Slowakei hätten sich ausgeklinkt.
Nicht geklärt ist auch, was mit den derzeit in Griechenland festsitzenden Flüchtlingen geschehen soll. Derzeit halten sich in dem Lager Idomeni an der Grenze zu Mazedonien nach Angaben des griechischen Krisenstabs etwa noch rund 12.000 Menschen auf. Insgesamt sollen Behörden zufolge derzeit rund 47.500 Flüchtlinge in Griechenland sein.
Fokus auf Libyen
Mit dem EU-Türkei-Abkommen und der Schließung der Balkan-Route wird erwartet, dass nun neue Fluchtwege entstehen, um nach Mitteleuropa zu gelangen. Schon am Samstag retteten spanische, italienische und deutsche Marineschiffe Hunderte in Seenot geratene Bootsflüchtlinge vor der libyschen Küste. Libyen droht damit wieder ein Brennpunkt in der Flüchtlingskrise zu werden. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini befürchtet einem Bericht des Onlineportals Politico.eu zufolge, dass sich mehr als 450.000 Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland auf den gefährlichen Seeweg über das Mittelmeer nach Europa machen könnten.
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