Anwalt will Staatsanwaltschaft klagen
Der Terrorverdächtige Salah Abdeslam, der an den Paris-Anschlägen vergangenen November beteiligt gewesen sein soll, sei bereit gewesen, „von Brüssel aus etwas Neues anzufangen“, sagte der belgische Außenminister Didier Reynders am Sonntag bei einer Veranstaltung der US-Stiftung German Marshall Fund.
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Reynders und die Ermittler schenkten dieser Behauptung Abdeslams Glauben, wurden doch „zahlreiche Waffen, schwere Waffen bei den ersten Untersuchungen gefunden, und wir haben ein neues Netzwerk von Menschen um ihn herum in Brüssel gesehen“, erklärte Reynders. Es seien inzwischen mehr als 30 Menschen gefunden worden, die an den Terrorattacken in Paris beteiligt gewesen seien, „aber wir sind sicher, dass es noch andere gibt“, zeigte sich der Außenminister überzeugt.
Weitere Fahndung nach Komplizen
Abdeslam war am Freitagnachmittag in der als Islamistenhochburg geltenden Brüsseler Gemeinde Molenbeek festgenommen und dabei leicht am Bein verletzt worden. Insgesamt wurden laut Ermittlern fünf Verdächtige festgenommen, darunter soll auch eine Familie gewesen sein, die Abdeslam Zuflucht gewährt hatte. Neben Abdeslam befindet sich inzwischen nur noch ein Verdächtiger wegen der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in Gewahrsam.

Reuters/Eric Vidal
Abdeslam sitzt in einem Spezialgefängnis in Brügge in Haft
Nun wird noch nach zwei Verdächtigen gefahndet, die an den Anschlägen beteiligt gewesen sein sollen. Die internationale Polizeibehörde Interpol rief alle Mitgliedsländer zu erhöhter Wachsamkeit bei Grenzkontrollen auf. Frankreich entsandte zusätzlich 5.000 Polizisten an seine Grenzen, wie der französische Innenminister Bernard Cazeneuve mitteilte.
Neue Details zum Attentat
Nach der Vernehmung des Verdächtigen wurden neue Details zum mutmaßlichen Ablauf der Paris-Anschläge bekannt. Abdeslam soll zugegeben haben, am 13. November in Paris gewesen zu sein. Ermittlern zufolge war der Islamist als Fahrer und Mitattentäter eines Selbstmordkommandos bei dem Länderspiel Deutschland-Frankreich im Stade de France, machte dann aber einen Rückzieher und entledigte sich seines Sprengstoffgürtels. Das habe Abdeslam nach seiner Festnahme angegeben, so die Behörden.
Laut dem französischen Staatsanwalt Francois Molins hatte der 26-Jährige mit einem Kleinwagen das Selbstmordkommando zum Stade de France gefahren, das dort während des Fußballländerspiels Frankreich-Deutschland ein Massaker anrichten sollte. Auch Abdeslam selbst habe sich im Stadion in die Luft sprengen wollen, sich dann aber doch anders entschieden. Das Motiv für seinen Sinneswandel, von dem er laut Molins bei den Vernehmungen berichtete, ist unklar.

APA/AFP/Beldische Polizei
Die anderen drei Selbstmordattentäter vom Stade de France sprengten sich letztlich vor dem Stadion in die Luft, weil sie nicht hineingelangten. Ein Passant starb dabei. Insgesamt wurden bei den Anschlägen 130 Menschen umgebracht und mehr als 350 verletzt. „Viele Fragen sind noch offen“, sagte Molins zur Rolle Abdeslams, vor allem dazu, was Abdeslam nach dem Beginn des Terrorangriffs tat.
Aufenthalt auch in Österreich
Der in Belgien aufgewachsene Franzose - mit französischer und marokkanischer Staatsbürgerschaft - schleuste Molins zufolge außerdem Dschihadisten nach Europa und besorgte Bombenmaterial. Dazu hätten mehrere Aufenthalte in Italien, Griechenland, Ungarn, Österreich, Deutschland, den Niederlanden und in Frankreich im vergangenen Sommer und Herbst gedient.
Am 9. September 2015 sei Abdeslam mit zwei Begleitern an der ungarisch-österreichischen Grenze kontrolliert worden. Einer von ihnen sei wahrscheinlich der Verdächtige, der vergangenen Dienstag bei einem Einsatz der belgischen Polizei im Brüsseler Vorort Forest getötet wurde. Der zweite Begleiter sei weiterhin flüchtig.
Frankreich verlangt Auslieferung
Frankreich erließ einen europäischen Haftbefehl gegen Abdeslam und will ihm dadurch im Land der Anschläge den Prozess machen. Hinterbliebene der Terroropfer forderten ebenfalls die schnellstmögliche Auslieferung. Belgiens Regierung hatte zuvor bereits signalisiert, dass es dagegen keine politischen Einwände gebe. Wegen rechtlicher Verfahren könne das jedoch noch einige Wochen dauern.
Abdeslams Anwalt Sven Mary will wegen Molins Äußerungen Klage gegen die französische Staatsanwaltschaft wegen Bruchs des Ermittlungsgeheimnisses einreichen und eine Auslieferung seines Mandanten an Frankreich verhindern. Molins habe während seiner Pressekonferenz „das Ermittlungsgeheimnis verletzt“, sagte Anwalt Mary gegenüber belgischen Medien. Deshalb werde er Klage einreichen.
Die französische Strafprozessordnung sieht für bestimmte Fälle Ausnahmen vom Ermittlungsgeheimnis vor. So heißt es in Artikel 11, der Oberstaatsanwalt könne „objektive Elemente“ aus dem Verfahren öffentlich machen - ohne die Stichhaltigkeit der gegen die Beschuldigten erhobenen Vorwürfe zu beurteilen.
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