Themenüberblick

Rückführungen ab 4. April

Die Europäische Union und die Türkei haben sich bei ihrem Gipfel in Brüssel am Freitag auf ein Abkommen geeinigt, mit dem die Flüchtlingsbewegung über die Ägäis nach Europa gestoppt werden soll. Kernpunkt ist die türkische Zusage, alle Migranten und Flüchtlinge zurückzunehmen, die ab dem 20. März irregulär von der Türkei aus in Griechenland einreisen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der 20. März wird dabei als Stichtag festgelegt, ab dem die Türkei alle auf die griechischen Inseln kommenden Flüchtlinge und Migranten zurücknehmen soll. Ab dem 4. April solle die Rückführung in die Türkei starten, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Alle Flüchtlinge werden in Griechenland zunächst erfasst und ihre Anliegen individuell geprüft.

Eine Ausnahme soll es bei der Rücknahme nur für Bürgerkriegsflüchtlinge geben, die Asyl in Griechenland selbst beantragen. Für die Prüfung und Zurücksendung der anderen soll auch Personal aus der Türkei und anderen EU-Staaten auf griechischen Inseln eingesetzt werden. Auch die UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR soll eingebunden werden, um sicherzustellen, dass EU-Recht und die Anforderungen der Genfer Flüchtlingskonvention gewahrt werden. Die EU übernimmt die Rückführungskosten der Menschen in die Türkei.

1:1-Austausch von Flüchtlingen

Für jeden Syrer, der nach dem Stichtag aus der Türkei nach Griechenland kommt und dann von der Türkei zurückgenommen wird, soll ein anderer Syrer von der EU direkt aus der Türkei aufgenommen werden. Die Idee dahinter: Es soll für Bürgerkriegsflüchtlinge unattraktiv werden, sich auf eigene Faust und mit Hilfe von Schleppern auf den Weg in die EU zu machen. Denn wer zurückgeschickt wird, verwirkt die Chance auf eine legale Migration in die EU.

Klappt es, mit dem 1:1-Verfahren, die Zahl der Flüchtlinge Richtung null zu bringen, soll in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob man der Türkei direkt ein Kontingent an Bürgerkriegsflüchtlingen abnehmen kann, weil das Land bereits rund 2,7 Millionen Syrer beherbergt. Griechenland soll bei der Umsetzung der Vereinbarung und vor allem der Prüfung der Asylanträge unterstützt werden, außerdem soll der Ausbau von Registrierzentren vorangetrieben werden.

Visaliberalisierung wird beschleunigt

Im Gegenzug wird der Fahrplan zur Visaliberalisierung für die Türkei beschleunigt. Ziel ist die Aufhebung der Visumspflicht für Türken bis „spätestens Ende Juni 2016“. Dazu soll die EU-Kommission bis Ende April eine Empfehlung vorlegen, ob die Türkei die dafür nötigen Anforderungen erfüllt. Diese Empfehlung wird dann dem EU-Rat und dem Europäischen Parlament vorgelegt. Das Wort „Visafreiheit“ wird in dem Entwurf nicht erwähnt, ist aber normalerweise das Ziel einer EU-Visaliberalisierung.

Zudem soll noch in der ersten Jahreshälfte ein weiteres Kapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei geöffnet werden. Die EU und die Türkei wollen zudem die gemeinsame Zollunion ausbauen. Neben der raschen Auszahlung der vereinbarten drei Milliarden Euro für die Versorgung syrischer Flüchtlinge stellt die EU weitere drei Milliarden Euro als Anschlussfinanzierung 2018 in Aussicht. Das Geld soll nur für konkrete Flüchtlingsprojekte in der Türkei verwendet werden.

Um zu verhindern, dass es neue Flüchtlingsbewegungen aus Syrien in die Türkei gibt, wollen beide Seiten daran arbeiten, in Nordsyrien in der Nähe der türkischen Grenze Zonen zu definieren, in den sich Flüchtlinge sicherer fühlen sollen. Das Wort „Sicherheitszone“, das etwa auch militärischen Schutz beinhalten würde, wurde allerdings vermieden. Auch will die EU den Kampf gegen Schlepper verstärken und die Einheitsregierung in Libyen unterstützen.

Verteilung bleibt Herausforderung

Eine besondere Herausforderung wird wohl die Verteilung der Menschen innerhalb der EU: Auf Druck der Osteuropäer und einiger anderer EU-Staaten war bereits Anfang März festgehalten worden, dass diese Länder keine neue Verpflichtungen zur Aufnahme von Flüchtlingen eingegangen sind. Allerdings hieß es in der damaligen Abschlusserklärung auch, dass die EU-Mitgliedstaaten ersucht werden, „dringend mehr Umsiedlungsplätze“ bereitzustellen. Die EU-Kommission soll monatlich prüfen, ob die eingegangenen Verpflichtungen der EU-Staaten zur Aufnahme von Flüchtlingen wirklich umgesetzt werden.

In der EU-Gipfelerklärung vom 18. März heißt es nun, dass für das 1:1-Umsiedlungsverfahren zunächst 18.000 Plätze zur Verfügung stehen. Diese sind Teil der von den EU-Staaten bereits beschlossenen Verpflichtung, 22.000 Flüchtlinge direkt aus Syrien-Anrainerstaaten wie dem Libanon, Jordanien oder eben der Türkei aufzunehmen. Die Hoffnung der EU ist, dass die Zahl von 18.000 aber nicht erreicht wird.

Aufnahme von Flüchtlingen nur freiwillig

Sollten dennoch mehr Bürgerkriegsflüchtlinge irregulär nach Griechenland kommen und in die Türkei zurückkehren müssen, soll ein zweites Kontingent von 54.000 Personen greifen, für das das 1:1-Schema greifen soll. Auf diese Zahl zur Verteilung auf die EU-Staaten hatten sich die EU-Regierungen ebenfalls bereits 2015 geeinigt, damals zur Entlastung Ungarns. Wegen der ungarischen Abschottung war dieses Kontingent aber nie ausgeschöpft worden.

Betont wird, dass diese Maßnahme zeitlich befristet ist und sich die EU-Staaten freiwillig an der Aufnahme der insgesamt 72.000 Menschen aus der Türkei beteiligen können. Die deutsche Kanzlerin Merkel erwartet, dass sich fast alle Staaten beteiligen. Steigt die Zahl über 72.000, endet dieser Verteilmechanismus, heißt es im Abkommen. Die Umsiedlung von Flüchtlingen aus Griechenland soll schneller vorangehen.

Wenn dieser Ansatz erfolgreich ist und tatsächlich keine Flüchtlinge mehr kommen, soll die Türkei dennoch eine Entlastung bekommen: Dann sollen freiwillige Kontingente festgesetzt werden, mit denen EU-Staaten auf freiwilliger Basis syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aus der Türkei aufnehmen wollen.

Links: