Regisseur Barry Levinson und Drehbuchautor Mitch Glazer wollten mit „Rock the Kasbah“ viel - allzu viel. Schonungsloser Realismus in Bezug auf die Realität Afghanistans einerseits, witzige Komödie andererseits - und dazu eine musikalisch-inszenatorische Zeitreise zwischen den Kulturen. Das geht sich nicht aus.
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Barry Levinsons große Erfolge liegen schon eine Zeit lang zurück. „Good Morning, Vietnam“ (1987), „Rain Man“ (1988), „Bugsy“ (1991), „Sleepers“ (1996) und „Wag the Dog“ (1997). Drehbuchautor Mitch Glazer schrieb einige Drehbücher, die dann mit seinem Freund Bill Murray verfilmt wurden, darunter „Die Geister, die ich rief“ (1988) und zuletzt „A very Murray Christmas“ (2015), bei Murrays größtem Erfolg der letzten 20 Jahre, Sophia Coppolas „Lost in Translation“ (2003), trat er als Associate Producer auf.
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Bill Murray spielt den abgehalfterten Rock-Manager Richie Lanz
Produzent Jacob Pechenik steuerte seine Ehefrau Zooey Deschanel als Schauspielerin bei. In weiteren Rollen sind Bruce Willis zu sehen und Kate Hudson, aufgewachsen mit ihrer Mutter Goldie Hawn und Stiefvater Kurt Russell. Was sollte da noch schiefgehen? Politkomödien („Wag the Dog“), sogar mit dramatischem Kriegshintergrund („Good Morning, Vietnam“) kann der Regisseur. Bill Murray ist der Meister des tragikomischen Schmähs und der (mehr oder weniger) niveauvollen, transkulturellen Komödie („Lost in Translation“), Bruce Willis bringt Action und trocken-lakonischen Humor mit, Kate Hudson liegt die Komödie im Blut.
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Bruce Willis in einer Nebenrolle als der Söldner Bombay Brian
Das übersehene Warnsignal
Ein erstes Warnsignal hätte sein sollen, dass sechs Jahre lang kein Studio den Film haben wollte. Niemand war bereit, Geld in die Umsetzung des Drehbuchs zu investieren. Nur Bill Murray hatte von Anfang an zugesagt - er war begeistert. Nun ist der Film in den USA angelaufen, und die Kinogänger sind „not amused“. Nur 33 Prozent von über 11.000 Votern auf Rotten Tomatoes bewerten den Film positiv (ein dramatisch schlechter Wert) und überhaupt nur sechs Prozent der Kritiker. Durchgefallen - setzen.
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Sängerin Ronnie wird von Zooey Deschanel dargestellt
Zunächst zur Handlung. Murray spielt den abgehalfterten Rock-Manager Richie Lanz, der eine Sängerin (Zooey Deschanel) - ziemlich gegen ihren Willen - nach Afghanistan schleppt, wo sie vor GIs auftreten soll. Doch noch vor dem ersten Gig flieht sie - mit Richies Pass und Geld. Um wieder flüssig zu werden, spielt Richie für zwei windige Waffenhändler den Kurier, beschützt vom Söldner Bombay Brian (Bruce Willis). In dem paschtunischen Dorf, das sich bewaffnen will, geht Richie nachts pinkeln - und hört von der Weite Gitarrenklänge und wundervollen Gesang.
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Kate Hudson in ihrer Rolle als Prostituierte
Das Höhlenmädchen und Cat Stevens
Wer sich den Film anschauen möchte, sollte diesen einen Absatz überspringen - es wird viel vom Inhalt verraten. Die Tochter des Dorfchefs (Leem Lubany als Salima Khan) zieht sich des Nachts heimlich in eine Felsenhöhle zurück, um Cat-Stevens-Songs (alias Yusuf Islam) zu üben. Das fasziniert Richie, und deshalb bringt er mit Hilfe der Prostituierten Merci (Kate Hudson) die junge Frau zur Castingshow „Afghan Star“, obwohl deren Vater es verbietet. Am Ende gewinnt sie die Show, der Vater ist versöhnt und Murray und Willis dürfen sich sogar noch mit schweren Waffen kämpferisch in Szene setzen.
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Leem Lubany spielt Salima Khan
Es ist also ein modernes Märchen mit Komödien- und Action-Elementen, das hier erzählt wird. Nur: Die Charaktere bekommen kein Eigenleben zugestanden, sie verkommen zu Karikaturen - im ungewollten Sinn. Die einzelnen Aspekte der Story werden lieblos gestreift, es kommt vor, was vorkommen muss: Auto explodiert auf Landmine, skrupellose Waffenhändler, unterdrückte Frau auf dem Weg zur Selbstbefreiung, harter Söldner mit gutem Herz, ein konservativer Paschtune, der sich erweichen lässt und dazu Bill Murray, der seit „Ghost Busters“ sich selbst spielt (was ja auch oft gut passt und charmant sein kann).
Die wahre Geschichte hinter dem Film
Der Film ist an einigen Stellen recht witzig, aber es überwiegt das Fremdschämen. Die Musikauswahl macht es nicht gerade besser. Um zu zeigen, dass Richie seine besten Tage in den 80er Jahren hatte, wird billige 80er-Charts-Musik gespielt, dazu noch ein Schuss 70er. Das mag inhaltlich stimmig sein - wäre aber nur dann cool, wenn die trashigen Songs durch die hohe Qualität des Films konterkariert würden. Das war wohl der Plan - aber so passt die Musik zum Film und verstärkt den Eindruck: billig und aus der Zeit gefallen.
Dabei zeigt die wahre Geschichte hinter dem Film das ganze Dilemma Afghanistans auf. „Befreit“ nach den Statuten, demokratisch in der Theorie, aber draußen im Hinterland fest in der Hand von islamisch-konservativen Hardlinern. In dieser Situation trat mit Setara Hussainzada tatsächlich eine muslimische Frau bei „Afghan Superstar“ auf (im Video über diesem Absatz zu sehen). Nur war die Realität eine ganz andere als im Murray-Märchen. Hussainzada wurde bald abgewählt, muss seit dem Ende der Show massiv um ihr Leben fürchten, lebt von ihrem ersten Mann getrennt, musste von Herat nach Kabul übersiedeln und trägt ständig eine Waffe bei sich. Das ist natürlich weniger romantisch und witzig als das Ende von „Rock the Kasbah“.