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„Ich bin ein Feminist“

Justin Trudeau, der Ende 2015 gewählte liberale Premierminister Kanadas, hat bei einem UNO-Treffen zur Geschlechtergleichheit am Mittwoch erneut sein Engagement für die Gleichberechtigung unterstrichen. Bereits seit Monaten geriert sich Trudeau als Vertreter der Frauenrechte. Nicht alle sind von seiner Aufrichtigkeit überzeugt.

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Er werde „es laut und klar sagen, bis die Reaktion nur noch ein Schulterzucken“ sein werde: Er sei „ein Feminist“. Für den 44-Jährigen bedeute die Haltung lediglich, an die gleichen Rechte für Frau und Mann zu glauben. Der Ruf nach Gleichberechtigung sollte eine selbstverständliche politische Position sein - und niemand, weder Mann noch Frau, sollte das Wort fürchten.

Staatschefs sollen Kanadas Beispiel folgen

Trudeau hatte nach seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr mit einem Kabinett aus ebenso vielen Männern wie Frauen über die Grenzen Kanadas hinweg für Aufsehen gesorgt. Am Mittwoch rief er die Regierungschefs anderer Länder dazu auf, seinem Beispiel zu folgen und genug Frauen in die Regierung zu holen, auch wenn es tiefgreifende Reformen erfordere.

In festgefahrenen Machtstrukturen den Feminismus zu etablieren ist Trudeau zufolge besonders schwer. Im Kampf um Gleichberechtigung handle es sich um einen Kampf der Generationen. Während das Thema bei Menschen seines Alters und Jüngeren mittlerweile für wenig mehr als ein „Ja eh“ sorge, zeige die Ablehnung der Älteren, wie viel Arbeit noch zu tun sei.

Frau auf Banknote angekündigt

Es ist nicht das erste Mal, dass Trudeau öffentlich für die Gleichberechtigung eintritt. Schon beim Weltwirtschaftsforum in Davos Anfang des Jahres hatte er dazu aufgerufen, Feminismus anzunehmen, um die Entscheidungsfindung in Politik und Wirtschaft zu verbessern. Für Begeisterung im Publikum sorgte die Ansage, er werde seine Söhne zu Feministen erziehen - „ganz wie Papa“ einer sei.

Noch eines drauf setzte Trudeau mit der Ankündigung, dass zukünftig wieder eine „ikonische Kanadierin“ auf einer der neuen, 2018 erscheinenden Banknoten prangen werde. Bis Mitte April können sich die kanadischen Bürger für eine Frau entscheiden, die „außerordentliche Führungsqualitäten, Errungenschaften oder Auszeichnungen zugunsten der kanadischen Öffentlichkeit vorweisen kann“, so die Bank of Canada.

Hände schütteln und Babys küssen 2.0

Trudeaus Vorstöße sorgen bei großen Teilen der kanadischen Bevölkerung für Begeisterung. 100 Tage nach Amtsantritt, also Ende Jänner, zeichneten sich laut der „Montreal Gazette“ in einer Umfrage hohe Zustimmungswerte bei Jungen und Frauen ab. Andere kritisieren allerdings, dass hinter den Positionen des charismatischen 44-Jährigen wenig mehr als heiße Luft stehe. Er sei ein „Opportunist, der alles für jeden sein wolle“, so etwa ein Kritiker auf Twitter. Er vertrete alle Positionen, die nötig seien, um Wählerstimmen zu lukrieren, ein anderer.

Tatsächlich wirkt Trudeau streckenweise, als hätte man ihn in einer PR-Schmiede in Form gegossen. Als Sohn des langjährigen und beliebten Premierministers Pierre Elliott Trudeau hat er seine Wurzeln im kanadischen Politestablishment. Wohl auch deswegen gibt er sich alle Mühe, keinen Moderhauch der altgedienten Regierendenkaste an sich haften zu lassen.

In den von ihm und seinem Team viel genutzten Sozialen Medien wirkt der ehemalige Lehrer, Schauspieler und Autor mehr wie ein Popstar denn ein Politiker. Er balanciert Babys auf den Händen, kuschelt mit Pandawelpen und will mit popkulturellen Referenzen wie dem Vulkaniergruß aus „Star Trek“ anlässlich Leonard Nimoys („Mr. Spock“) Tod Beliebtheitspunkte einheimsen.

Aufholbedarf gegeben

Trudeau gibt sich jung, frisch, modern und im linksliberalen politischen Spektrum mehrheitsfähig. Neben den Frauen tritt er auch für Homosexuelle und die indigene Bevölkerung ein, macht sich außerdem für den Klimaschutz stark und will Marihuana legalisieren.

Kritiker befürchten, dass sich sein Engagement mehr als Schein denn als Sein erweisen könnte. Mit seiner Fifty-fifty-Regierung hat Trudeau zwar einen entschlossenen Schritt getan, weisen wird jedoch erst die Zukunft, wie ernst er es tatsächlich mit Initiativen zur Gleichberechtigung meint. Nötig hätte es auch Kanada jedenfalls. Laut dem die Gleichstellung der Geschlechter analysierenden Global Gender Gap Report 2015 liegt das Land auf Platz 30 und damit hinter Nationen wie Ruanda, Südafrika oder den Vereinigten Staaten.

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