Eine Serie bietet Gesprächsstoff
Ist das schon Feminismus oder doch nur ein leiser Sturm im Prosecco-Glas? „Vorstadtweiber“ bewegt Österreich wie kaum eine Serie zuvor und weiß dabei vor allem zu polarisieren. Das Treiben der Frauenrunde hat ganz offensichtlich einen Nerv getroffen - welchen genau, darüber entspinnen sich viele Diskussionen.
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Bevor es mit den Vorstadtweibern wieder bergauf gehe, gehe erst einmal alles ganz schwer bergab, ließ Drehbuchautor Uli Bree in einem Statement im Zuge der Präsentation der zweiten Staffel der „Vorstadtweiber” wissen, um eine grobe Verortung der weiteren Geschichte zu geben.
Und angesichts der sich überstürzenden Ereignisse am Ende der ersten Staffel war zu erahnen, dass die Zeit der Luxusproblemchen der frivolen Vorstadtfrauenrunde wohl ein vorläufiges Ende hat und stattdessen existenzieller Ärger ins Haus steht, der dieses Mal nicht nur Ehe- und Sexpartner betrifft, sondern auch die Justiz auf den Plan ruft. Geneigte Fans wissen: Es ist dennoch davon auszugehen, dass die eine oder andere Flasche Sprudelwein aufspringen wird.
Ein Traum von einer Quote
Intrigenspiele, korrupte Machenschaften und damit verbundene zwischenmenschliche Beziehungen, die selten ohne geschlechtliche Ebene auskommen, ergaben den Plot für einen Überraschungserfolg. Selten zuvor war die Spannung vor dem Start einer österreichischen Serienfortsetzung so hoch wie jetzt anlässlich der zweiten Staffel. Die Serie war auch in Deutschland und in die Schweiz zu sehen, wo die „Vorstadtweiber” via ARD und SRF zwei Quote machten.
Vorgeschmack auf Staffel zwei
Julia Stemberger ist neu dabei als Sylvia, Hadrians Exfrau und Georgs Schwester. Gleich zu Beginn erhält sie unerwarteten Besuch.
Mit 3,3 Millionen Zusehern erreichte die Serie im Lauf der letztjährigen Ausstrahlung 46 Prozent der österreichischen TV-Zuseher ab zwölf Jahren. Seit dem Jahr 2004 konnte an einem ORF-eins-Montag kein anderes fiktionales Programm eine größere Reichweite erlangen. Die fünfte Folge erreichte mit 984.000 Zusehern fast die magische Grenze von einer Million.
Hinweis
Direkt nach der TV-Ausstrahlung in ORF eins ist die jeweils nächste Folge von „Vorstadtweiber“ auf Flimmit zu sehen. Die finale Folge wird direkt nach ihrer TV-Premiere online gestellt - mehr dazu in extra.ORF.at.
Auch die Videoabrufe in der ORF-TVthek bewiesen eindrücklich, dass die Serie einen Nerv getroffen hat. 1,36 Millionen Abrufe im Lauf der zehn Folgen der ersten Staffel bedeuteten die meistabgerufene fiktionale Serie in der Geschichte der TVthek. Die neunte Folge hatte 171.000 Zuseher und war damit Spitzenreiter beim Webpublikum.
Mehrfache Brüche
Die zweite Staffel lässt sich inhaltlich so an, als ob sich daran wenig ändern wird – auch wenn die Stimmung in der Wiener Vorstadt zunächst im Keller ist: Maria (Gerti Drassl), Waltraud (Maria Köstlinger) und Caro (Martina Ebm) sind aus der Haft entlassen - Nicoletta (Nina Proll) sitzt immer noch ein. Doch die Freundschaft zwischen den Frauen ist, nach all den Geschehnissen rund um die Grundstücksspekulationen, zerbrochen.

ORF/Thomas Ramstorfer
Hilde Dalik, Adina Vetter, Nina Proll, Martina Ebm, Maria Köstlinger, Gerti Drassl und Julia Stemberger (von links)
Mit Brüchen anderer Art hat Georg (Jürgen Maurer) zu kämpfen. Er muss nach dem „Unfall” in der Garage, bei dem er von Gerti mit dem Auto an die Wand gedrückt wurde, seine Zeit vorerst mit kaputten Beinen im Rollstuhl verbringen. Seine Reha verschlingt viel Geld, doch ausgerechnet jetzt ist das eigens für solche unvorhergesehenen Ereignisse angelegte Sparbuch nicht auffindbar. Natürlich gerät Georgs Mutter Anna (Gertrud Roll), die endgültig ausziehen musste, in Verdacht.
Wenn im Bett nur die Chips knistern
Und auch Caro und Hadrian (Bernhard Schir) sind mit neuen Problemen konfrontiert. Das Sexleben der beiden hat einen Tiefpunkt erreicht, der mit Hilfe einer außerordentlich aufgeschlossenen Sexualtherapeutin (Nicole Beutler) überwunden werden soll. Und dann tauchen auch noch Hadrians Exfrau und Georgs Schwester (Julia Stemberger) auf.
Schonungsloses Mutter-Tochter-Gespräch
Liebe, Sex und familiäre Probleme - auch in der zweiten Staffel gibt es davon reichlich.
Mit Hilde Dalik, die Waltrauds neue Kaffeehausbekanntschaft Vanessa verkörpert, kommt neben Stemberger eine zweite neue zentrale Figur ins Spiel der Vorstadtweiber, das weiterhin aus Intrigen, Skandalen, Geheimnissen, Allianzen sowie Zerwürfnissen und etwas horizontaler körperlicher Betätigung davor, danach und dazwischen besteht. Kein Wunder, dass nach Waltraud bald die nächste im Bunde schwanger wird.
Altes Team, neue Staffel
Das enorme Interesse an der Serie, deren zweite Staffel wieder auf das bewährte Team aus Drehbuchautor Uli Bree sowie Harald Sicheritz und Sabine Derflinger als Regisseure setzt, bewegt auch die Medien. Inwiefern das selbstwusste weibliche Treiben, das nach moralischen Kategorien gemessen allerdings nicht ganz einwandfrei ist, eine Form des Feminismus verkörpere, war nur eine der vielen Stoßrichtungen in Zeitungen, Magazinen und in den Social-Media-Kanälen.
Diskutiert und analysiert wurde und wird nach wie vor eifrig - insbesondere, was die Erfolgsfaktoren der Serie betrifft. Dass trotz der noblen Oberfläche der Lebenswelt der oberen Zehntausend allzu menschliche Grundmuster durchblitzen und die Serie damit durchaus für die große Allgemeinheit spricht, dient als Grundargument. Die deutlichen Bezüge zu real existierendem politischem Personal und die Darstellung der gefühlten Wahrheit, was das korrupte Treiben in Politik- und Machtzirkeln anbelangt, wird ebenso gern als Grund für die hohe Identifikation mit der Serie genannt.
Doch vor allem der zwischenmenschliche Wahnsinn und die damit verbundenen Emotionen, die stärker als die Story selbst immer wieder mit der Erwartungshaltung der Zuschauer brechen, halten die Geschichte am Laufen. Und die Machtstrukturen zeigen sich in der Serie nicht nur beim korrupten Treiben zwischen Bankern, Lobbyisten und der Politik – bei den Vorstadtweibern werden auch die Machtverhältnisse in zwischenmenschlichen Beziehungen ausgeleuchtet, was umso spannender ist.
Die Verlängerung der Verlängerung
Zehn neue Folgen stehen ab Montagabend auf dem Programm. Und wie auch immer der Erzählstand und die Verfasstheit der Protagonistinnen nach der Ausstrahlung der zweiten Staffel sein wird – fix ist, dass der Drehstart für zehn weitere Folgen im Rahmen einer dritten Staffel für den Herbst 2016 geplant ist.
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