Bundespräsident kein „Wunderwuzzi“
Die Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten haben sich am Freitagabend bei einer gemeinsamen Diskussionsrunde den Fragen der Bürger gestellt. Die Veranstaltung im Festsaal der Diplomatischen Akademie in Wien stieß auf reges Interesse. Diskutiert wurden unter anderem die europäische Wertekultur, die Vorbilder der Kandidaten und wie sie das Amt anlegen würden.
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In einem waren sich die Kandidaten einig: Man wolle vermehrt das Gespräch mit der Bevölkerung suchen. Das Amt des Bundespräsidenten biete mehr Möglichkeiten, „als wir in den letzten Jahrzehnten gesehen haben“, zeigte sich die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss überzeugt. Um das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wiederherzustellen, würde sie das Gespräch mit den Bürgern suchen und Probleme wie die Flüchtlingskrise, Bildung und Pensionen „deutlich ansprechen und gleichzeitig von der Regierung einfordern, dass sie die Probleme wirklich in Angriff nimmt“.
Hundstorfer gegen „Radikalität der Sprache“
Für die Auswahl der Minister schlug sie ein Hearing im Parlament vor. Bei der Besetzung der höchsten Staatsämter sei es ihr ein besonderes Anliegen, dass „deren höchste Qualifikation nicht das Parteibuch ist“. Das Rezept des SPÖ-Kandidaten Rudolf Hundstorfer gegen die Politikverdrossenheit ist es, sich dafür einzusetzen, „die Radikalität unserer Sprache zu reduzieren“. Außerdem wolle er die Hofburg öffnen und regelmäßig Sprechstunden in allen Landeshauptstädten abhalten, so Hundstorfer.
Hofburg-Wahl: Erstes Kandidatentreffen
Noch nie deutete bei einer Bundespräsidentenwahl so viel auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Die fünf aussichtsreichsten Kandidaten trafen am Freitag erstmals aufeinander.
„Ein Hearing wird Politikverdrossenheit nicht nachhaltig senken“, zeigte sich FPÖ-Kandidat Norbert Hofer überzeugt. Sein Traum sei es, die direkte Demokratie nach dem Vorbild der Schweiz in Österreich umzusetzen. ÖVP-Kandidat Andreas Khol sprach sich dafür aus, sich die „moderne Internettechnologie“ zunutze zu machen, um die Anliegen der Bürger zu sammeln und als deren Sprecher in die Regierung zu tragen. Außerdem will er zwei- bis dreimal im Jahr in jedem Bundesland Sprechtage abhalten. „Österreich ist nicht nur Wien.“
Van der Bellen bleibt bei FPÖ-Linie
Dass er aufgrund der Umfrageergebnisse die Favoritenrolle einnehme, wollte der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen nicht ganz gelten lassen. Aber es freue ihn: „Ich war der Außenseiter, und es ist jetzt besser so als anders.“ In Bezug auf die Politikverdrossenheit sei er einig mit Griss, dass es mehr Gesprächskultur brauche. Er glaube aber nicht, dass der Bundespräsident alle Probleme lösen könne: „Ich möchte davor warnen, vom Bundespräsidenten einen Wunderwuzzi zu erwarten, der alles lösen wird“, so Van der Bellen. Probleme müssten aber deutlich angesprochen werden: „Im Dreieck Bundesregierung, Bundespräsident und Parlament muss es ja nicht immer höflich, freundlich und einvernehmlich zugehen.“

APA/Herbert Pfarrhofer
Erstmals waren alle Fixstarter in einer Diskussionsrunde vereint
In Bezug auf eine mögliche Nicht-Angelobung der FPÖ blieb Van der Bellen bei seiner Aussage: „Ich habe darauf hingewiesen, dass ich als Bundespräsident dort, wo er nicht an den Vorschlag der Regierung gebunden ist, also bei der Regierungsbildung, nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden werde.“ Ihm gehe es dabei besonders darum, welche Rolle das Regierungsprogramm im Hinblick auf Europa vorsehe. „Deswegen hätte ich größte Bedenken, Herrn Strache (Heinz-Christian, FPÖ-Chef, Anm.) anzugeloben.“
Griss: Rücktritt als „Weckruf“
Khol bekräftigte dagegen, den Vorsitzenden der Partei, die die Mandatsmehrheit hat, mit der Regierungsbildung zu beauftragen. „Wenn Herr Strache Chef der mandatsstärksten Partei ist, würde ich natürlich ihm diesen Auftrag geben.“ Griss betonte, dass sie ihre Ankündigung, in einem bestimmten Fall als „Weckruf“ zurückzutreten, nur in einer „Extremsituation“ wahr machen würde: „Ich denke nicht daran, zurückzutreten.“ Das würde sie nur „in einer absoluten Extremsituation, die wir nicht haben und nicht haben werden“, tun.
„Wenn man sieht, das wird eine Diktatur, dann hat der Bundespräsident nur die Möglichkeit, zurückzutreten“, so Griss. Bei einer ernsten Blockade innerhalb der Regierung könne es eine Möglichkeit sein, eine Minderheitenregierung zu forcieren. „Warum nicht eine Blockade, die SPÖ und ÖVP zu verantworten haben, damit auflösen?“
Khol der neue Sanders?
Auch das Alter der Kandidaten war Thema: Auf sein Alter angesprochen verglich sich Khol mit dem amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders: „Der Bernie Sanders ist von allen Kandidaten in den Vereinigten Staaten der Einzige, der Jugendliche anspricht.“ Mit jungen Leuten habe auch er selbst „überhaupt kein Problem“: „Wenn ich für jedes Selfie zehn Euro bekommen würde, hätte ich den Wahlkampf finanziert.“ Auch Griss sieht ein höheres Alter nicht als Nachteil.
Hofer gestand dagegen ein, dass er ursprünglich gesagt habe, er fühle sich zu jung für dieses Amt. Zumindest für seine Kinder sei er jedoch „steinalt“ und reif genug für das Amt. Zu der Zusammenlegung der Ämter von Bundeskanzler und Präsident, wie es Strache vorgeschlagen hatte, meinte er ausweichend: „Ich glaube, Österreich hat derzeit andere Sorgen.“
Hofer: „Spreche mit meinem Herrgott jeden Tag“
Einig waren sich die Kandidaten bei ihrem Vorbild aus dem Kreis der ehemaligen Bundespräsidenten: Alle entschieden sich für Rudolf Kirchschläger. Auch Heinz Fischer stellten sie ein gutes Zeugnis aus. Uneinigkeit herrschte hingegen darüber, welche Werte Österreich und die EU ausmachen: Für Van der Bellen sind „die Herrschaft der Vernunft und des Rechts zentrale Werte der europäischen Kultur“.
Christlichkeit sei dagegen kein europäischer Wert für ihn, so der Präsidentschaftskandidat. „Ich persönlich fühle mich dem Neuen Testament verpflichtet, auch wenn ich selbst den Glauben an diesen einen Gott verloren habe“, sagte Van der Bellen. Anders sah das Hofer: „Ich bin Christ, ich spreche mit meinem Herrgott jeden Tag“, sagte er. Das müsse aber jeder für sich wissen.
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