Das enge Rennen um die Aufmerksamkeit
Die Zeit ist kurz, die Budgets sind durchaus überschaubar - und so wirklich spürbar sind die Kandidaten im Rennen um die Hofburg medial noch nicht wirklich. Insofern wird in den kommenden 48 Tagen die Stunde der Wahlkampfmanager und PR-Strategen schlagen, wenn es gilt, die eigene Kandidatin oder den Kandidaten klar ins Rampenlicht zu stellen.
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Am Internationalen Frauentag verrieten die Wahlstrategen, allesamt Männer, wie sie die Kandidaten in den kommenden Wochen sichtbar machen würden. Deutlich wurde dabei: Alle Strategen wollen die Mobilisierungskraft Sozialer Medien nutzen. Und sie werden sich bemühen, möglichst drei unterscheidbare Kernbotschaften zu lancieren.

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IAA-Präsident Richard Grasl lud die Wahlstrategen ein, ihr Nähkästchen ein Stück zu öffnen
Auf Einladung der IAA Business Communication waren am Dienstag die Masterminds hinter den Wahlkämpfen der fünf wahrscheinlich aussichtsreichsten Kandidaten im Rennen um die Hofburg in Wien zusammengetroffen. Gastgeber ORF-Finanzchef Richard Grasl, diesmal in seiner Rolle als IAA-Austria-Präsident, erwartete sich von der Diskussion Aufschlüsse, welche Kommunikationsstrategien und -elemente in den kommenden Wochen von den Spindoktoren hinter dem Wahlkampf zu erwarten sind.
Und alle räumten gegenüber Moderatorin Julia Schnitzlein („News“), die am Weltfrauentag in der Männerrunde den Frauenfaktor mit deutlichem Alleinstellungsmerkmal hochhielt, ein, dass man den günstigsten Weg der Kommunikation ausreizen werde: die Platzierung der Kandidaten via Soziale Medien.
Die Werber und die Sozialen Netzwerke
Werber Thomas Kratky, der für die Kampagne des ÖVP-Kandidaten Andreas Khol verantwortlich zeichnet, wunderte sich zwar, „dass man im Jahr 2016 überhaupt noch den Begriff ‚Soziale Medien‘ in den Mund“ nehme, wo es im Zug einer modernen Kommunikationsstrategie doch nur logisch sei, alle Kommunikationskanäle, die es gibt, zu bedienen.

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Moderatorin Julia Schnitzlein zwischen Herbert Kickl und Thomas Kratky: Kommt ein Reim oder nicht?
Zu seinem Lieblingsgegenüber in der Diskussion wurde FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, Mastermind der Kampagne von Norbert Hofer. Kickl kündigte an, mit einem Plakatsujet auszukommen, dafür werde man aber die „hohe Kompetenz“, die man zurzeit in den Sozialen Medien habe, in vollen Zügen ausspielen.
„Wir sind nun mal gut in den neuen Kommunikationswegen“, gab sich Kickl, der einen offensiven Wahlkampf ankündigte, selbstbewusst - „wobei man Offensive nicht mit Aggression verwechseln“ solle. „Stimmen macht man mit Stimmung, und die Stimmung muss zur Person passen“, setzte Kickl seine Strategie auf das - wie er meint - Alleinstellungsmerkmal seiner Partei: „Wir sind systemverändernd, die anderen Vertreter sind systembewahrend.“
„Und wie sagt schon der Pumuckl?“
Das brachte Kickl einige Rosen von Kratky ein: „Herr Kickl ist der Mustervertreter der Single Minded Proposition hier im Panel. Außerdem schafft er ja immer Wahlkampfslogans, die in Erinnerung bleiben, und in vielen Fällen reimen sich die. Und wie sagt schon der Pumuckl? ‚Was sich reimt, ist gut.‘“ Doch mit einem Reim will der freiheitliche Wahlstratege nicht punkten - „unser Plakat wird diesmal frei vom Reim sein“. Es werde aber dennoch in Erinnerung bleiben.
„Den Wahlkampf nicht versemmeln“
Rudi Kobza, der „als Werber, nicht Wahlkampfstratege“ für Rudolf Hundstorfer im Ring stand, begrüßte den intensiven Personenwahlkampf als wichtigen Impuls für seine Branche „in einem sonst kommunikationsschwachen Jahr“. Er erwartet einen fairen und ruhigen Wahlkampf und gab sich auch im Hickhack mit dem Van-der-Bellen-Lager versöhnlich. Am Ende müsste sich noch die ganze Branche nur eine Gretchenfrage gefallen lassen: Habe man den Wahlkampf „versemmelt“ - oder nicht?

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Kobza sieht die Herausforderung darin, in knapper Zeit drei wesentliche Eigenschaften des eigenen Kandidaten herauszustreichen. Gefragt, welche diese bei Hundstorfer seien, fiel Kobza vor allem die Erfahrung als deutliches Merkmal bei Hundstorfer auf.
Lockl fordert mehr Branchenbewusstsein
Lothar Lockl, einst aktiv in der Politik der Grünen engagiert und mittlerweile Strategieberater im Unternehmensbereich, drückte für das Team von Alexander Van der Bellen die Hoffnung auf einen fairen und konstruktiven Wahlkampf aus. Van der Bellen wolle vor allem mit seinen Visionen punkten. Aus seiner jüngeren Vergangenheit nimmt Lockl die Erkenntnis mit, dass zu viel Negative Campaigning der ganzen Branche schade - insofern war er im Nicht-Versemmlungsfaktor mit seinem Nachbarn aus dem SPÖ-Lager durchaus eins. Worauf auch Lockl setzte und stolz verwies: den Erfolg der Facebook-Kampagne seines Kandidaten.
Suche nach dem günstigen Hebel
Soziale Medien und jede Form der Kommunikation, die günstig und effektiv sei und einen „Hebel“ bringe, muss Milo Tesselaar als Leiter des Wahlkampfs von Irmgard Griss nach eigenen Worten nutzen. Mit gut einer halben Million Euro an Budget aus „Crowdfunding“ seien die Mittel für das Team der ehemaligen OGH-Richterin mehr als überschaubar. „Ehrlich sein und so sein, wie man ist“, skizzierte er jene Linie, mit der Griss beim Wahlvolk punkten will.

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Beim Branchenpublikum blüht eine Vielzahl von Stichwahlwetten
Stolz zeigte man sich, dass just am Dienstag die Unterschriften für die Kandidatur von Griss bei der Bundeswahlbehörde eingereicht werden konnten. Zwei Unterstützungsstimmen habe man auch für Van der Bellen bekommen - diese gab Tesselaar am Ende an den Wahlkampfleiter von Van der Bellen weiter.
Alle erwarten offenes Rennen
Die großen Geheimnisse des Wahlkampfs, so es welche gibt, blieben in der Diskussion unter Verschluss. Noch weniger wollte man sich auf Nachfrage aus dem Publikum festlegen, wer nun in die Stichwahl komme. Unvorhersehbar, lautete der breitere Tenor, bis auf Kickl, der sich auf ein Rennen Hofer-Hundstorfer einstellte: „Nur damit das jetzt im Protokoll ist. Denn auch wenn es jetzt keiner sagen will, nachher haben es ohnedies alle gewusst, wie es ausgehen wird.“

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V. l. n. r.: Gastgeber Richard Grasl mit Milo Tesselaar (Team Griss), Herbert Kickl (Norbert Hofer), Julia Schnitzlein („News“), Thomas Kratky (Andreas Khol), Rudi Kobza (Team Hundstorfer), Lothar Lockl (Alexander Van der Bellen)
Wo und wann die Wahl entschieden würde, darauf legte sich der Erfahrenste im Feld fest. Kratky, der schon für Thomas Klestil und Heinz Fischer erfolgreiche Wahlkämpfe leitete, erwartet die Entscheidung bei den Wählern erst beim Aufeinandertreffen der Kandidaten im TV. Alle Umfragen des Augenblicks seien Stimmungsmache und bestenfalls Schall und Rauch. Auffällig aber sei, wie nah alle Kandidaten beisammen lägen.
Gerald Heidegger, ORF.at
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