Ein mehrfacher „Vertrauenstest“
In gleich drei deutschen Bundesländern finden am Sonntag Landtagswahlen statt. Ausgang und Folgen sind denkbar unklar. Mehrheiten wackeln, die Stimmung ist gereizt, von einer diffusen Unzufriedenheit mit dem politischen Establishment profitiert vor allem die rechte Alternative für Deutschland (AfD). Der Superwahlsonntag gilt als mehrfacher Stimmungstest.
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In den drei Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sind zusammen etwa 13 Mio. Menschen wahlberechtigt, und das sei „auch schon alles, was an diesen Landtagswahlen berechenbar ist“, hieß es im deutschen „Spiegel“. Noch vor Monaten habe die Wählerstimmung ganz anders ausgesehen, nun sei der Sonntag „nicht weniger als ein Vertrauenstest: in die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung in der Flüchtlingskrise, in die Volksparteien, in die Politik insgesamt“.
Drei unsichere Konstellationen
Die Ausgangssituation: In Baden-Württemberg regiert seit der letzten Wahl 2011 eine Koalition von Grünen und SPD, in Rheinland-Pfalz umgekehrt eine aus SPD und Grünen, in Sachsen-Anhalt eine Große Koalition aus CDU und SPD wie auf Bundesebene in Berlin auch. Vor allem in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz war das Rennen laut ZDF-„Politbarometer Extra“ bis zuletzt offen. In Sachsen-Anhalt könnte sich eine Fortsetzung von Schwarz-Rot knapp ausgehen, sicher ist aber auch das nicht.

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Die Rechte setzt auf die Verunsicherung durch die Flüchtlingskrise
Eines zeigten alle Umfragen deutlich: Die AfD, erst 2013 gegründet und folglich bei den letzten Wahlen in den drei Ländern noch nicht dabei, dürfte auf Anhieb zweistellige Ergebnisse erzielen. Prognosen sagen ihr in Sachsen-Anhalt bis zu 19 Prozent voraus. Damit würden die Rechtspopulisten dort die SPD überholen. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz lag die AfD zuletzt bei elf bzw. neun, zehn Prozent.
Grüne als neue Volkspartei
Die Grünen - die in Baden-Württemberg seit 2011 erstmals einen Ministerpräsidenten, Winfried Kretschmann, stellen - könnten dort zur neuen Volkspartei werden, hieß es. Sie erreichten bei der letzten Wahl 24,2 Prozent, am Sonntag könnten es bis zu 32,5 Prozent werden. Damit würden die Grünen die CDU, die in der ZDF-Umfrage gegenüber 2011 zehn Punkte auf 29 Prozent verliert, überholen und erstmals stimmenstärkste Partei in einem Bundesland werden.

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Die Grünen sind mit Kretschmann auf dem möglichen Weg zu Platz eins
Für die CDU wäre ein derartiges Ergebnis im einstigen Stammland, wo sie über 50 Jahre lang den Ministerpräsidenten stellte, ein Fiasko. Unklar ist, ob Kretschmann mit der SPD (allein) weiterregieren kann, denn diese könnte mit 13 Prozent - 2011 waren es 23 gewesen - zum zweiten großen Verlierer in dem südwestdeutschen Bundesland werden.
In Rheinland-Pfalz liegt laut ZDF die SPD mit 36 Prozent knapp vor der CDU mit 35 Prozent. Andere Umfragen sahen die beiden Parteien zuletzt gleichauf. Die Grünen als bisheriger Koalitionspartner von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erreichten zuletzt aber nur 5,5 Prozent Zustimmung, 2011 waren es über 14 Prozent. Für die CDU will Spitzenkandidatin Julia Klöckner die Mehrheit zurückerobern. Bis 1991 war sie die dominierende Kraft gewesen, von 1971 bis 1987 regierten die Christdemokraten mit absoluter Mehrheit.
Plötzlich war die AfD da
In Sachsen-Anhalt sind die Prognosen mit 17 bis 19 Prozent für die AfD großes Thema. Dabei hat die 2013 gegründete Partei in dem strukturschwachen ostdeutschen Bundesland mit über 2,2 Mio. Einwohnern gerade einmal ein paar hundert Mitglieder. Sie tritt dort mit dem Slogan „Wir für unsere Heimat“ an. Die AfD sammelt laut Einschätzung von Politikexperten vor allem die Stimmen von Denkzettelwählern und denjenigen ein, die sich als Verlierer der deutschen Wiedervereinigung sehen.

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Die AfD ist vor allem in Ostdeutschland sehr stark
In Sachsen-Anhalt regiert bisher Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit der SPD. Die CDU kommt laut ZDF-„Politikbarometer“ auf 32 Prozent der Stimmen, die SPD könnte von 21,5 (2011) auf 14 Prozent abrutschen und hinter CDU, Linkspartei (21 Prozent) und AfD auf Platz vier landen. Die Prognosen für die FDP liegen in den drei Ländern bei 4,5 bis sieben Prozent.
„Auskunft über Stimmung im ganzen Land“
Die drei Wahlen würden „Auskunft über die Stimmung im ganzen Land geben“, kommentierte das Magazin „stern“. In den Parteizentralen von CDU und SPD würden bereits Analysen für den Nachwahltag gebastelt, es würden „Argumente gesammelt, warum die Parteichefs Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) gar nicht schuld an vielleicht historischen Schlappen ihrer Spitzenkandidaten sind“.
Der „Spiegel“ sah zuletzt Merkels Kanzlerschaft „vorerst“ nicht in Gefahr. Sie sei „trotz Nachfolgedebatten in der Flüchtlingskrise weiter das größte Pfund der Union“. Außerdem könne man „zu diesem Zeitpunkt kein ernsthaftes Interesse an einem Merkel-Sturz ausmachen“. Trotzdem könnte „der Druck der Merkel-Kritiker auf die Chefin noch am Wahlabend massiv zunehmen“.
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