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„Rund 400.000“

Kurz vor dem EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise drängt Kanzler Werner Faymann (SPÖ) die deutsche Bundesregierung, selbst auch nach österreichischem Vorbild eine Höchstzahl für die Aufnahme von Asylsuchenden festzulegen.

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„Auch Deutschland muss eine Zahl für die Aufnahme von Flüchtlingen sagen, die es bereit ist, aus der Region um Syrien und der Türkei zu holen“, sagte Faymann in einem Interview mit der Zeitung „Kurier“ (Sonntag-Ausgabe). „Deutschland muss endlich Klarheit schaffen, sonst werden weiterhin Flüchtlinge Richtung Deutschland losziehen“, fügte Faymann hinzu.

Wenn das Nachbarland den „österreichischen Richtwert“ zum Maßstab nehme, könnte es „rund 400.000 Flüchtlinge als Kontingent nennen“. „Solange Deutschland das nicht sagt, ist klar, was passiert: Die Flüchtlinge glauben weiterhin, dass sie durchgewunken werden“, so Faymann.

Weist rechtliche Bedenken zurück

Die Regierung in Wien hatte Mitte Februar angekündigt, pro Tag nur noch 80 Asylanträge anzunehmen und maximal 3.200 Flüchtlinge in andere Länder durchzulassen. 2016 sollen insgesamt maximal 37.500 Asylanträge angenommen werden, nachdem im vergangenen Jahr rund 90.000 Menschen Asyl in Österreich beantragt hatten. Angesichts der Einstufung der Höchstzahlen als Verstoß gegen EU-Recht durch die Brüsseler Kommission schloss Faymann im „Kurier“ einen Rechtsstreit mit dem Gremium nicht aus. Seine Regierung bleibe aber „konsequent“ bei ihrem Beschluss.

Rechtfertigt Richtungswechsel

„Ich habe niemanden vor den Kopf gestoßen, sondern immer konsequent Österreichs Interessen verfolgt. Das ist meine Aufgabe als Regierungschef“, wies Faymann Kritik an der Höchstzahl zurück, die neben der EU-Kommission auch Deutschland geübt hatte. Dass Österreich im September die Grenzen geöffnet hatte, bezeichnete Faymann im „Kurier“ als „Notlösung für kurze Zeit“. Er habe aber „immer gesagt, wir müssen die Zahl der Flüchtlinge massiv reduzieren“. Leider sei zunehmend deutlich geworden, „dass die EU-Maßnahmen einfach nicht ausreichen und die Länder absolut nicht solidarisch sind“.

Kontingente statt Durchwinken

Für den Brüsseler Gipfel am Montag sagte Faymann drei Ergebnisse voraus: „Erstens, eine bessere Zusammenarbeit mit der Türkei, Schlepper sollen gemeinsam bekämpft und abgewiesene Asylwerber zurückgeführt werden. Zweitens, das Durchwinken muss ein Ende haben. Und drittens, an Stelle des Durchwinkens sollen Flüchtlinge von außerhalb der EU, aus der Türkei, dem Libanon und Jordanien mit UNHCR-Hilfe von EU-Staaten übernommen werden.“

Die legale Einreise von Flüchtlingen auf Grundlage von Kontingenten müsse an die „Stelle des chaotischen und unkoordinierten Durchwinkens treten“, sagte Faymann in dem Interview. Derzeit klaffe zwischen „dem großen Ziel und der europäischen Wirklichkeit“ allerdings „eine große Lücke“. Die EU müsse sich nun bewusst machen, dass Millionen weitere Menschen überlegten, nach Europa zu fliehen.

Derzeit sitzen in Griechenland Tausende Flüchtlinge fest, die über die sogenannte Balkan-Route weiter in Aufnahmeländer wie Österreich und Deutschland reisen wollen. Nach Österreich hatten vergangene Woche auch Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien eine Tageshöchstzahl für die Einreise von Flüchtlingen eingeführt.

Merkel fordert Umsetzung von Beschlüssen ein

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte vor dem Gipfel einmal mehr an ihre Amtskollegen, den bisherigen Beschlüssen auch Taten folgen zu lassen. „Ich erwarte, dass wir Schritt für Schritt das praktisch umsetzen, worauf wir uns beim letzten Europäischen Rat im Februar mit allen 28 Mitgliedstaaten geeinigt haben. Wir können diese Herausforderung nur gemeinsam bewältigen“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. Grünen-Politiker warnten die Kanzlerin und die EU davor, sich in der Flüchtlingspolitik von der Türkei erpressen zu lassen.

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