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„Nicht nur Supertypen“

Es ist eigentlich der Idealfall für alle Politikerinnen: mit einem Schlag - und dann gleich für mehrere Wochen - die volle Aufmerksamkeit des ganzen Landes für sich zu haben. Genau das passierte, als die damalige Frauenministerin Helga Konrad (SPÖ) im Dezember 1996 ihre Initiative „Ganze Männer machen halbe-halbe“ vorstellte.

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Das ließ niemanden kalt und löste eine selten lebhafte Debatte in ganz Österreich aus. Mit einem Schlag stand die Frage, wie es - insbesondere im privaten Bereich - mit der Gleichberechtigung von Frauen und Männern aussieht, auf der Tagesordnung. In der Politik, in den Medien, am Stammtisch und im privaten Kreis war der Vorstoß, Männer unter anderem zu Hausarbeit zu verpflichten, heftig umstritten.

Porträt von Helga Konrad

Helga Konrad

In neoliberalen Zeiten ist der Kampf für Frauenrechte schwieriger, findet Konrad

Kampagne wurde „abgedreht“

Auf Polemik, Empörung und Erregung folgte - mit einem Regierungswechsel - nach wenigen Wochen das rasche Ende der Kampagne, Konrad wurde als Frauenministerin von Barbara Prammer abgelöst. Die Kampagne sei damals „abgedreht“ worden, so Konrad gegenüber ORF.at. Sie bedauert das bis heute, denn der Grundsatz der Studentinnenbewegung, dass das Private politisch sei, gelte heute wie damals.

Für die SPÖ-Politikerin gilt, dass frau ein gesellschaftspolitisches Thema wie die „Halbe-halbe“-Initiative „nicht nur Individuen überlässt, sondern dass Politik die Strukturen für Veränderung schafft“. Medial sei ihr Vorstoß meist auf die Hausarbeit verkürzt worden. Das sei aber nur ein Aspekt gewesen. Ihr sei es viel grundsätzlicher um eine gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, von Erwerbs- und Familienarbeit zwischen Frauen und Männern gegangen, so Konrad. Und das sollte per Gesetz geregelt werden. Außerdem wollte sie Frauen das Recht auf Scheidung einräumen, wenn ihre Ehemänner ihren Arbeitsanteil nicht erledigen. Bis dahin gab es dieses Recht schon - jedoch ausschließlich für Männer.

„Mit Ängsten verbunden“

Die „Halbe-halbe“-Kampagne habe Österreich gespalten, das sei „mit Ängsten verbunden“ gewesen. Die Reaktionen hätten Männer sicher hysterisch genannt, wären sie von Frauen gekommen und nicht von ihnen selbst. Der Blick zurück zeige, dass es „sehr lange dauert, bis etwas, das fortschrittlich ist, überhaupt zum Thema wird“. Es habe sich aber bei der Aufteilung der unbezahlten Arbeit doch einiges geändert. Junge Paare würden damit teils anders umgehen als noch vor 20 Jahren, es sei aber weiter nötig, der insgesamt strukturellen Benachteiligung durch Gesetze zu entgegnen.

Ein Vergleich der letzten verfügbaren Zahlen zeigt, dass sich über die Jahre einiges bewegt hat: Arbeiteten 1981 nur 40 Prozent der heimischen Männer im Haushalt (darunter fällt aber auch Rasenmähen, Anm.), so waren es 2009 mehr als zwei Drittel. Das waren allerdings noch immer 18 Prozent weniger als Frauen - die auch 2009 im Schnitt mehr als vier Stunden täglich im Haushalt arbeiteten; Männer dagegen zweidreiviertel Stunden.

Eine Grafik zeigt das Verhältnis von Küchenarbeit und Essen

Grafik: ORF.at; Quelle: Statistik Austria

Die Verhältnisse waren zumindest 2009 - aus diesem Jahr stammen die letzten verfügbaren Daten - noch immer eindeutig

Insgesamt gebe es noch einiges zu tun, auch im Ehe- und Familienrecht, das unter ihrer Nachfolgerin Prammer geändert wurde, sagt Konrad. Die gesetzlichen Regeln seien eher „verwaschen“ - Konrad räumt aber zugleich ein, dass Politik „halt so ist“.

„Aufschwung in Gleichberechtigung“

„Riesige Baustellen“ sieht die Frauenpolitikerin, die sich seit mehr als einem Jahrzehnt im Kampf gegen den organisierten Menschenhandel engagiert, vor allem in der Arbeitswelt mit Gehaltsschere und gläserner Decke. „Es brauchte einmal wieder Aufschwung in Gleichberechtigung“, fordert Konrad. Der aktuellen Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) will sie die Mankos jedoch ausdrücklich nicht anlasten. Sie beneide diese nicht um deren Job, im Gegenteil: Frauenministerin zu sein sei heute schwieriger als vor 20 Jahren.

Der Neoliberalismus habe die Rahmenbedingungen stark verändert. Dazu komme, dass ein breites feministisches Bewusstsein fehle, das sei auch innerhalb der SPÖ „nicht so toll“. Daher fehle heute der Druck von Fraueninitiativen auf die Politik. Ihre Amtsvorgängerin, die erste Frauenministerin Johanna Dohnal (SPÖ), habe es perfekt verstanden, solchen Druck in Frauenrecht umzumünzen. „Politik funktioniert nun einmal so“, stellt Konrad nüchtern fest.

Warnung vor „es geht eh“

Sie warnt daher davor, sich Illusionen hinzugeben. Besonders junge Frauen würden sich heute individuell oft denken, „es geht eh“. Die Probleme kämen dann schon, aber eben später - etwa wenn die Karriere ins Stocken gerät oder mit der Familie. Es sei „leider falsch“ zu glauben, mit der Gleichberechtigung gehe es linear voran. Es gebe auch Rückschritte, eine rein männliche Landesregierung etwa wie in Oberösterreich. Das sei schlicht „inakzeptabel“.

Mit Spott gegen Frauenpolitik

Frauenpolitik sei - angesichts der damit verbundenen Ängste, Fantasien und handfesten Machtinteressen - ein „sehr komplexes Themenfeld“, bei dem frau viele Einzelmaßnahmen ergreifen müsse. Wenn frau dann mit einer Maßnahme beginne, werde gern eingewendet, das sei ja nur ein Nebenaspekt und bei Weitem „nicht das Wichtigste“.

Auch die Initiative von Heinisch-Hosek gegen das Pograpschen, das nach längerer Debatte seit dem Vorjahr strafbar ist, sei zunächst ähnlich abgetan worden. Frau habe darüber gelächelt und die Ministerin dafür verspottet. Nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln, als ausländische Männer zahlreiche Frauen bedrängten und sexuell nötigten, sei das „plötzlich“ anders, und frau sage: „Toll, dass dazu in Österreich schon etwas gemacht wurde.“

„Bei Männern schaut man nicht so genau“

Ganz nebenbei listet Konrad im Interview eine Agenda an frauenpolitischen Maßnahmen auf, die wohl für mehrere Regierungsperioden reichen würde. Einen Punkt hält sie für längst überfällig - dass in der Regierung eine 50:50-Quote eingeführt wird. Doch da laute die Frage dann immer, ob es überhaupt genügend qualifizierte Frauen gebe, so Konrad hörbar sarkastisch. „Aber bei den Männern schaut man nicht so genau. Da haben wir derzeit aber auch nicht nur Supertypen.“

Guido Tiefenthaler, ORF.at

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