Regierung hält sich weitere Reformen offen
Während die Regierungsspitze mit Kanzler Werner Faymann (SPÖ) das „intensive Ergebnis“ des Pensionstreffens von Montagabend gelobt und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) einen „kulturellen Durchbruch“ gesehen hat, haben sich Wirtschaftsexperten erheblich skeptischer über die geplanten Maßnahmen geäußert.
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Die Ergebnisse seien „denkbar unspektakulär“, meinte etwa Ulrich Schuh, Leiter des Forschungsinstituts EcoAustria. Die Regierung habe viel zu wenig die langfristigen Perspektiven des Pensionssystems und die steigende Lebenserwartung berücksichtigt.
Für die Jungen sei die Frage nicht beantwortet, wie das Pensionssystem für die Zukunft aufgestellt sei, kritisierte Schuh. Auch Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hält das vereinbarte Paket für nicht ausreichend, um den derzeit steigenden Bundeszuschuss zu den Pensionen stabil zu halten. Verschiedene Einzelmaßnahmen bewertete Url aber großteils positiv.
Skepsis über neue Pensionskommission
Auf wenig Anklang stieß auch die Neuaufstellung der Pensionskommission und die Ausweitung ihrer Kompetenzen. Das sei unspektakulär, so Schuh. Schon jetzt müsste diese Kommission Vorschläge an die Regierung erstatten, man habe sich nur zehn Jahre nicht an das Gesetz gehalten, so Schuh. Url hegt die Hoffnung, dass die Politik stärker unter Zugzwang gerät, wenn die Kommission mehr Autorität bekommt.
Entscheidend sei, welche Personen in die Kommission entsandt werden. Gerade dazu zeigte sich Schuh wenig optimistisch. Er erwarte, dass das Gremium auch in Zukunft von SPÖ und ÖVP „eher ausgewogen“ besetzt werde. Die Kommission ist für ihn „mehr Marketing als sonst etwas“.
„Stückwerk“ und Minderheitenprogramm
Auch die von der SPÖ geforderte Anhebung der Ausgleichzulage auf 1.000 Euro bei 30 Beitragsjahren ist für Schuh „Stückwerk“, da die Einbettung in ein Gesamtkonzept fehle. Dass man künftig nur die halben Pensionsversicherungsbeiträge zahlen soll, wenn man über das Regelpensionsalter hinaus arbeitet, halten die beiden Experten eher für ein Minderheitenprogramm, das nicht viele Personen in Anspruch nehmen werden.
Finanzielle Anreize für längeres Arbeiten seien zwar sinnvoll. Der WIFO-Experte rechnet aber eher damit, dass Frauen diese Regelung in Anspruch nehmen werden. EcoAustria-Chef Schuh glaubt nur an einen „symbolischen Akt“ ohne größere Auswirkungen.
„Sinnvolles“ Pensionssplitting
Die beiden Experten begrüßten hingegen die Ausweitung des Pensionssplittings, da Einkommensnachteile für Frauen ausgeglichen werden könnten. Für Schuh ist das „höchst sinnvoll“, weil man etwas für die eigenständige Absicherung der Frauen tun müsse. Derzeit bestehe eine erhebliche Schieflage zwischen den Geschlechtern.
Positiv zu bewerten sind nach Meinung der Experten auch Maßnahmen, um Bezieher von Rehabgeld und Menschen nach langen Krankenständen besser ins Berufsleben zu integrieren. Schuh lobte zudem, dass nun insbesondere auch bei psychischen Erkrankungen angesetzt werden solle. Es werde aber sicher ein „mühevoller Weg“, die Menschen davon zu überzeugen, dass der Antrag auf Rehabilitation nicht die Eintrittskarte in den Ruhestand bedeute.
Stöger: „Das ist für mich sehr viel“
Man werde „immer wieder Schritte setzen“, meinte Faymann am Dienstag. Auch Mitterlehner zeigte sich nach dem Ministerrat überzeugt, dass nicht das letzte Mal über Pensionen verhandelt wurde. Doch durch den Anreiz, länger zu arbeiten, ergebe sich „in ein paar Jahren ein anderer Zugang“. Das sieht auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl so. Er anerkannte zwar viele kleine Schritte in die richtige Richtung, betonte aber gleichzeitig, dass zur langfristigen Sicherung des Pensionssystems größere Strukturreformen notwendig seien.
Deutlich negativer sah das die Industriellenvereinigung (IV). IV-Präsident Georg Kapsch bedauerte, dass wieder keine große Reform zustande gekommen sei, und beklagte eine vergebene Chance auf eine nachhaltige Sicherung des Pensionssystems. Rundum zufrieden zeigten sich hingegen die Arbeitnehmervertreter aus ÖGB und Arbeiterkammer. ÖGB-Präsident Erich Foglar freute sich, dass diesmal eine Reform gelungen sei, die nicht aus Kürzungen bestehe. AK-Präsident Rudolf Kaske konstatierte ein „beachtliches Ergebnis“ und ein Drehen an den richtigen Stellschrauben.
Verhandler verteidigen Ergebnis
Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) und Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) verteidigten am Dienstag das Verhandlungsergebnis des Pensionstreffens. Stöger sah es als Erfolg, dass es keinen Automatismus gibt. Mit Blick auf die Verbesserungen für Frauen und die Mindestpension äußerte sich Stöger zufrieden mit dem Pensionsgipfel: „Das ist für mich sehr viel.“ Auch Schelling sprach von einem „Weg in die richtige Richtung“. Die Vorschläge der Pensionskommission würden in jedem Fall zu einer Regierungsvorlage führen.
Opposition „enttäuscht“ und „wütend“
Enttäuscht zeigten sich die Frauensprecherinnen der Oppositionsparteien. Berivan Aslan, Frauensprecherin der Grünen im Parlament, begrüßte die Anhebung der Ausgleichszulage. Diese sei aber an das Haushaltseinkommen gebunden und schaffe dadurch wieder ein Abhängigkeitsverhältnis. Erfreut zeigte sich Aslan darüber, dass die frühere Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen nicht kommt.
„Sehr enttäuscht“ zeigte sich die FPÖ-Abgeordnete Carmen Schimanek über die angekündigten „Placebo-Maßnahmen“. Die höhere Ausgleichszulage etwa werde nur wenige Frauen betreffen, da sie selten durchgehend 30 Jahre bei einem Unternehmen beschäftigt seien. Auch die Forderung nach vier Jahren Anrechnung der Kindererziehungszeiten fehle komplett.
Drastischer formulierte es NEOS-Frauensprecherin Claudia Gamon, sie zeigte sich in einer Aussendung „wütend“: „Der Kompromiss ist eine Niederlage für die Frauen.“ Das Team Stronach (TS) ortete lediglich „einen kleinen Erfolg und kleine Verbesserungen“, ihm fehlt es aber an einem neuen Gesamtsystem.
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