„Durchsetzungsinitiative“ gescheitert
Die Schweizer haben sich in einer Volksabstimmung am Sonntag gegen die automatische Ausweisung krimineller Ausländer ausgesprochen. Demnach stimmten 58,9 Prozent gegen die umstrittene Initiative der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP).
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Die SVP wollte bei der Volksabstimmung erreichen, dass kriminelle Ausländer künftig automatisch - ohne richterlichen Ermessensspielraum und ohne Härtefallklausel - nach Verbüßung ihrer Strafe für bis zu 20 Jahre des Landes verwiesen werden. Zu den ausweisungswürdigen Delikten zählten auch minder schwere Straftaten.
Bei einem Nein würde ein ebenfalls scharfes Ausländerrecht umgesetzt, das aber die Mitsprache der Richter sowie die Einzelfallprüfung bei der Frage einer Ausweisung nicht aushebelt. 2010 hat die Schweiz mit der „Ausschaffungsinitiative“ zuletzt eine harte Gangart in der Abschiebungspolitik straffällig gewordener Ausländer beschlossen.
Mit Vorstrafe würde Rauferei ausreichen
Bei der nunmehr unwahrscheinlichen Annahme der „Durchsetzungsinitiative“ durch die Wähler würde die Liste der Gründe, wegen derer Ausländer ihr Aufenthaltsrecht verlieren, noch um einiges länger werden.
Zu ihnen zählen neben Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch Drogenhandel und Sozialmissbrauch - und geringfügige Vergehen wie einfache Körperverletzung, Teilnahme an einer Rauferei, „falsche Anschuldigungen“ und „Drohungen gegen Beamte“, wenn es sich um Wiederholungstäter handelt. Betroffen sind auch Nachkommen von Einwanderern, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind, aber nicht die Staatsbürgerschaft besitzen.

Screenshot www.durchsetzungsinitiative-nein.ch/
Auch die Gegner machten mobil - und sie dürfen wohl schon feiern
Bei Annahme der Initiative sollen des Landes verwiesene Personen unabhängig von ihrem ausländerrechtlichen Status alle Rechtsansprüche auf einen Aufenthalt in der Schweiz verlieren. Eine konkrete Ausreisefrist soll angeordnet und ein Einreiseverbot von fünf bis 15 Jahren verhängt werden, im Wiederholungsfall von 20 Jahren. Grundsätzlich dürfen Ausweisungen in alle von der Regierung in Bern als sicher eingestuften Länder erfolgen.
SVP gehen Gesetze nicht weit genug
Der SVP gehen die bisherigen Gesetze, die auf Basis des Volksentscheids 2010 gemacht wurden, nicht weit genug. Sie enthalten eine Klausel, die es Richtern ermöglicht, in Härtefällen die automatische Ausweisung zu stoppen. Die SVP sprach von einer Verwässerung des Volksentscheids - mit einer neuen Regelung würden Einzelfallprüfungen und die Abwägung der Verhältnismäßigkeit nun weitgehend entfallen.
Laut einer Berechnung des Statistikamts wären im Jahr 2014 knapp 3.900 Ausländer ausgewiesen worden, wäre das im vergangenen März verabschiedete Gesetz damals schon in Kraft gewesen. Nach der neuen SVP-Initiative wären es mehr als 10.200 gewesen. Tatsächlich waren es rund 500. Die meisten der rund zwei Millionen Ausländer in der Schweiz stammen aus Europa - allen voran sind es Italiener, Deutsche und Portugiesen, gefolgt von Franzosen, Kosovaren und Spaniern.
Heftige Kontroversen
Die Initiative hatte für heftige Kontroversen gesorgt - und das in einem Land, in dem immerhin ein Viertel der ständigen Bewohner keinen Schweizer Pass haben. Allerdings steht die SVP mit ihrem Vorstoß weitgehend allein da. Eine breite Front lehnte ihn ab, darunter alle anderen Parteien, nach deren Auffassung sie gegen die „Grundregeln“ der Demokratie verstößt.
Kritiker hatten auch darauf verwiesen, dass ein neues Gesetz wohl wenig bringen dürfte: „Ein Großteil der durch Ausländer begangenen Delikte wird durch Kriminaltouristen begangen“, sagte Stefan Egli vom Komitee gegen die Durchsetzungsinitiative, dem 54 NGOs angehören. „Einen Kriminaltouristen interessiert es nicht, ob er die Schweiz nicht mehr betreten darf, wenn er sowieso illegal und nur hier ist, um Einbrüche zu begehen.“ Die SVP-Initiative sei „nichts anderes als eine Scheinlösung mit gravierenden Nebenwirkungen“.
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